Das BAG bejaht den Wiedereinstellungsanspruch nach wirksamer Kündigung. Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses,
- wenn die Kündigung auf einer Prognose beruht, z. B. Stilllegungsabsicht, und
- diese Prognose sich noch während des Laufs der Kündigungsfrist als falsch erweist, z. B. weil es noch zu einem Betriebsübergang kommt, und
- wenn der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und
- ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist.
Ein Wiedereinstellungsanspruch besteht auch dann, wenn ein Abfindungsvergleich geschlossen worden ist und der Arbeitgeber sich noch während des Verlaufs der Kündigungsfrist dazu entschließt, den Betrieb teilweise fortzuführen. Er gilt nicht im Kleinbetrieb, selbst wenn dieser entgegen ursprünglicher Planung doch nicht stillgelegt wird. Die in der Rechtsprechung des BAG entwickelten Grundsätze zum Wiedereinstellungsanspruch nach wirksamer betriebsbedingter Kündigung sind in Kleinbetrieben i. S. v. § 23 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 KSchG nicht anwendbar. Ob sich ein Wiedereinstellungsanspruch ausnahmsweise aus Treu und Glauben ergeben kann, z. B. bei langjährig Beschäftigten, hat das BAG offengelassen.
Fällt bei einem befristeten Arbeitsverhältnis der Sachgrund für die Befristung nachträglich weg, besteht bei einer dennoch wirksamen Befristung kein Wiedereinstellungs- oder Weiterbeschäftigungsanspruch über das Ende der vereinbarten Befristung hinaus. Der Wiedereinstellungsanspruch ist der Sache nach ein Anspruch auf Neuabschluss eines Arbeitsvertrags unter Übernahme des bisherigen Besitzstands.
Weiterbeschäftigung prüfen
Jedenfalls dann, wenn der Kündigungsgrund noch innerhalb der Kündigungsfrist wegfällt, ist vor einer Neueinstellung die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers zu prüfen. Die Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers besteht nur solange, wie er vom Wegfall des Kündigungsgrundes nichts weiß.
Wirksame Kündigung
Der Wiedereinstellungsanspruch setzt eine wirksame Kündigung voraus. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Kündigung vom Arbeitsgericht rechtskräftig für wirksam erachtet, gar nicht erst angegriffen oder ein Abfindungsvergleich abgeschlossen worden ist.
Voraussetzungen für den Wiedereinstellungsanspruch sind:
- Die Kündigung ist wirksam (geworden).
- Der Kündigungsgrund ist nachträglich weggefallen. Die Prognosegrundlage für die Kündigung muss sich nachträglich geändert haben. Der Wiedereinstellungsanspruch dient nicht dazu, eine nachlässige Prozessführung zu heilen.
- Der Arbeitgeber darf vor Kenntnis der Wiedereinstellungstatsachen nicht berechtigt disponiert haben.
Ein Wiedereinstellungsanspruch ist möglich nach einer Verdachtskündigung, einer personenbedingten Kündigung oder einer betriebsbedingten Kündigung.
Kündigungsgrund fällt nachträglich weg
Der Anspruch auf Wiedereinstellung kommt nur dann zur Anwendung, wenn sich der Kündigungssachverhalt nachträglich geändert hat. Er wird als Kehrseite des Prognoseprinzips für die Beurteilung der Kündigung angesehen. Der Arbeitgeber kündigt häufig aufgrund einer Prognose. Eine betriebsbedingte Kündigung ist bereits dann sozial gerechtfertigt, wenn der Kündigungsgrund zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs greifbare Formen angenommen hat. Eine krankheitsbedingte Kündigung setzt eine negative Gesundheitsprognose voraus. Für eine Verdachtskündigung reicht ein dringender Tatverdacht. Ändert sich nachträglich die Prognosegrundlage, berührt dies die Wirksamkeit der Kündigung nicht. Als Kompensation für dieses vom Arbeitnehmer zu tragende Prognoserisiko hat die Rechtsprechung auf der Grundlage von Treu und Glauben den Wiedereinstellungsanspruch anerkannt. Demgegenüber dient der Wiedereinstellungsanspruch nicht der Korrektur von Fehlurteilen, selbst wenn ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK vorliegt.
Wiedereinstellung nach wirksamer Verdachtskündigung
Der Verdacht einer schweren Vertragsverletzung oder einer strafbaren Handlung kann zur Kündigung führen, wenn der Verdacht dringend ist und zu einer für den Arbeitgeber unzumutbaren Belastung des Arbeitsverhältnisses führt. Die Kündigung ist aber nur dann wirksam, wenn diese Voraussetzungen nicht nur zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs als maßgeblichem Beurteilungszeitpunkt vorlagen, sondern der erhebliche Verdacht auch noch in der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Landesarbeitsgericht) besteht.
Stellt sich im Verlauf des Prozesses die Unschuld des Arbeitnehmers heraus, gelingt ihm der Entlastungsbeweis oder schwächt sich der Verdacht so weit ab, dass er nicht mehr erheblich ist, ist das nach der Rechtsprechung des BAG bei der Beurteilung der Kündigung noch zu berücksichtigen; die Kündigung ist dann unwirksam. Die Frage nach einem Wiedereinstellungsanspruch stellt sich dann nicht.
Wird der Verdacht erst nach Abschluss des Kündigungsschutzprozesses ausgeräumt, steht dem Arbeitnehmer ein Wiedereinstellungsanspruch zu. Die bei anderen ...