Entscheidungsstichwort (Thema)
außerordentliche Kündigung. Betriebsratsmitglied. Führung unerlaubter privater Telefonate. Abmahnung. Zustimmungsersetzung. Außerordentliche Kündigung des Mitglieds eines Betriebrats [Privatgespräche am Diensttelefon]
Leitsatz (redaktionell)
1. Vom Arbeitnehmer unerlaubt geführte private Telefonate über die betriebliche Fernsprechanlage auf Kosten des Arbeitgebers können an sich dazu berechtigen, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen.
2. Gegen die Wirksamkeit einer Kündigung wegen derart unerlaubt geführter privater Telefonate spricht, wenn der Arbeitgeberin es über Jahre unterlassen hat, eine klare, unmissverständliche Regelung zum Führen kostenpflichtiger privater Telefonate mittels eines vierstelligen Geheimcodes zu schaffen.
3. Im Übrigen ist nach den Umständen des Einzelfalls immer zu prüfen, ob der Arbeitnehmer sein sein künftiges Verhalten im Bereich des Telefonierens mit Apparaten seiner Arbeitgeberin schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst worden wäre.
Normenkette
BetrVG § 103; BGB § 626 Abs. 1, 1; KSchG § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Münster (Beschluss vom 22.02.2011; Aktenzeichen 3 BV 32/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 22.02.2011 – 3 BV 32/10 – abgeändert.
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen
Tatbestand
A.
Die Arbeitgeberin begehrt die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitgliedes K1 (Beteiligter zu 3).
Der am 30.08.1976 geborene Beteiligte Arbeitnehmer K1 ist verheiratet und hat zwei fünf und zwei Jahre alte Kinder. Er ist seit dem 15.07.2002 als Hallentechniker zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.137,29 EUR für die Arbeitgeberin tätig; diese betreibt mit insgesamt ca. 54 Arbeitnehmern einschließlich der Auszubildenden ein Dienstleistungsunternehmen, das Veranstaltungen plant und durchführt.
Am 02.12.2003 erließ die Arbeitgeberin eine u.a. an den Beteiligten K1 gerichtete schriftliche Dienstanweisung, die auszugswiese wie folgt lautet:
„Unsere neue Telefonanlage gibt uns die Möglichkeit, mittels personenspezifischer vierstelliger Geheimcodes ausgehende private Telefonate getrennt zu erfassen.
Ab dem 15.12.2003 ist das private Telefonieren für alle Mitarbeiter ausschließlich mittels Nutzung dieses Codes erlaubt. In regelmäßigen Abständen werden Sie einen Ausdruck über diese privaten Telefonate erhalten. Die entstandenen Kosten sind in der Buchhaltung zu bezahlen.”
Am 04.05.2004 gab es ein Meeting zwischen Mitgliedern des im Betrieb bestehenden Betriebsrates und der Geschäftsführerin der Arbeitgeberin, D1.P1. In der von dieser verfassten Aktennotiz heißt es unter 3. u.a.:
„Abrechnung privater Telefongespräche – grundsätzlich i.O.. Gibt eine Grauzone – muss man Telefongespräche um mitzuteilen, dass man später nach Hause kommt auch privat abrechnen. Herr L1 schlägt vor z.B. eine Summe oder eine bestimmte Zahl an Einheiten frei zur Verfügung zu stellten. Die GF will sich dazu Gedanken machen. …; ”
Im Protokoll zum folgenden Montags-Meeting am 10.05.2004 heißt es dann u.a.:
„Frau D1. P1 weist noch einmal darauf hin, dass grundsätzlich alle Privattelefonate über PIN-Code geführt und dann abzurechnen sind.”
In den „Regelungen und Anweisungen”, abgezeichnet von der Geschäftsführerin am 10.08.2007, findet sich sodann u.a. folgende Bestimmung:
„Bei privaten Telefonaten ist immer der private Telefoncode vorweg einzugeben.”
Am 14.10.2010 ließ die Arbeitgeberin eine Aufstellung der durch den Beteiligten K1 bis dahin im Jahre 2010 geführten Telefonate zusammenstellen. Bei einer Überprüfung fiel dem Prokuristen Ö1 auf, dass der Arbeitnehmer oft seine private Telefonnummer in O1 angewählt hatte, ohne entsprechende Kosten in Höhe von 0,10 EUR pro Einheit entrichtet zu haben. Daraufhin wurde auch ein Einzelverbindungsnachweis für das komplette Jahr 2009 erstellt. Auch hieraus ergab sich, dass der Beteiligte K1 oft zu Hause seine Telefonnummern (=12345/123456 und 1234/1234567) oder die seiner Eltern (=12345/2345) angerufen hatte; daneben hat er häufig die Handynummer des Betriebsratsmitgliedes W2 (=3456/2345678), der im Zeitraum ab November 2009 bis August 2010 als Arbeitnehmer von der Arbeit freigestellt war, angewählt.
Am 15.10.2010 kam es über fast zwei Stunden zu einem Gespräch zum Thema „Abrechnung privater Telefonate” zwischen der Geschäftsführerin D1. P1, dem Prokuristen Ö1 und dem Beteiligten K1. Dazu wurde ein von Arbeitgeberseite gefertigter und unterschriebener Aktenvermerk erstellt, in dem u.a. ausgeführt ist:
„… Anschließend erfolgte eine gemeinsame Durchsicht aller Telefonnummern, die Herr K1 über die Telefonnummer 123 in 2009 und 2010 gewählt hat. Jede einzelne Telefonnummer wurde – soweit direkt erkennbar – auf Grundlage der Auskunft von Herrn K1 in der vorliegenden Liste handschriftlich durch Frau D1. P1 mit dem Namen des Gesprächspartners ergänzt. Es stellte sich sehr schnell h...