Rz. 35
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 fordert für das Qualifizierungsgeld einen strukturwandelbedingten Qualifizierungsbedarf bei mindestens 20 % der Arbeitnehmer im vom Tarifvertrag bzw. der Betriebsvereinbarung erfassten Betrieb, ohne dessen geringfügig Beschäftigte, Praktikanten und zu ihrer Berufsausbildung beschäftigte Personen. Entscheidend ist der Bedarf bei 20 % dieses Personenkreises; diese Größe muss nicht identisch mit der Anzahl der Antragstellungen auf Qualifizierungsgeld sein. Neben der Formulierung in dieser Voraussetzung wird auch schon im Einleitungssatz des Abs. 1 betont, dass das Qualifizierungsgeld nur Arbeitnehmern zustehen kann. Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass es sich bei der Förderung mit Qualifizierungsgeld um eine Leistung der Arbeitsförderung handelt, die im Grundsatz versicherten Personen, eben arbeitslosenversicherten Arbeitnehmern, vorbehalten ist. Dabei kommt es auf die Arbeitnehmereigenschaft in der aktuellen Beschäftigung im Betrieb an, für die ein strukturwandelbedingter Qualifizierungsbedarf festgestellt werden soll. Dem nicht abhängig beschäftigten Personenkreis kann der Arbeitgeber zwar eine berufliche Weiterbildung finanzieren, dessen weiterbildungsbedingter Arbeitsausfall wird jedoch in Bezug auf das dann fehlende Arbeitsentgelt nicht teilweise kompensiert.
Rz. 36
Strukturwandelbedingte Qualifizierungsbedarfe im Betrieb müssen bestehen. Es genügt also nicht, dass diese drohen oder absehbar sind, sondern sie müssen aktuell festgestellt werden (können). Strukturwandelbedingte Qualifizierungsbedarfe sind nicht solche erforderlichen Anpassungsfortbildungen, die arbeitsplatzbezogen oder betriebsbezogen stattfinden, wie das etwa z. B. bei Schulungen zu Updates eingesetzter Software der Fall ist. Daraus leitet sich auch ab, dass sich der Qualifizierungsbedarf nicht auf kurzfristig zu erledigende Anpassungsqualifizierungen beziehen darf, sondern über betriebsspezifische Schulungsmaßnahmen hinaus Anpassungsprozesse erforderlich sind, die einen größeren Umfang an Weiterbildung erfordern (vgl. Abs. 1 Nr. 5). Damit kann die Qualifikation der Arbeitnehmer für zukünftige Herausforderungen substanziell erhöht werden.
Rz. 37
Die Bundesagentur für Arbeit beschreibt in ihren Fachlichen Weisungen zum Qualifizierungsgeld für die Agenturen für Arbeit Digitalisierung und Dekarbonisierung als zentrale Treiber des beschleunigten sektoralen, qualifikatorischen und regionalen Strukturwandels, der demnach mit erheblichen Veränderungen für die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und die Qualifizierung der Beschäftigten einhergeht. Da strukturwandelbedingte Qualifizierungsbedarfe jedoch neben der ökologischen und digitalen Transformation auch auf anderweitige Anpassungen, z. B. als Reaktion auf technologische Entwicklungen, zurückzuführen sein können, ist im Gesetz keine Beschränkung auf ein (bestimmtes) Anwendungsfeld vorgesehen. Branchen und Betriebe sind in den Auswirkungen sehr heterogen betroffen. Daher sollen die damit verbundenen Qualifizierungsbedarfe von den Betriebsparteien dargelegt werden. Im Rahmen der geforderten Substituierbarkeit oder Betroffenheit vom Strukturwandel in sonstiger Weise stellen die Betriebsparteien dar, wie die konkrete Qualifizierung den Verbleib des Beschäftigten im Betrieb sichern kann (vgl. auch Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 320 Abs. 1a, § 323 Abs. 3). Strukturwandel und Qualifizierungsbedarf sowie die aus der Weiterbildung resultierende längerfristige Beschäftigungsperspektive werden dazu in den Antragsunterlagen dargelegt.
Rz. 38
Zu den betrieblichen Voraussetzungen gehört die Finanzierung der Weiterbildungsmaßnahme durch den Arbeitgeber (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2). Sie kann auch von Dritten übernommen werden. Entscheidend ist, dass der zu fördernde Arbeitnehmer nicht daran beteiligt wird, weder direkt noch indirekt (Abs. 2 Satz 5). Für den Arbeitnehmer ist die berufliche Weiterbildung also im Grundsatz kostenfrei. Er erleidet durch den dadurch verursachten Arbeitsausfall aber Einkommenseinbußen (mit den damit einhergehenden sozialversicherungsrechtlichen Nachteilen), die mit dem Qualifizierungsgeld gerade teilweise ausgeglichen werden sollen. Es steht dem Arbeitgeber frei, außerhalb seiner Entlohnungspflichten (finanzielle) Leistungen, etwa Zuschüsse für die Zeit der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme, an den Arbeitnehmer zu erbringen (vgl. § 82c Abs. 2 Nr. 1). Im Übrigen können sich solche Zahlungen auch aus der betriebsbezogenen tarifvertraglichen Regelung oder der Betriebsvereinbarung ergeben. Auf die Benennung der Zahlung oder eine Bezugnahme auf einen Vergütungsbestandteil kommt es dabei nicht an.
Rz. 39
Zu den vom Arbeitgeber vollständig zu übernehmenden Kosten gehören insbesondere die Weiterbildungskosten nach § 83, also Lehrgangskosten, ggf. einschließlich der Eignungsfeststellung, Fahrkosten, ggf. Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung sowie unter Umständen die Kosten für die Betreuung von Kindern. Zu prüfen ist stets, welche Kosten tatsächlich weiterbildu...