Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. medizinische Voraussetzung. Erkrankung der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze. Quasi-Berufskrankheit. haftungsausfüllende Kausalität. Übergangsleistung. konkrete individuelle Gefahr. Masseurin
Orientierungssatz
1. Zur Nichtanerkennung von Verschleißerscheinungen an beiden Handgelenken, den Daumengrund- und -sattelgelenken einer Masseurin als Folgen einer Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 2101 bzw als Anerkennung einer Quasi-Berufskrankheit gem § 9 Abs 2 SGB 7.
2. § 3 BKV verlangt das Vorliegen einer konkreten individuellen Gefahr für den Versicherten. Die aufgrund einer gefährdenden Tätigkeit generell vorhandene Möglichkeit der Erkrankung ist deshalb noch keine Gefahr im Sinne der Vorschrift, sonst hätte entgegen der Regelungsabsicht des Gesetzgebers jeder, der eine gefährdende Tätigkeit wegen dieser generellen Gefahr aufgibt, einen Anspruch auf Gewährung einer Übergangsleistung (vgl BSG vom 20.2.2001 - B 2 U 10/00 R = SozR 3-5670 § 3 Nr 5).
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung von Verletztenrente wegen Verschleißerscheinungen an beiden Handgelenken, den Daumengrund- und -sattelgelenken als Folgen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ((BKV) vom 31.10.1997, BGBl. I S. 23, 26 ff., zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV-ÄndV) vom 05.09.2002, BGBl. I S. 3541) oder als Entschädigung wie eine BK sowie von Übergangsleistungen.
Die Klägerin durchlief ab Oktober 1969 eine Ausbildung zur Krankengymnastin und medizinischen Masseurin. Von Februar 1973 bis November 1991 verrichtete sie die Tätigkeit einer selbständigen Masseurin. Sie führte nach Ihren Angaben zeitweilig bis zu 40 Massagen am Tage durch. Als besondere Massagetechnik wandte sie Akupressur an. Am 04.06.1992 zeigte Dr. M./N. den Verdacht einer BK der Klägerin an. Es liege ein Überlastungsschaden des Bandapparates der Finger, insbesondere der Daumengrundgelenke aufgrund der Berufstätigkeit als Masseurin vor. Der orthopädische Gutachter Prof. Dr. B./. (Gutachten vom 06.04.1993) gelangte zu der Beurteilung, die konstitutionelle Hyperlaxizität des Bandapparates habe zu einem Überlastungsschaden geführt. Eine berufliche begründete Erkrankung liege nicht vor. Der staatliche Gewerbearzt meinte, die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 2101 seien nicht erfüllt (Schreiben vom 30.07.1993). Die Beklagte lehnte es ab, Leitungen wegen einer BK Nr. 2101 zu gewähren (Bescheid vom 04.11.1993). Im Widerspruchsverfahren stellte Dr. S./K. aus handchirurgischer Sicht (Stellungnahme vom 28.09.1994) fest, die vermehrte Instabilität mit vermehrter ulnarer Aufklappbarkeit an den Daumengrundgelenken sei medizinisch nicht einer Erkrankung von Sehnenscheidengewebe, Sehnenscheiden, Sehnen- oder Muskelansätzen gleichzusetzen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 15.11.1994). Auf die Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf (S 6 U 248/94) erachtete der chirurgische Sachverständige Dr. S./D. (Gutachten vom 13.02.1996) die vorwiegend im Bereich der Daumengrundgelenke bestehenden Veränderungen als anlagebedingte Störungen. Eine berufliche Überlastung hätte sich nicht nur an den Daumengrundgelenken, sondern auch im Verlauf der Daumenbeugesehnen und Daumenstrecksehnen geäußert. Daran fehle es. Im Falle der Fortsetzung der bisherigen beruflichen Tätigkeit bestehe keine Gefahr für das Auftreten einer BK Nr. 2101. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich (15.05.1997). Demgemäß untersuchte die Beklagte, ob die Entzündung des Sehnengleitgewebes im Bereich des Grundgelenkes des rechten Daumens wie eine Berufskrankheit zu entschädigen sei. Der Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) berichtete, es sei keine Anerkennung von direkt vergleichbaren oder ähnlich gelagerten Fällen gemeldet. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung/Sektion Berufskrankheiten" beabsichtige nicht die Frage zu prüfen, ob bestimmte Personengruppen bei dieser beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung der Gefahr ausgesetzt seien, an Bandschwäche im Bereich der Daumengrundgelenke zu erkranken. Informationen über neue gesicherte medizinisch wissenschaftliche Erkenntnisse zu dieser Thematik lägen nicht vor. Dr. S. meinte, ihm seien aus eigener handchirurgischer Erfahrung ähnlich gelagerte Fälle auch nach langer gutachterlicher Tätigkeit nicht bekannt geworden (Stellungnahme vom 05.12.1997). Im handchirurgischen Gutachten vom 13.02.1998 führte Dr. W. aus, die Beweglichkeit im Daumensattelgelenk sei nicht auffällig behindert. Die Gelenke seien ohne Schnappphänomen erheblich überstreckbar. In den Endgelenken sei die Bandführung unauffällig und die Beweglichkeit frei. Es seien eine Verdickung und erhebliche Bandschwäche mit Überstreckbarkeit der Daumengrundgelenke beidseits sowie röntgenologisch leichte Verschleißerscheinungen a...