Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbeschäftigungsanspruch nach Widerspruch des Betriebsrats. Eeinstweilige Verfügung. Eilbedürftigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Führt der Betriebsrat im Widerspruch gegen eine Kündigung konkret aus, dass die Beschäftigten der Filiale, in der die Gekündigte eingesetzt war, nicht berücksichtigt worden seien, ist dies nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG ausreichend.
2. Die Eilbedürftigkeit der Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 BetrVG bedarf keiner besonderen Begründung im Einzelfall.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 3, 5; ArbGG § 62 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 03.04.2008; Aktenzeichen 9 Ga 2/08) |
ArbG Hamburg (Aktenzeichen 9 Ga 11/08) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 3. April 2008 – 9 Ga 2/08 – wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verfügungsklägerin nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache 9 Ca 76/08 zu beschäftigen ist.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Arbeitsgericht Hamburg anhängigen Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Die 1968 geborene, geschiedene und zwei Kindern im Alter von 17 und fünf Jahren unterhaltsverpflichtete Verfügungsklägerin ist seit dem 1. Mai 2000 bei 30 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit zu einer monatlichen Bruttovergütung von EUR 1.735,15 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 19. April 2000 (Bl. 175 d.A.) bei der Verfügungsbeklagten als Verkäuferin/Sortimentsbetreuerin beschäftigt. Die aus der K. AG für den Bereich Feinkost ausgegliederte Verfügungsbeklagte ist nach Maßgabe eines Strukturtarifvertrages nach § 3 BetrVG in vier Betriebe gegliedert, für die jeweils Betriebsräte gewählt sind. Die Verfügungsklägerin ist in der Filiale M in H., die dem Betrieb N. zugeordnet ist, mit ca. 70 bis 75 Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen tätig.
Im Rahmen einer Personalanpassungsmaßnahme entschloss sich die Verfügungsbeklagte, im Regionalbetrieb N. insgesamt 44 Mitarbeiter zu entlassen. In H. wurde demgemäß Ende Januar 2008 sämtlichen Mitarbeitern der Filiale E. (15 Arbeitnehmer zuzüglich vier Anträge auf Zustimmung beim Integrationsamt) und weiteren sieben Mitarbeitern in der Filiale M betriebsbedingt gekündigt. Die Verfügungsklägerin zählt zu den entlassenen Beschäftigten.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2008 hörte die Verfügungsbeklagte den zuständigen Betriebsrat u.a. zur beabsichtigten Kündigung der Verfügungsklägerin an. Ausweislich des Protokolls „zur ordentlichen Betriebsratssitzung am 22.01.2008 in D.” (Bl. 149 ff d.A.) stand auf der Tagesordnung u.a.: „5. Beschlussfassung zur Kündigung der Mitarbeiter laut Massenentlassungsantrag”. Unter den zu entlassenden Mitarbeitern war auch die Verfügungsklägerin aufgeführt. Ferner war als TOP 6 aufgeführt: „Beschlussfassung zum Widerspruch der Kündigungen der Mitarbeiter KF GmbH & Co.KG lt. Kündigungsantrag vom 18.01.2008 auf Grund der fehlerhaften Sozialauswahl.” Zum letzteren TOP 6 heißt es in der Begründung im Protokoll: „Beschlussfassung – Der Betriebsrat der KF GmbH & Co.KG hat auf seiner Sitzung am 22.01.2008 in D. folgenden Beschluss gefasst: Der Betriebsrat erhebt Widerspruch zu den Kündigungen der Mitarbeiter, die uns am 18.01.2008 durch den Geschäftsführer … und die Personalreferentin … um 17:30 Uhr übergeben werden. Für jeden Mitarbeiter ist ein Widerspruch erstellt auf Grund der fehlerhaften Sozialauswahl.”
Der Betriebsrat widersprach der Kündigung der Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 25. Januar 2008 (Anl. AS 2, Bl. 6 f d.A.). Zur Begründung führte er u.a. aus:
„3. Wir widersprechen der Kündigung, weil es verschiedene Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz gibt.
Zum einen sind zur Zeit freie Arbeitsplätze in unseren Filialen MB, MO, K. (und auch in anderen Filialen) zu besetzen. Diese Arbeitsplätze sind ausgeschrieben. Hier könnte eine Weiterbeschäftigung erfolgen. Dies gilt auch für die Filiale Ds., in der zahlreiche Arbeitsplätze neu zu besetzen sind.
Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass in zahlreichen Filialen unseres Betriebes ständig und in erheblichem Umfang Beschäftigte als Leiharbeitnehmer/innen eingesetzt werden. Trotz der Nachfragen unsererseits haben Sie uns nicht im Einzelnen unterrichtet, welche Fremdarbeitnehmer/innen wann mit welchen Aufgaben eingesetzt werden. Aus dem Einsatz dieser Arbeitskräfte und dem erheblichen Volumen ergeben sich zahlreiche Arbeitsplätze, auf denen zunächst der von Kündigung bedrohte Mitarbeiter beschäftigt werden kann.
Soweit zur Weiterbeschäftigung ein Wechsel der Filiale erforderlich ist, kann die Weiterbeschäftigung ggfl. zu geänderten Bedingungen erfolgen. Jedenfalls wäre zunächst als mildere Maßnahme eine Änderungskündigung auszusprechen. Falls weitere Qualifikationen benötigt werden, wären zunächst Qualifizierungsmaßnahmen auf ...