Katharina Haslach, Birgit Zimmermann
Rz. 11
Bei Sondervergütungen ist immer darauf zu achten, welchen Charakter sie haben, also, ob es sich um die Belohnung von Betriebstreue, Entgelt oder eine Mischform handelt. Zahlungen mit Entgeltcharakter sind dadurch gekennzeichnet, dass sie im originären Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung stehen, also unmittelbar die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit vergüten wollen. Sie stellen das laufende Arbeitsentgelt dar und keine darüber hinausgehende Leistung des Arbeitgebers. Bei diesen Zahlungen mit Entgeltcharakter ist zu unterscheiden: Soweit sie für Zeiträume zu zahlen sind, in denen der Arbeitgeber aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zur Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EZFG verpflichtet ist, kann auch § 4a EFZG nicht zu einer Kürzungsmöglichkeit führen. Ansonsten läge ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 EFZG vor, der jedoch gem. § 12 EFZG zuungunsten des Arbeitnehmers unabdingbar ist. Für Zeiten, in denen dem Arbeitnehmer auch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber zusteht, entsteht dagegen ohnehin –auch ohne ausdrückliche Kürzungsregelung– kein Anspruch auf die ungekürzte Sonderzahlung.
Der Arbeitnehmer vereinbarte mit seinem Arbeitgeber ein Gehalt von 65.000 EUR, das in 13 gleichen Teilen ausgezahlt werden sollte. Der Arbeitnehmer erkrankte im Jahr 2015 in der Zeit vom 1.2.2015 bis 10.8.2015. Die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers endete am 10.3.2015. Der Arbeitgeber zahlte das 13. Gehalt, das üblicherweise im Dezember zur Auszahlung gelangte, nur in Höhe von 7/12 aus, weil er die Zahlung um die krankheitsbedingte Abwesenheit des Arbeitnehmers, in der er nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet war, und somit um 5 Monate (vom 11.3. bis 10.8.2015) kürzte. Der Arbeitnehmer meint, dass ohne ausdrückliche Vereinbarung eine solche Kürzung gegen § 4a EFZG verstieße.
Da es sich bei dem 13. Monatsgehalt um eine rein arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung handelt, die Teil der Gegenleistung des Arbeitgebers für die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist und somit in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung nach § 611 BGB eingestellt ist, entsteht von vornherein kein Anspruch auf das 13. Monatsgehalt für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, in denen kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG besteht. Diese Rechtsfolge entsteht kraft Gesetzes, ohne dass es hierfür einer gesonderten Kürzungsvereinbarung bedarf.
Andererseits können die Vertragsparteien nicht wirksam vereinbaren, dass das 13. Monatsgehalt auch für Zeiten, in denen der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist –hier also für den Zeitraum vom 1.2. bis 10.3.2015–, entsprechend der Regelung des § 4a EFZG gekürzt wird. Bei dem hier vereinbarten 13. Monatsgehalt handelt es sich um laufendes Entgelt, sodass ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung bereits aus § 3 Abs. 1 EFZG besteht und eine Minderung oder ein Wegfall der Leistung aufgrund der Krankheit nicht infrage kommt. Der Umstand, dass der Fälligkeitstermin des 13. Monatsgehalts "hinausgeschoben" ist, ändert nichts daran, dass es eine Zahlung für in der Vergangenheit erbrachte Arbeitsleistung ist und deshalb zum laufenden Entgelt zählt.
Rz. 12
Der Kürzung nach § 4a EFZG unterliegen demnach nur Sonderzahlungen, die neben der Vergütung oder ausschließlich einen weiteren Zweck verfolgen (z. B. Betriebstreue), und somit jedenfalls einen Mischcharakter aufweisen. Deshalb erlaubt § 4a EFZG auch nicht den Abschluss einer Kürzungsvereinbarung hinsichtlich einer Vergütung, die auf einer Zielvereinbarung beruht. Das gilt jedenfalls insoweit, als die Zielvereinbarungsvergütung an die Leistung des Arbeitnehmers anknüpft. Inwieweit die wegen der krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht oder nicht vollständig erreichten Ziele zu einer Kürzung der Zielvereinbarungsvergütung führen, hängt dagegen von der Art der vereinbarten Ziele ab und ist keine Frage der Kürzungsmöglichkeit nach § 4a EFZG. Knüpft der Bonus dagegen (zusätzlich oder ausschließlich) an den Unternehmenserfolg an, kann eine Kürzung nach § 4a EFZG vereinbart werden.
Will der Arbeitgeber die Möglichkeit des § 4a EFZG nutzen, muss er bei der Vertragsgestaltung darauf achten, dass ausreichend klar zum Ausdruck kommt, dass mit der Sondervergütung nicht nur die Arbeitsleistung vergütet werden soll. Ansonsten greift die Kürzungsvereinbarung nicht.