Katharina Haslach, Birgit Zimmermann
Rz. 54
Nachdem während der Corona-Pandemie gute Erfahrungen mit der telefonischen Krankschreibung gemacht wurden, ist diese Möglichkeit seit dem 7.12.2023 dauerhaft in die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie mit aufgenommen worden. § 4 Abs. 5a der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie bestimmt, dass der Arzt Versicherte, die dem Arzt und der Praxis persönlich bekannt sind und die keine schwere Symptomatik vorweisen, dann nach telefonischer Anamnese arbeitsunfähig krankschreiben darf, wenn eine Videosprechstunde, z. B. aus technischen oder persönlichen Gründen nicht möglich ist.
Die auf diese Weise festgestellte Arbeitsunfähigkeit soll maximal für 5 Kalendertage bescheinigt werden. Für eine Folgebescheinigung ist wiederum eine ärztliche Untersuchung erforderlich; eine telefonische Krankschreibung scheidet insoweit nach dem Gesetzestext aus.
Vorrangig vor der telefonischen Anamnese mit entsprechender Krankschreibung ist also die Videosprechstunde. Diese ist bereits seit 2020 etabliert und keine Sonderregelung der Corona-Pandemie. Die Voraussetzungen für die Videoanamnese bestimmt § 4 Abs. 5 Satz 2 bis 10 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie. Danach sind Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen infolge einer Anamnese im Rahmen der Videosprechstunde für bis zu 7 Kalendertage zulässig, wenn der Patient dem Arzt bereits aus einer früheren Behandlung persönlich bekannt ist. Hintergrund dieser Regelung ist, die der Fernkommunikation geschuldete Limitation bei der Wahrnehmung des Gesundheitszustands so weit wie möglich zu kompensieren.
Kennt der Arzt den versicherten Arbeitnehmer noch nicht, ist eine Krankschreibung nach Videoanamnese zumindest bis zu 3 Kalendertagen möglich, § 4 Abs. 5 Satz 4 Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie. Folgebescheinigungen sollen wiederum nur für der Praxis und dem Arzt bekannte Patienten nach Videoanamnese ausgestellt werden, § 4 Abs. 5 Satz 6 Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie.
Ferner ist nach der Richtlinie für die Videoanamnese Voraussetzung, dass "die Erkrankung" eine Videosprechstunde nicht ausschließt; es muss sich also um eine Erkrankung handeln, die mittels Ferndiagnose feststellbar ist. Dies ist vor allem bei Erkrankungen der Fall, bei denen Untersuchungen wie Abtasten oder Abhören nicht zwingend erforderlich sind.
In der Praxis wird die Videosprechstunde insbesondere angeboten bei Erkältungen, Magen-Darm-Infekten oder Migräne. Ob an den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die infolge Video- oder telefonischer Anamnese erstellt wurde, niedrigere Anforderungen gestellt werden, wird in der Praxis diskutiert.
Dagegen spricht – wie Mickeleit/Brunk zutreffend ausführen – dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Telefon und Videosprechstunde gesetzlich legitimiert ist. Es ist "nicht überzeugend (...), Beschäftigten einerseits die Möglichkeit der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit per Videosprechstunde gesetzlich zuzusprechen und ihnen dann anderseits, die Inanspruchnahme dieser Methode vorzuwerfen". Zudem darf man nicht außer Acht lassen, dass auch eine physische Untersuchung in der Praxis bei manchen Krankheitsbildern keinen Mehrwert bringt; schließlich muss sich der Arzt beispielsweise bei der Schwere der Kopfschmerzen auf die Aussage des Patienten verlassen. Schließlich dürfe – so Mickeleit/ Brunk – auch "nicht vergessen werden, dass auch Ärzte berufsrechtlich dazu verpflichtet sind, bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse, wozu auch die AU-Bescheinigung zählt, mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen (vgl. § 25 MBO-Ä)."
Mit der Möglichkeit der Video- und Telefonanamnese beim Hausarzt, dürfte möglicherweise das Bedürfnis der Arbeitnehmer entfallen, im Internet, gegen Zahlung zwischen 19,00 EUR und 29,00 EUR, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Zwischenzeitlich wird – entsprechend der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie – der Videochat zur Arbeitsunfähigkeitsdiagnose angeboten. Bezüglich des Beweiswertes einer nach Videoanamnese ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Weitere Möglichkeit soll sein, lediglich durch Ausfüllen eines Fragebogens eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten, sog. "5 Min.-AU".
Hintergrund des Dienstes ist eine Lockerung des Fernbehandlungsverbots im Jahr 2018. Seither regelt § 7 Abs. 4 MBO-Ä Folgendes:
"Ärztinnen und Ärzte beraten und behandeln Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird."
Jedenfalls die Mehr...