rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigen von Verpflegungsmehraufwendungen eines Hafenarbeiters hinsichtlich Zuordnung einer ersten Tätigkeitsstätte zum Hafengebiet (hier: Bremerhaven)

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Gebiet des Hafens von Bremerhaven stellt keine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte eines Steuerpflichtigen dar, dessen Arbeitgeber es zwar in Teilen nutzt, das Hafengebiet aber nicht in seiner Gesamtheit der Tätigkeit des Arbeitgebers dient.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 4a Sätze 2, 3 Nr. 3

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen darüber, ob der Kläger einer ersten Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugeordnet ist.

Der Kläger erzielt als Hafenarbeiter des Logistikunternehmens Y. KG in Bremerhaven Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Nach seinem Arbeitsvertrag vom xx.xx.xxxx wird er als „Fahrer im Autoumschlag des Autoterminals” eingesetzt. Zwischenzeitlich wurde er in dieser Funktion zum Vorarbeiter im Bereich „High & Heavy” befördert. Zu seinen Aufgaben gehört es, u.a. die Transportbewegungen von schwerem Gerät (z.B. Lkw, Baumaschinen, Landmaschinen, Militärfahrzeuge, Bergbaufahrzeuge, Stückgutverladungen, Projektladungen) innerhalb des Hafengebiets von Bremerhaven zu verbringen oder die Verbringung als Vorarbeiter zu koordinieren und zu begleiten. Neben Be- und Entladungen fanden auch Krankarbeiten auf Binnenschiffen, Pack-, Lasch- und Montagearbeiten sowie Umfuhren statt. Der Einsatz erfolgt „grundsätzlich in der Gesellschaft Y. KG in Bremerhaven” (Tz. 1 des Arbeitsvertrages). Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt im Durchschnitt 40 Stunden. Die tägliche Arbeitszeit und „die durchzuführende Tätigkeit ergeben sich aus jeweils bestehenden Festlegungen (z.B. Schichtpläne, tägliche Dispositionen, Anweisungen)” (Tz. 6).

Das Betriebsgelände der Y. KG besteht aus mehreren, sich in räumlicher Nähe zueinander befindlichen Flächen im Bereich des Hafens von Bremerhaven. Diese werden durch öffentliche Straßen und Eisenbahnschienentrassen voneinander getrennt, sind aber durch mehrere Brücken miteinander verbunden.

Der Kläger befährt dieses Betriebsgelände seines Arbeitgebers arbeitstäglich über das „Gate” in der R.-Straße und sucht sodann seinen Spind auf. Anschließend erhält er von dem Disponenten bei Einsatz auf der Landseite bzw. von dem Supervisor bei Einsatz auf der Seeseite die Instruktionen für die aktuelle Schicht. Seine Tätigkeit beschränkt sich dabei nicht auf die Flächen der Y. KG, sondern findet regelmäßig im Bereich des gesamten Hafengebietes, teilweise auch außerhalb des Hafengebietes statt.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger die Entfernungspauschale für die Fahrten zwischen seiner Wohnung und der Hafeneinfahrt (R.-Straße 1, Bremerhaven) für 187 Tage geltend und begehrte den Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen für Auswärtstätigkeiten im Umfang von mehr als 8 Stunden an jedem seiner 187 geleisteten Arbeitstage.

Im Bescheid vom 15. Juli 2020 berücksichtigte das beklagte Finanzamt die Verpflegungsmehraufwendungen nicht, weil das Hafengebiet Bremerhaven eine großräumige erste Tätigkeitsstätte darstelle.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Er werde als Hafenarbeiter nicht auf den verschiedenen, räumlich getrennten Geländen seines Arbeitgebers tätig, sondern auch im übrigen Bereich des Hafens, der keinem einzelnen Unternehmen zuzuordnen sei. In seinem Arbeitsbereich bestehe außerdem die Besonderheit, dass er schwere und große Maschinen über öffentliche Straße zwischen den jeweiligen Hafenbereichen transportierten müsse. Das Hafengebiet stelle in seinem Fall daher keine weiträumige erste Tätigkeitsstätte, sondern ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet dar. Der für die Gewährung der Verpflegungsmehraufwendungen erforderliche Zeitraum von 8 Stunden beginne daher mit dem Verlassen seiner Wohnung.

Am 15. Januar 2021 änderte das beklagte Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2019 aus nicht im Streit stehenden Gründen.

Durch Einspruchsentscheidung vom 3. September 2021 wies das beklagte Finanzamt den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Bei dem Betriebsgelände der Y. KG handele es sich um eine großräumige erste Tätigkeitsstätte. Dieser sei der Kläger auch zugeordnet, da er nach § 1 seines Arbeitsvertrages „in der Gesellschaft Y. KG in Bremerhaven” eingesetzt sei. Daraus sei in einer ex ante-Betrachtung zu schließen, dass die beruflichen Tätigkeiten des Klägers dem Grunde nach auch auf dem Betriebsgelände der Y. KG erfolgen würden. Diese dauerhafte Zuordnung des Klägers sei auch eindeutig, sodass es nicht darauf ankomme, ob er an einer bestimmten betrieblichen Einrichtung typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche einen vollen Arbeitstag oder mindestens 20 Prozent seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden solle. Letzteres sei auch in tatsächlicher Hinsicht mangels Vorlage entsprechender Unterlagen durch den Kläger nicht n...

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