Rz. 10
Die Schließungsverfügung oder die Genehmigung der Selbstauflösung als Verwaltungsakt der Aufsichtsbehörde ist wegen ihrer Beendigungswirkung auch für die bei der BKK bestehenden Mitgliedschaften (in § 190 und §§ 173 ff. nicht geregelt) und wegen der Wirkung für sonstige Dritte wohl als Allgemeinverfügung anzusehen (§ 31 Satz 2 SGB X). Das ließe an sich eine öffentliche Bekanntmachung unmittelbar durch die Aufsichtsbehörde zu, weil eine Bekanntgabe an von der Auflösung oder Schließung betroffene Beteiligte wegen der Vielzahl der möglichen Beteiligten untunlich ist (§ 37 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Abs. 2 Satz 1 erfordert dagegen erst die öffentliche Bekanntmachung der Auflösung oder Schließung durch den Vorstand, also erst nach Zugang der Schließungsverfügung oder der Selbstauflösungsgenehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Art und Weise der öffentlichen Bekanntmachung ist nicht geregelt oder vorgeschrieben. Zumindest hat die Bekanntmachung aber so stattzufinden, wie dies die Satzung regelt (§ 194 Abs. 1 Nr. 11). Da aber durch die öffentliche Bekanntmachung erreicht werden soll, dass sich mögliche Gläubiger alsbald melden, erscheint eine darüber hinausgehende Bekanntmachung (z. B. im Bundesanzeiger) geboten.
Rz. 11
Eine möglichst weitreichende öffentliche Bekanntmachung ist dann geboten, wenn in der Bekanntmachung für unbekannte Gläubiger darauf hingewiesen wird, dass die Erfüllung der Ansprüche verweigert werden wird, wenn diese nicht innerhalb von 6 Monaten angemeldet sind (Abs. 2 Satz 2). Dieses Leistungsverweigerungsrecht gegenüber unbekannten Gläubigern bei Versäumung der Anmeldungsfrist dient der Beschleunigung des Abwicklungsverfahrens. Dies gilt jedoch nicht, wenn erst im Abwicklungsverhältnis die Forderung des Dritten vertraglich oder öffentlich-rechtlich begründet wurde.
Rz. 12
Für bekannte Gläubiger der BKK ist die öffentliche Bekanntmachung mit der Aufforderung zur Anmeldung der Forderungen nicht ausreichend. Hier hat eine gesonderte individuelle Aufforderung, zu Beweiszwecken nach Möglichkeit schriftlich oder elektronisch, zu erfolgen. Nur bei einer solchen Aufforderung und der Versäumung der Frist, die dann anhand der individuellen Aufforderung zu berechnen ist, kann die Erfüllung verweigert werden. Als bekannte Gläubiger kommen nur solche in Betracht, die vor der Schließung der BKK ihre Ansprüche geltend gemacht hatten. Im Falle einer Insolvenzanfechtung und dem daraus entstehenden Rückzahlungsanspruch gehört der (als solcher bekannte) Beitragsschuldner nur dann zu den bekannten Gläubigern, wenn die Insolvenzanfechtung noch vor der Schließung erfolgt war (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 12.11.2015, I-22 U 18/15).
Rz. 13
Das Leistungsverweigerungsrecht gilt auch nicht für Ansprüche aus der Versicherung und für Forderungen aus zwischen- oder überstaatlichem Recht (Satz 4). Für Ansprüche aus der Versicherung, also einer Mitgliedschaft oder Familienversicherung (rückständige Sozialleistungen), gibt es daher, außer der Verjährungseinrede, kein Leistungsverweigerungsrecht wegen der Schließung oder Auflösung des Versicherungsträgers. Damit können auch in diesen Fällen Ansprüche innerhalb der Verjährungsfrist von 4 Jahren (§ 45 SGB I) nach Schließung oder Auflösung noch geltend gemacht werden. Dies gilt allerdings nur, soweit diese Ansprüche für die Zeit der Versicherung bis zur Schließung bestanden hatten. Nachgehende Leistungsansprüche nach § 19 Abs. 2 kommen hier nicht in Betracht. Für über den Schließungszeitpunkt hinaus bestehende Leistungsansprüche gilt, dass diese von der neu gewählten Krankenkasse zu gewähren sind. Soweit Leistungsansprüche der Bewilligung bedurften, gelten die von der geschlossenen Krankenkasse getroffenen Leistungsentscheidungen mit Wirkung für die aufnehmende Krankenkasse fort (§ 19 Abs. 1a). Besonderheiten gelten für Leistungen aufgrund von Satzungsregelungen und in den Fällen des Abschlusses von Wahltarifen (vgl. dazu Komm. zu § 19). Ob die BKK von der Versicherung Kenntnis hatte (z. B. als bislang unbekannt gewesene letzte Krankenkasse eines Versicherungspflichtigen nach § 175 Abs. 3 Satz 2 oder 3), ist nicht entscheidend. Zu den nicht mit Leistungsverweigerungsrechten behafteten Ansprüchen aus der Versicherung gehören wohl auch die mit der Versicherung verbundenen und daraus entstandenen Erstattungsansprüche gegenüber anderen Trägern (nach §§ 102ff. SGB X); zumindest dann, wenn diese bislang nicht bekannt waren.
Rz. 14
Bei Ansprüchen aus über- oder zwischenstaatlichem Recht (Erstattungen nach EU- oder Abkommensrecht) ist eine Klärung und Abwicklung von Erstattungsansprüchen innerhalb von 6 Monaten durch die Abrechnungsmodalitäten oftmals ausgeschlossen. Der ausländische Träger erhält von der Schließung oder Auflösung und dessen Bekanntmachung auch kaum zeitnah Kenntnis, sodass hier ein Leistungsverweigerungsrecht nicht gerechtfertigt erscheint.