Rz. 45
Bezweckt eine Jahressonderzahlung, allein in der Vergangenheit geleistete Arbeit zu vergüten, stellt sie Entgelt i. e. S. dar: Die Entgeltpflicht entfällt in Höhe des Anteils, der zeitanteilig auf die ausgefallene Arbeitsleistung bezogen ist. Einer besonderen Kürzungsabrede in der Vereinbarung, die der Jahressonderzahlung zugrunde liegt, bedarf es dann nicht. Die Kürzung erfolgt vielmehr aus der Natur der Zahlung: Sie stellt Entgelt dar, das der ausgefallenen Arbeit zugeordnet werden kann und entfällt unabhängig davon, ob es jeden Monat mit dem regulären Gehalt ausgezahlt wird oder am Ende des Jahres zusammengefasst für das ganze Jahr.
Rz. 46
In der Rspr. wird diese Unterscheidung nicht in gleicher Deutlichkeit getroffen. Das Schrifttum erkennt sie insbesondere bei der Kürzung einer Sonderzahlung wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten. Wird eine Sondervergütung als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung vereinbart, so entsteht für Zeiten, in denen keine Arbeitsleistung erbracht wird und auch kein Entgeltfortzahlungsanspruch mehr besteht (z. B. gem. § 3 Abs. 1 EFZG bei Krankheit), auch kein Anspruch auf die Sondervergütung.
Ein solcher Fall liegt vor, wenn eine Arbeitnehmerin im gesamten Kalenderjahr aufgrund ihrer Elternzeit keine Arbeitsleistung erbracht hat. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass Elternzeit weit überwiegend von Frauen und nicht von Männern in Anspruch genommen wird, verneint das BAG zu Recht einen Verstoß gegen das geschlechtsspezifische Diskriminierungsverbot.
Rz. 47
Für streikbedingte Fehlzeiten kann im Grundsatz nichts anderes gelten. Das sieht in der Sache wohl auch das BAG so: Ohne von "Entgelt im engeren Sinne" zu reden, erkannte das Gericht eine Kürzung einer "Monatspauschale" an, die einheitlich für alle Lohngruppen anstelle einer prozentualen Tariflohnerhöhung für die ersten 4 Monate der Geltung des neuen TV gezahlt wurde. Obwohl eine ausdrückliche Kürzungsabrede fehlte, stellt es fest, eine Zahlung komme "nur für Zeiten in Betracht …, für die ein Lohnanspruch besteht". Das gilt dann auch für jährliche Zahlungen. Kürzt der Arbeitgeber dementsprechend die Sonderzahlung für Zeiten der Streikteilnahme, dann liegt hierin keine unzulässige Maßnahme nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG und auch keine gesetzlich verbotene Maßregelung, denn die Unterscheidung ist durch die Rechtsordnung selbst vorgegeben. Der Verlust des Lohnanspruchs für die Zeit der Streikbeteiligung oder der Aussperrung ergibt sich daraus, dass der Arbeitskampf die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis zum Ruhen bringt. Einer gesonderten Abrede zur Kürzung bedarf es nicht, weswegen es an einer Maßnahme oder Maßregelung durch den Arbeitgeber fehlt, die verboten sein könnte. Er vollzieht durch die Kürzung schlicht die gesetzlichen Vorgaben, was ihm nicht verwehrt werden kann.