Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber bei Wartezeitkündigungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber bei Wartezeitkündigungen zu stellen sind, ist zwischen Kündigungen, die auf substantiierbare Tatsachen gestützt werden, und Kündigungen, die auf personenbezogenen Werturteilen beruhen, die sich in vielen Fällen durch Tatsachen nicht näher belegen lassen, zu differenzieren. In der ersten Konstellation genügt die Anhörung den Anforderungen des § 102 BetrVG nur, wenn dem Betriebsrat die zugrundeliegenden Tatsachen bzw. Ausgangsgrundlagen mitgeteilt werden. In der zweiten Konstellation reicht die Mitteilung allein des Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung aus. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG sein Werturteil gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu substantiieren oder zu begründen.

2. Begründet der Arbeitgeber eine Kündigung in der Wartezeit gegenüber dem Betriebsrat mit dem Werturteil: "... genügt nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung leider nicht unseren Anforderungen", steht es dieser Gesamteinschätzung nicht entgegen, wenn der Arbeitgeber im Arbeitszeugnis die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers positiv darstellt.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Rostock (Entscheidung vom 30.01.2020; Aktenzeichen 1 Ca 1073/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 30.01.2020 - 1 Ca 1073/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier ordentlicher Kündigungen in der Wartezeit, insbesondere über die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung.

Die im August 1987 geborene Klägerin bewarb sich bei dem Beklagten mit Schreiben vom 19.03.2019 initiativ auf eine Vollzeitstelle als Erzieherin im Elementarbereich (Kinder von 3 - 6 Jahren). Die Parteien schlossen am 08.04.2019 einen Arbeitsvertrag, nach welchem die Klägerin zum 01.06.2019 mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Tätigkeit als Erzieherin beschäftigt wird. Die Parteien vereinbarten eine Probezeit von 6 Monaten, in der das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von 2 Wochen zum 15. bzw. zum Ende des Monats gekündigt werden kann. Die Klägerin arbeitete in der E.kindertagesstätte K. und bezog ein monatliches Gehalt von € 2.703,38 brutto. Sie war zunächst als Springerin in 2 Kindergartengruppen eingesetzt. Nach etwa 3 Wochen ordnete der Beklagte sie dem Krippenbereich zu. Da die Klägerin sich für den Elementarbereich beworben hatte, fragte sie mehrfach nach einer Wechselmöglichkeit in diesen Bereich.

Mit Schreiben vom 23.08.2019 unterrichtete der Beklagte den Betriebsrat wie folgt über die beabsichtigte Kündigung der Klägerin:

"...

hiermit zeigen wir an, dass wir beabsichtigen Frau A., geb. am 25.08.1987, eine ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit zum 15.09.2019 auszusprechen.

Sie ist ledig und hat keine Kinder. Die Vergütung erfolgt entsprechend ILL-6/2 des aktuellen Haustarifvertrags.

Frau A. ist seit dem 01.06.2019 mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden In der Kita "E.kindertagesstätte" in A-Stadt als Erzieherin beschäftigt.

Der Arbeitnehmer genügt nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung leider nicht unseren Anforderungen.

..."

Der Betriebsrat teilte dem Beklagten unter dem 30.08.2019 mit, in der Sitzung am selben Tag einstimmig zu dem Entschluss gekommen zu sein, der beabsichtigten Kündigung aus den vorgetragenen Gründen zuzustimmen.

Daraufhin kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 30.08.2019, das der Klägerin noch an diesem Tag zuging, das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 15.09.2019. Unterzeichnet ist die Kündigung vom 1. des Beklagten, Herrn J. A..

Die Klägerin ließ die Kündigung mit Anwaltsschreiben vom 17.09.2019 mangels Vorlage einer Vollmacht zurückweisen und erhob am selben Tag beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage.

Unter dem 23.09.2019 erteilte der Beklagte der Klägerin das folgende

"...

Qualifiziertes Arbeitszeugnis

Frau A., geboren am ..., war in der Zeit vom 01.06.2019 bis zum 15.09.2019 beim I. L. und L. e.V. tätig.

Das I. L. und L. e.V. ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein und Träger von Kindertagesstätten und Horten, Grundschulen mit angeschlossener schulartenunabhängiger Orientierungsstufe, Mehrgenerationenhäuser und Weiterbildungsträger.

Frau A. war in der Kindertagesstätte "E.kita" als Erzieherin tätig.

Zu den Aufgaben von Frau A. zählten u.a.:

• selbstständige Planung und Durchführung altersspezifischer pädagogischer Aktivitäten für die Gruppe und/oder gruppenübergreifend

• Mitarbeit bei der Planung und Gestaltung von Festen und sonstigen Veranstaltungen der Einrichtung

• Mitarbeit bei Angeboten und Aktivitäten der gesamten Einrichtung

• Beobachtung und Aufzeichnung ü...

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