Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung wegen Teilnahme am 80. Geburtstag des Vaters im Geltungsbereich des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern
Leitsatz (amtlich)
Familienfeiern anlässlich eines runden Geburtstages eines Elternteils (80. Geburtstag des Vaters) zählen nicht zu den "dringenden persönlichen Gründen", die nach § 40 Abs. 4 Satz 1 des Tarifvertrags für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) in der bis zum 30. September 2019 geltenden Fassung einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung begründen.
Normenkette
BGB §§ 616, 812 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 08.05.2019; Aktenzeichen 1 Ca 1348/18) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung von Aushilfskosten.
Die Klägerin ist seit dem 01. April 2002 beim beklagten Land als Musikerin im Philharmonischen Staatsorchester A-Stadt beschäftigt. Sie ist dort als Geigerin in den 1. Violinen Tutti tätig. Seit dem 01. Oktober 2002 ist sie Mitglied der Deutschen Orchestervereinigung e.V.. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung und kraft individualvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (im Folgenden: TVK) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. § 40 TVK in der bis zum 30. September 2019 geltenden Fassung enthält in § 40 u.a. folgende Regelungen:
"§ 40 Arbeitsbefreiung
(1) Als Fälle nach § 616 Bürgerliches Gesetzbuch, in denen der Musiker unter Fortzahlung der Vergütung (§ 16) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen im nachstehend genannten Ausmaß von der Arbeit freigestellt wird, gelten nur die folgenden Anlässe:
...
(4) Der Musiker hat aus dringenden persönlichen Gründen (z.B. Eheschließung und Umzug aus persönlichen Gründen, Kommunion und Konfirmation des eigenen Kindes, Todesfall eines engen Angehörigen und ähnliche persönliche Anlässe) in jeder Spielzeit Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung von einem Tag oder zwei aufeinanderfolgenden Diensten, wobei nur eine Aufführung betroffen sein darf. Die Arbeitsbefreiung wird nicht gewährt, wenn dringende oder dienstliche Gründe entgegenstehen. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber in sonstigen dringenden Fällen Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung bis zu drei Tagen gewähren. In begründeten Fällen kann bei Verzicht auf die Vergütung kurzfristige Arbeitsbefreiung gewährt werden, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es gestatten.
..."
Die wöchentliche Arbeitszeit eines Orchestermusikers wird in Diensten bemessen, die sich in Proben und Aufführungen unterteilen. Je nach Werk kann die Besetzung variieren. Insbesondere in größeren Instrumentengruppen wie den 1. Violinen kann es somit sein, dass nicht alle eingeteilt sind. Dies ermöglicht es unter den Kollegen, die Dienste zu tauschen. Die Diensteinteilung wird zumeist durch einen Diensteinteiler der jeweiligen Instrumentengruppe vorgenommen. Wenn also Orchestermusiker einen individuellen Freiwunsch haben, wird das zunächst mit dem Diensteinteiler der Gruppe besprochen und so möglichst ein Diensttausch mit den Kollegen arrangiert. In manchen Fällen kann eine Befreiung nach individuellen Wünschen auch dann erzielt werden, wenn sich zwar kein Diensttausch regeln lässt, aber der Musiker als seine Vertretung eine private Aushilfe organisiert. Dies läuft üblicherweise so ab, dass die Aushilfe über einen Pool vom Theater bestellt und sodann dem Musiker in Rechnung gestellt wird.
Im November 2017 wurde die Klägerin von ihrem Vater, geb. 00.00.1900, zur Feier seines 80. Geburtstages am 07. Januar 2018 eingeladen. Per E-Mail vom 20. November 2017 fragte die Klägerin beim Diensteinteiler der Gruppe der 1. Violinen unter Verweis auf den 80. Geburtstag ihres Vaters am 07. Januar 2018 nach, ob sie für das Neujahrskonzert an diesem Tag nicht eingeteilt werden könnte, was ihr vom Diensteinteiler zunächst auch für die Woche vom 03. bis 07. Januar 2018 bestätigt wurde. Anfang Dezember 2017 gab der Diensteinteiler der Klägerin sodann telefonisch bekannt, dass sich die Besetzung der 1. Violinen von zehn auf zwölf geändert habe, so dass eine Freistellung nur möglich sei, wenn sie eine Aushilfe für ihre Vertretung bestellen würde. Daraufhin stellte die Klägerin einen Antrag auf Arbeitsbefreiung vom 15. Dezember 2017 (Bl. 14 d. A.) für die Zeit vom 06. bis 07. Januar 2018 aufgrund des 80. Geburtstages ihres Vaters am 07. Januar 2018 und kreuzte in dem von ihr verwandten Formular sowohl "außertarifliche Arbeitsbefreiung" als auch "Arbeitsbefreiung nach § 40 TVK" an. Weiterhin kreuzte sie an, dass eine Privataushilfe gestellt werde für die nachfolgend aufgeführten fünf Proben in der Zeit vom 03. bis 06. Januar 2018 und die Vorstellung (Neujahrskonzert) a...