Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Ausschluss der Familienversicherung. selbstständige Erwerbstätigkeit. Hauptberuflichkeit. Maßgeblichkeit des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit auch dann, wenn keine oder nur geringe Einkünfte daraus erzielt werden
Leitsatz (amtlich)
Für die Frage der Hauptberuflichkeit im Rahmen von § 10 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V ist nicht allein die wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeit von Bedeutung, sondern vor allem ihr zeitlicher Umfang maßgeblich. Dies gilt selbst dann, wenn zwar eine hauptberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, aus dieser jedoch zeitweise gar keine oder nur geringe Einkünfte erzielt werden.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin in der Zeit vom 11. Juni 2014 bis 15. Dezember 2016 familienversichert war.
Die 1966 in der Türkei geborene Klägerin war vom 1. März 2005 bis 31. Mai 2014 über ihren bei der Beklagten versicherten Ehemann, den Beigeladenen, familienversichert. Seit dem 16. Dezember 2016 ist sie erneut über ihn familienversichert.
In der Zeit von April bis 31. August 2014 betrieb die Klägerin in Vollzeit einen Schuh- und Schlüsseldienst in C (Gewerbeabmeldung vom 28. August 2014; Bl. 15 der Verwaltungsakte ≪VA≫). Bereits zum 1. Juni 2014 (Beginn der Tätigkeit) meldete die Klägerin beim Gewerbeamt der Stadt S den Betrieb eines Friseursalons (namens „C“) in der Mstraße in S an und gab hierbei an, es handle sich um eine Neugründung und die Tätigkeit werde nicht im Nebenerwerb betrieben. Die Handwerkskammer S habe am 24. September 2014 eine entsprechende Handwerkskarte (Friseur) ausgestellt (Gewerbeanmeldung vom 24. September 2014, Bl. 1 VA). Zum 15. Dezember 2016 meldete sie das Gewerbe wieder ab und gab hierbei an, dass die aufgegebene Tätigkeit nicht im Nebenerwerb betrieben worden sei (Gewerbeabmeldung vom 15. Dezember 2016; Bl. 53 VA).
Bereits am 19. Mai 2014 hatte die Klägerin der Beklagten telefonisch den Beginn einer selbstständigen Tätigkeit ab dem 10. April 2014 angezeigt. Im Hinblick auf eine deswegen erforderliche freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung wurde der Klägerin ein entsprechender Antrag übersandt, wobei sich die Klägerin in der Folgezeit persönlich erst wieder am 2. Juni 2014 bei der Beklagten meldete. Hierbei wurde ein Antrag zur freiwilligen Weiterversicherung ausgefüllt und der Klägerin zur Besprechung mit ihrem Steuerberater mitgegeben (vgl. Aktenvermerke der Beklagten, Bl. 43 der Senatsakte).
Am 23. April 2015 legte die Klägerin der Beklagten die Gewerbeanmeldung vom 24. September 2014 (Friseursalon) vor, woraufhin sie von der Beklagten aufgefordert wurde, weitere Unterlagen vorzulegen, um die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung durchzuführen. Darüber hinaus forderte sie den Beigeladenen mehrfach auf, den „Familienfragebogen“ auszufüllen und zu übersenden. Nachdem der Beigeladene nicht geantwortet hatte, stellte die Beklagte diesem gegenüber mit Bescheid vom 3. Februar 2016 die Beendigung der Familienversicherung der Klägerin und der Kinder B und B1 zum 31. Oktober 2015 fest. Sollte kein anderweitiger Krankenversicherungsschutz bestehen, sei man gezwungen, eine freiwillige Versicherung durchzuführen. Daraufhin legte der Beigeladene den Fragebogen zur Überprüfung der Familienversicherung vom 20. Februar 2016 vor, wonach die Klägerin vom „10.04. bis 31.08 und 01.6. bis 31.12.“ selbstständig tätig gewesen sei und hierbei einen Verlust von 20.000 € erzielt habe. Am 1. April 2016 legte die Klägerin eine Erklärung zur selbstständigen Tätigkeit vor, wonach sie das Unternehmen C demnächst abmelde, da sich dieses wegen Verluste nicht mehr lohne. Sie beschäftige derzeit zwei Arbeitnehmer, davon einen geringfügig. Ihre selbstständige Tätigkeit umfasse in der Woche ca. 40 Stunden. Die Frage, ob die selbstständige Tätigkeit den Mittelpunkt ihrer Erwerbstätigkeit darstelle, verneinte sie und gab an, folgende andere Tätigkeit auszuüben: „Mithilfe im Betrieb meines Ehemannes“. Mit den Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit bestreite sie nicht ihren Unterhalt. Sie habe weitere Einnahmen aus der Mithilfe im Betrieb ihres Ehemannes. Die Arbeitszeit in ihrer Beschäftigung umfasse durchschnittlich zwölf Wochenstunden.
Mit Bescheid vom 3. Mai 2016 teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, dass die Familienversicherung der Klägerin am 31. Mai 2014 ende. Bei hauptberuflicher Selbstständigkeit sei es notwendig, eine eigene Kranken- und Pflegeversicherung abzuschließen. Dieser Bescheid ersetze den Bescheid vom 3. Februar 2016.
Mit weiterem Bescheid vom 3. Mai 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihre kostenfreie Familienversicherung aufgrund ihrer hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit am 31. Mai 2014 ende und es deshalb notwendig sei, mitzuteilen, ob sie ab dem 1. Juni 2014 anderweitig Kra...