Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug. Rechtliche Einordnung einer Fraktion im Rat einer Stadt. Handelndenhaftung
Leitsatz (amtlich)
Fraktionen im Rat einer Stadt sind nicht rechtsfähige Idealvereine. Für Verbindlichkeiten der Fraktion haften nicht deren Mitglieder persönlich. Auch eine Handelndenhaftung nach § 54 S. 2 BGB scheidet aus.
Normenkette
GO NW § 56; BGB § 54; PartG § 37
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Urteil vom 12.10.2001; Aktenzeichen 1 Ca 1657/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 12.10.2001 – 1 Ca 1657/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagten den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses sowie Annahmeverzugslohnansprüche geltend.
Die im November 1964 geborene Klägerin schloss unter dem 21.09.1999 mit der im Rat der Stadt H1xx vertretenen Fraktion der Freien Wählergemeinschaft H1xx (im Folgenden: F5x) einen Anstellungsvertrag, auf dessen Grundlage sie – wie bereits in der vorangegangenen Legislaturperiode – als Assistentin der Fraktion zum Einsatz kam. Die Klägerin hatte zuvor nach einem ohne Examensabschluss absolvierten Jurastudium im Betrieb ihres Vaters, des Beklagten zu 2), Büroarbeiten verrichtet. Der Anstellungsvertrag, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 14 d.A. verwiesen wird, wurde für die Legislaturperiode von 1999 bis 2004 geschlossen. Die Klägerin sollte danach als Vollzeitkraft mit 38,5 Wochenstunden „entsprechend den Arbeitsrichtlinien der Stadt H1xx (Personalamt)” beschäftigt werden. Sie bezog ein monatliches Bruttogehalt von zuletzt 5.090,18 DM (= 2.602,57 EUR). Für die F5x hat die damalige Fraktionsgeschäftsführerin, die Beklagte zu 3), den Anstellungsvertrag unterzeichnet.
Auf die F5x sind bei den Kommunalwahlen vom 12.09.1999 vier von insgesamt 58 Sitzen für den Rat der Stadt H1xx entfallen, womit ihr Fraktionsstatus zukam. Neben den Beklagten zu 1) bis 3) gehörte auch der zum Fraktionsvorsitzenden gewählte P1xxx R4xxxxxxxxx der Fraktion an. Letzterer trat am 20.10.1999 aus der F5x-Fraktion aus. Fraktionsvorsitzender wurde der Beklagte zu 2), der auch Vorsitzender der F5x ist. Am 15.05.2001 erklärte die Beklagte zu 3) ihren Austritt aus Fraktion (Bl. 70 d.A.) und Partei (Bl. 71 d.A.). Beide Ratsmitglieder behielten ihr Mandat. Die F5x verlor aufgrund der unter drei Personen gesunkenen Fraktionsstärke mit dem Austritt der Beklagten zu 3) ihren Fraktionsstatus.
Mit Schreiben vom 18.05.2001 (Bl. 16, 17 d.A.) teilte die Stadt H1xx den Beklagten zu 1) bis 3) mit, dass nach Wegfall des Fraktionsstatus unverzüglich eine Abwicklung der als nicht rechtsfähiger Verein zu betrachtenden Ratsfraktion erfolgen müsse. Dazu zähle insbesondere die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin, da weitere Personalkosten nicht erstattet würden.
Die Beklagte zu 3) fertigte unter dem 18.05.2001 ein Schreiben (Bl. 18 d.A.), in dem sie den mit der Klägerin und der F5x-Fraktion geschlossenen Arbeitsvertrag außerordentlich (fristlos), hilfsweise ordentlich (fristgerecht zum nächsten Termin) kündigte. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Klägerin das Kündigungsschreiben im Original zugegangen ist.
Mit Schreiben vom 05.06.2001 (Bl. 15 d.A.) kündigten die Beklagten zu 1) und 2) das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich. Dieses Schreiben erhielt die Klägerin am 05.06.2001 ausgehändigt. Sie hat ab diesem Tag Arbeitslosengeld bezogen (Bl. 213 d.A.). Das Gehalt der Klägerin ist bis zum 31.05.2001 abgerechnet und gezahlt worden.
Nachdem der Ratsherr R4xxxxxxxxx seit September 2002 mit den Beklagten zu 1) und 2) erneut eine Fraktion bildet, wird die Klägerin seit 01.10.2002 auf der Basis eines neuen Arbeitsvertrages (Bl. 222 d.A.) als Fraktionsangestellte weiterbeschäftigt.
Mit der am 18.05.2001 beim Arbeitsgericht Hamm eingegangenen Klage hat die Klägerin den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses gemäß dem Anstellungsvertrag vom 21.09.1999 geltend gemacht und die Ansicht vertreten, die Auflösung der F5x-Ratsfraktion habe auf den Anstellungsvertrag keinen Einfluss, denn in diesem sei keine auflösende Bedingung vorgesehen. Selbst wenn man aber von der konkludenten Vereinbarung einer solchen Bedingung ausgehe, sei deren Eintritt jedenfalls rechtsmissbräuchlich herbeigeführt worden und damit unbeachtlich. Entsprechendes gelte für die etwaige Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage.
Die Klägerin hat sich unter Erweiterung ihrer Klage außerdem gegen die Kündigung vom 05.06.2001 und eine etwaige Kündigung vom 18.05.2001 gewandt und von den Beklagten
als Gesamtschuldner die Zahlung von Verzugslohn für die Monate Juni 2001 bis September 2001 (4 × 5.090,18 DM zuzüglich 500,00 DM Urlaubsgeld) verlangt.
Sie hat behauptet, das Kündigungsschreiben vom 18.05.2001 habe sie in der Fassung des Entwurfs erstmals im Gütetermin vom 12.06.2001 zu Gesicht bekommen. Sie habe nach ihrer urlaubsbedingten Abwesenheit ab 17.05.2001 am 03.06.2001 lediglich ...