1 Zweck und Systematik
Rz. 1
Die Frau soll den Arbeitgeber möglichst frühzeitig über ihre Schwangerschaft und den voraussichtlichen Entbindungstermin bzw. über die Tatsache, dass sie stillt, unterrichten, § 15 Abs. 1. Damit soll vor allem erreicht werden, dass die mutterschutzrechtlichen Schutzvorschriften so früh wie möglich erfüllt werden. Darüber hinaus bestehen Mitteilungsobliegenheiten, wenn die Frau besondere Rechte in Anspruch nehmen will, bspw. die Mitteilung über die Geburt von Mehrlingen oder eines behinderten Kindes (§ 3 Abs. 2 MuSchG) oder über die Wahrnehmung eines Untersuchungstermins gem. § 7 Abs. 1 MuSchG. Gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist zum einen, ob und wann die Frau verpflichtet ist, über das Vorliegen der Schwangerschaft zu informieren, und zum anderen, ob bzw. inwieweit Bewerberinnen im Stellenbesetzungsverfahren über das Vorliegen einer Schwangerschaft Auskunft geben müssen.
Die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers gegenüber der Aufsichtsbehörde sind in § 27 MuSchG geregelt, ebenso das Verbot der unbefugten Weitergabe der Information an Dritte. Zur Frage, welche Dritte der Arbeitgeber informieren darf bzw. muss, s. § 27 MuSchG, Rz. 16 ff.
Rz. 2
Der Arbeitgeber muss sich nicht allein auf die Information der Arbeitnehmerin über ihre Schwangerschaft verlassen, sondern kann ein Zeugnis eines Arztes, einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers über das Vorliegen der Schwangerschaft und den voraussichtlichen Tag der Entbindung verlangen (§ 15 Abs. 2). Auch wenn der tatsächliche Entbindungstermin während der Schwangerschaft noch nicht bekannt sein kann, muss ein voraussichtlicher Entbindungstermin definiert werden, damit festgestellt werden kann, wann die Schutzfrist beginnt oder ab wann bestimmte Beschäftigungsverbote während der Schwangerschaft zu beachten sind (§§ 3, 11 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 MuSchG). Um hier Rechtssicherheit zu schaffen, ist das Zeugnis über den mutmaßlichen Tag der Entbindung verbindlich, selbst wenn es sich nachträglich als unzutreffend herausstellen sollte (§ 3 Abs. 1 Satz 3 MuSchG).
2 Mitteilungsobliegenheit der schwangeren Frau (§ 15 Abs. 1 Satz 1)
2.1 Mitteilungsobliegenheit im bestehenden Arbeitsverhältnis
2.1.1 Obliegenheit und/oder Verpflichtung?
Rz. 3
§ 15 Abs. 1 Satz 1 begründet keine gesetzlich zwingende und sanktionierte Pflicht der Arbeitnehmerin zur Offenbarung der Schwangerschaft, sondern lediglich eine entsprechende Obliegenheit. Die Formulierung als Sollvorschrift zeigt, dass es der Frau nur nachdrücklich empfohlen wird, im eigenen Interesse dem Arbeitgeber die Schwangerschaft zu offenbaren, sobald sie selbst darum weiß. Das Gesetz respektiert insofern das Interesse der Schwangeren, frei über die Mitteilung ihrer Schwangerschaft zu entscheiden. Es rät jedoch zur frühzeitigen Information, damit der Arbeitsplatz entsprechend gestaltet werden kann bzw. Beschäftigungsverbote berücksichtigt werden können.
Rz. 4
§ 15 Abs. 1 berücksichtigt allein die Interessen der schwangeren Frau und des Kindes, nicht aber die des Arbeitgebers. Allerdings trifft die Norm keine abschließende Regelung. Vielmehr entsteht im Laufe der Schwangerschaft die arbeitsvertragliche Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) der Schwangeren, den Arbeitgeber über die Schwangerschaft zu informieren. Voraussetzung ist, dass schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers an der Information das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 Abs. 1 GG) geschützte Interesse der Frau, ihre privaten Angelegenheiten nicht offenzulegen, überwiegen. Wann dies der Fall ist, hängt von der Bedeutung der Tätigkeit der schwangeren Arbeitnehmerin für das Unternehmen und von der Phase der Schwangerschaft ab: Je schwieriger eventuelle oder gewisse Ausfallzeiten überbrückt werden können und je näher der Entbindungstermin rückt, umso eher ist die Arbeitnehmerin verpflichtet, ihre Schwangerschaft zu offenbaren. Umgekehrt kann eine Arbeitnehmerin auf einem Arbeitsplatz, der zeitweise unbesetzt bleiben kann oder für den eine Ersatzkraft leicht zu finden ist, die Information länger zurückhalten. Die Mitteilungspflicht entsteht damit in jedem Arbeitsverhältnis im Laufe der Schwangerschaft; der genaue Zeitpunkt hängt aber von den Umständen des Einzelfalls ab. Während die Arbeitnehmerin damit im Grundsatz zuwarten darf, bis sie Rechte aus dem MuSchG (z. B. ein Beschäftigungsverbot) in Anspruch nehmen möchte, kann die Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) eine frühere Information gebieten, wenn vorrangige Interessen des Arbeitgebers vorliegen.
Rz. 5
Zeitpunkt der Mitteilung
Wenn bereits absehbar ist, dass die schwangere Frau im letzten Schwangerschaftsdrittel – in dem erfahrungsgemäß häufig ein Beschäftigungsverbot nach § 16 Abs. 1 MuSchG ausgesprochen wird – eine wichtige Aufgabe übernehmen soll, bei der sie nur schwer vertreten werden kann, dürfte sie spätestens zu Beginn des zweiten Schwangerschaftsdrittels verpflichtet sein, den Arbeitgeber über die Schwangerschaft zu informieren. Damit dürfte dieser i. d. R. ausreichend Gelegenheit haben, eine etwaige Vertretung zu organisieren. Da es im ersten Schwangerschaftsdrittel relativ häufig zu Fehlgeburten...