Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Präsidenten eines Zweckverbandes
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Präsident eines Zweckverbandes zu Letzterem in einer abhängigen Beschäftigung steht oder als Selbständiger zu betrachten ist.
3. Die dem Präsidenten eines Zweckverbandes satzungsmäßig zugewiesenen Aufgaben stellen keine dem allgemeinen Erwerbsleben zugänglichen allgemeinen Verwaltungsgeschäfte dar. Dem Präsidenten obliegt die Leitung der Verbandsorgane. Sind die laufenden Geschäfte des Verbandes ausdrücklich dessen Geschäftsführer übertragen, so fehlt es an den Merkmalen einer abhängigen Beschäftigung für die Position des Verbandspräsidenten.
4. Dies gilt insbesondere dann, wenn neben den organisatorischen Tätigkeiten repräsentative Verrichtungen den überwiegenden Inhalt der Tätigkeit des Verbandspräsidenten bilden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Januar 2014 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Bescheid vom 2. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2010 aufgehoben wird.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits auch des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge endgültig auf € 38.953,55 festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung einschließlich der Umlage nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG), im Folgenden einheitlich Gesamtsozialversicherungsbeiträge, für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2008 in Höhe von € 38.953,55. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Präsident des Klägers, der Beigeladene zu 1), beim Kläger abhängig beschäftigt ist.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein mit im streitigen Zeitraum ca. 16.500 Mitgliedern und acht sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, dessen Tätigkeitsbereich sich auf das Gebiet des “bestimmten Anbaugebietes Württemberg„ erstreckt. Die Satzung des Klägers in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung vom 25. Mai 2002 trifft unter anderem folgende Bestimmungen:
§ 3 Zweck des Verbandes
(1) Zweck des Verbandes ist:
1. Die Vertretung der berufsständischen und wirtschaftspolitischen Interessen der Weingärtner und
2. die Erhaltung und Förderung des einheimischen Weinbaus.
(2) Der Zweck des Verbandes ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet.
§ 4 Aufgaben des Verbandes
Aufgaben des Verbandes sind:
1. Wahrnehmung der Interessen des württembergischen Weinbaus in Zusammenarbeit mit allen dem Weinbau verbundenen staatlichen Stellen und sonstigen Organisationen.
2. Stellungnahme zu allen weingesetzlichen, weinwirtschaftspolitischen und die Weinwirtschaft betreffenden Fragen.
3. Untersuchung der Erzeugungsbedingungen und -methoden im Weinbau und der Kellerwirtschaft, Sicherung der Versorgung des Weinbaus mit hochwertigem Pflanzgut (Edelreiser) sowie Zusammenarbeit mit Lehre und Forschung.
4. Beobachtung der Entwicklung der Weinmarktlage und die Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse. Die Stärkung des Vertrauensverhältnisses zum württembergischen Wein, insbesondere durch die Landesprämierung für Wein und Sekt, durch die Vertiefung des Weinverständnisses und die Wahl einer württembergischen Weinkönigin.
5. Förderung der Meinungsbildung durch Unterrichtung der Weingärtner in allen wichtigen weinbaulichen, kellerwirtschaftlichen, weinrechtlichen und weinwirtschaftspolitischen Fragen.
6. Förderung der Weingärtner Jugend durch Unterstützung und Mitwirkung bei deren Aus- und Weiterbildung.
§ 5 Mitgliedschaft
(1) Als Mitglieder können dem Verband beitreten:
1. Weingärtner und Weingärtnerinnen, Weinkellereien, selbstvermarktende Weinbaubetriebe, Weingüter sowie dem Weinbau verbundene natürliche Personen.
2. Weingärtner- und Winzergenossenschaften, die im Tätigkeitsbereich des Verbandes ihren Sitz haben;
3. juristische Personen und Vereinigungen, die dem Weinbau dienen und mit ihm eng verbunden sind.
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§ 6 Rechte und Pflichten der Mitglieder
(1) Mitglieder haben das Recht:
1. Die satzungsgemäße Förderung durch den Verband in Anspruch zu nehmen und ihn um Rat anzugehen und
2. an den Versammlungen, insbesondere der Jahreshauptversammlung, teilzunehmen.
(2) Die Mitglieder haben die Pflicht, den Verband bei Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen, insbesondere:
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