Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachter Leistungen. Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. freie Beweiswürdigung. Anwendung des § 330 Abs 2 SGB 3. keine Ermessensausübung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der der Behörde obliegende Beweis für die Bekanntgabe des Verwaltungsakts kann auf Indizien gestützt und im Wege der freien Beweiswürdigung geführt werden (vgl BFH vom 14.3.1989 - VII R 75/85 = BFHE 156, 66, vom 15.9.1994 - XI R 31/94 = BFHE 175, 327 und vom 31.5.2005 - I R 103/04 = BFHE 209, 416).

2. § 330 Abs 2 SGB 3 ist dahin auszulegen, dass die Vorschrift auch die Erstattung von ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachten Leistungen erfasst, wenn für diese Erstattung der entsprechend anzuwendende § 45 Abs 2 S 3 SGB 10 erfüllt ist. Deshalb ist Ermessen nicht auszuüben und für die Berücksichtigung eines Verschuldens der Behörde an der Überzahlung kein Raum.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Erstattung überzahlter Fahrkosten in Höhe von 3323,50 €.

Der 1969 geborene und in Ulm wohnhafte Kläger war von Januar 1990 bis Ende Dezember 1993 Soldat auf Zeit. Von September 1994 bis Ende August 1998 stand er in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis als kaufmännischer Angestellter und von September 1998 bis Anfang Februar 1999 in einem solchen als Niederlassungsleiter; von Februar 2000 bis Ende September 2001 war er als Personalsachbearbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. In den Zeiten ohne Beschäftigung bezog er Übergangsgebührnisse, Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld wegen Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung.

Nachdem er vom 19. April 1999 bis 31. Januar 2000 an einer Weiterbildung zur IHK-Fachkraft Rechnungswesen und Personalabrechnung teilgenommen hatte, wofür vom Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) Ulm Unterhaltsgeld und Fahrkosten bewilligt worden waren, beantragte er am 17. Januar 2002 die Förderung der Teilnahme an der in Vollzeitunterricht in Stuttgart durchgeführten beruflichen Weiterbildung zum Organisationsberater mit SAP. Maßnahmeträger war die WBS Training AG. Die Maßnahme begann am 11. März 2002 und endete am 6. Dezember 2002. Im Förderantrag erklärte der Kläger unterschriftlich, das Merkblatt “Förderung der beruflichen Weiterbildung„ erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. In der Erklärung über Fahrkosten, ebenfalls vom 17. Januar 2002, gab er an, im entstünden durch Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel von U. nach S. und zurück Fahrkosten in Höhe von 302,50 € monatlich. Mit bindend gewordenen Bescheid vom 19. März 2002 bewilligte das Arbeitsamt dem Kläger für die Zeit vom 11. März bis 6. Dezember 2002 Lehrgangskosten in Höhe von 8682,80 € sowie Fahrkosten in Höhe von 2823,33 €; die im Überweisungsträger mit der Kennziffer 6502 versehenen Fahrkosten würden ab März 2002 in neun im voraus gezahlten Raten von 302,50 € monatlich sowie ab Dezember in einer ebenfalls im voraus erbrachten Rate von 100,83 € monatlich geleistet. Anschließend bewilligte das Arbeitsamt Unterhaltsgeld. In seiner am 19. April 2002 abgegebenen Erklärung zu den Fahrkosten teilte der Kläger mit, er werde vom 1. Mai bis 6. Dezember 2002 mit seinem PKW von U. nach S. und zurück fahren; die einfache Fahrstrecke betrage 100 km. In den Verwaltungsakten befindet sich ein mit dem Datum 2. Mai 2002 versehener abgezeichneter Bescheidentwurf, demzufolge dem Kläger vom 1. Mai bis 6. Dezember 2002 Fahrkosten in Höhe von 3626 € bewilligt werden; von diesen würden im Mai 2002 eine voraus geleistete Rate in Höhe von 173,50 €, ab Juni sechs Raten im voraus zu 476 € monatlich und ab Dezember 2002 eine Rate im voraus in Höhe von 294 € monatlich gezahlt; es folgt derselbe Verschlüsselungshinweis. Unter der Kennziffer für Fahrkosten wurden an den Kläger Leistungen wie folgt überwiesen: Am 5. April 2002 605 €, am 30. April 302,50 €, am 15. Mai 2002 649,50 €, am 31. Mai und in den folgenden fünf Monaten jeweils 952 € und am 28. November 2002 588 €.

Im November 2002 bemerkte das AA, dass dem Kläger die die Zeit ab 1. Mai betreffenden Fahrkosten doppelt überwiesen worden waren. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2002 hörte es den Kläger dazu an, dass er vom 1. Mai bis 6. Dezember 2002 Fahrkosten in Höhe von 3323,50 € zu Unrecht bezogen habe, was er schon aufgrund der Bewilligung vom 2. Mai 2002 ohne weiteres habe erkennen können. In seiner Rückäußerung vom 23. Dezember 2002 behauptete der Kläger, keinen Bescheid vom 2. Mai 2002 erhalten zu haben; da ihm auch nicht bekannt sei, wie das Arbeitsamt die Fahrkosten errechne, habe er nicht nachvollziehen können, ob das überwiesene Fahrgeld korrekt gewesen sei. Mit Bescheid vom 21. Januar 2003 teilte das Arbeitsamt dem Kläger mit, er habe seit 1. Mai 2002 Fahrkosten in Höhe von 6949,50 € erhalten, obwohl ihm mit Bescheid vom 2. Mai 2002 Fahrkosten lediglich in H...

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