Rz. 6

Nach Abs. 1 Satz 1 kann der Versorgungsvertrag von jeder Vertragspartei mit einer Frist von einem Jahr ganz oder teilweise gekündigt werden (ordentliche Kündigung). Wenngleich in Fällen der ordentlichen Kündigung die Kündigung des gesamten Versorgungsvertrages in der Praxis den Regelfall darstellt, eröffnet daneben die Regelung des Abs. 1 Satz 1 nach dem Wortlaut der Vorschrift auch die Möglichkeit einer Teilkündigung des Vertrages. Eine solche kommt z. B. bei wesentlicher Änderung des mit der Pflegeeinrichtung vertraglich vereinbarten Versorgungsauftrages in Betracht.

 

Rz. 7

Während eine Kündigung durch den Träger der Pflegeeinrichtung an keine Voraussetzungen gebunden ist und demzufolge keiner Begründung bedarf, ist eine Kündigung durch die Landesverbände der Pflegekassen nur statthaft, wenn die zugelassene Pflegeeinrichtung nicht nur vorübergehend eine der gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 3 Satz 1, Abs. 3a oder Abs. 3b nicht oder nicht mehr erfüllt (Abs. 1 Satz 1 HS 1). Zum Schutz der Träger der Pflegeeinrichtungen besteht daher eine Berechtigung zur (fristgerechten) Kündigung nur, soweit

  • die begrifflichen Voraussetzungen der an der Pflegeversorgung teilnehmenden Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste, Pflegeheime) und ambulanten Betreuungseinrichtungen (Betreuungsdienste) sowie die übrigen Anforderungen nach Maßgabe des § 71 nicht oder nicht mehr in vollem Umfange erfüllt sind (§ 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1)

    und/oder

  • die betroffenen Pflegeeinrichtungen und Betreuungsdienste nicht mehr die Gewähr für eine leistungsfähige oder wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten und die Vorgaben des Abs. 3a oder Abs. 3b erfüllen (§ 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2),

    und/oder

  • die Pflegeeinrichtungen und Betreuungsdienste nicht vereinbarungsgemäß ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Einführung und Weiterentwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements nachkommen (§ 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3)

    und/oder

  • die Pflegeeinrichtungen und Betreuungsdienste entgegen ihrer vertraglichen Verpflichtung nicht die ordnungsgemäße Durchführung von Qualitätsprüfungen ermöglichen (§ 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4)

    und/oder

  • stationäre Pflegeeinrichtungen ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Teilnahme an dem gesetzlichen Verfahren zur Datenübermittlung nach § 35 Abs. 6 des Infektionsschutzgesetzes nicht nachkommen (§ 72 Abs. 3 Nr. 5)

    und/oder

  • die Pflegeeinrichtung ihre Pflicht wiederholt gröblich verletzt, Pflegebedürftigen ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu bieten, die Hilfen darauf auszurichten, die körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte der Pflegebedürftigen wiederzugewinnen oder zu erhalten und angemessenen Wünschen der Pflegebedürftigen zur Gestaltung der Hilfe zu entsprechen (Abs. 1 Satz 1 HS 2).

Der durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz mit Wirkung zum 1.7.2008 gemäß Abs. 1 Satz 1 HS 2 ergänzend in das Gesetz aufgenommene ordentliche Kündigungstatbestand soll nach dem Willen des Gesetzgebers dem hohen Stellenwert Rechnung tragen, der der Verwirklichung der in § 2 normierten Selbstbestimmungsrechte zukommt.

Gemeinsam für alle Kündigungstatbestände gilt, dass sie nicht nur vorübergehend vorliegen dürfen. Soll daher die Kündigung z. B. auf unwirtschaftliche Betriebsführung gestützt werden, muss diese wiederholt festgestellt oder nicht mehr behebbar sein. Auch darf es sich nicht nur um geringfügige Unwirtschaftlichkeiten handeln, die durch Abstriche in der Leistungsvergütung ausgeglichen werden könnten (so BR-Drs. 505/93 S. 138). Nur vorübergehender Natur sind denknotwendig ferner Kündigungstatbestände, die bei Beendigung der vertraglichen Zulassung nicht mehr vorliegen, d. h. nach Ausspruch der Kündigung innerhalb der Jahresfrist entfallen sind. Werden die gesetzlichen Anforderungen im Verlauf der Kündigungsfrist wiederhergestellt, so sind die Landesverbände der Pflegekassen zur Rücknahme der Kündigung verpflichtet, soweit nicht eine positive Prognose gleichwohl als ausgeschlossen gilt (vgl. Schütze, in: Udsching/Schütze, SGB XI, 5. Aufl., § 74 Rz. 10b). De facto wird damit dem Leistungserbringer für die Dauer der für ordentliche Kündigungen geltenden Jahresfrist nach Abs. 1 Satz 1 eine Bewährungsfrist zum Nachweis der Wiederherstellung aller gesetzlichen Voraussetzungen für den Fortbestand des Versorgungsvertrages eingeräumt.

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