Warum ein Provisionsverbot nicht sinnvoll gewesen wäre
In den frühen Morgenstunden des 30. Juni 2017 verabschiedete der Bundestag das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD). Das Gesetz wird am 23. Februar 2018 in Kraft treten. Honorare sind demnach in der Versicherungsberatung weiter erlaubt. Ursprünglich sah der Gesetzentwurf vor, dass Versicherungsvermittler nur noch von Versicherern per Provision bezahlt werden. Nun bleibt es dabei, dass Berater und Kunden die freie Wahl der Vergütungsform haben – Makler können also auch weiterhin Honorare von Privat- und Firmenkunden nehmen. Eine Provisionsabgabe des Beraters an den Kunden ist nun aber gesetzlich verboten.
Bei der Ausgestaltung des neuen Gesetzes hat der Bundestag offenbar einige Fehlentwicklungen in Großbritannien berücksichtigt. Denn auch hierzulande gab es Forderungen nach einem Provisionsverbot in der Anlage- und Altersvorsorgeberatung, wie es in Großbritannien seit einiger Zeit besteht – zum Nachteil vieler Briten; das ist inzwischen deutlich geworden.
Beim Provisionsverbot geht Großbritannien mit schlechtem Beispiel voran
Ein Blick zurück: 2013 hatte Großbritannien ein Provisionsverbot für Abschlüsse in der Vorsorge eingeführt. Davon sind auch Beratungen zu Investmentfonds und Lebensversicherungen betroffen. Die Vergütung erhalten Berater seither ausschließlich von ihren Kunden. Diese Maßnahme war Teil einer Finanzmarktreform unter dem Titel Retail Distribution Review (RDR) - ein Selbstversuch, den Großbritannien mit seinen Bürgern und deren Altersvorsorge wagte.
Erste Zwischenergebnisse zu diesem Experiment haben das britische Finanzministerium und die Aufsichtsbehörde Financial Conduct Authority (FCA) bereits 2015 im "Financial Advice Market Review" (FAMR) veröffentlicht. Einerseits führte der FAMR damals Erfolge der Finanzmarktreform bei der Beratungsqualität auf. Andererseits wurden jedoch auch schwerwiegende negative Folgen festgestellt. So war bereits 2015 ersichtlich, dass sich Verbraucher mit mittlerem und geringem Einkommen keine Honorarberatung leisten können. Im März 2016 folgte dann der FAMR-Abschlussreport mit dem ernüchternden Fazit: dringend notwendig seien erschwingliche Beratung für Verbraucher. Außerdem müsse der Zugang zur Beratung verbessert werden. Was war geschehen?
Altersvorsorgeberatung: In Großbritannien offenbar nicht mehr für jeden
An die Gründe des Beratungsdefizits, das durch das Provisionsverbot in Großbritanien entstandenen war, erinnerte kürzlich noch einmal das Fachmagazin "Versicherungstip". So sei einerseits die absolute Zahl der Anlageberater zurückgegangen. Gleichzeitig sei der Anteil der Berater, die als Voraussetzung für eine Beratung ein Mindestportfolio von 100.000 Pfund verlangen, von 13 Prozent 2013 auf 32 Prozent 2014 hochgeschnellt. 45 Prozent der Berater würden kaum noch Altersvorsorgeberatungen anbieten, wenn das Vermögen der Kunden unter 30.000 Pfund liege. "Das bedeutet, dass – unabhängig von den höheren Upfront-Kosten für die Kunden – durch das Provisionsverbot eine ganze Bevölkerungsschicht mit geringerem Einkommen beziehungsweise Vermögen von der Beratung ausgeschlossen wird", schreibt "Versicherungstip".
Notlösungen für hausgemachte Probleme? Besser nicht.
Kaum verwunderlich also, dass sich auch der neue FAMR-Fortschrittsbericht vom 11. April 2017 vor allem mit einer Frage befasst, wie die entstandene Beratungslücke geschlossen werden kann. Ein Ansatz: Steuersubventionen sollen die Probleme, die sich die Briten durch das Provisionsverbot selbst geschaffen hatten, zumindest abmildern. Konkret heißt das: die sogenannte Honorarberatung muss in Großbritannien durch Rentenvorschüsse und Steuergutschriften subventioniert werden, um für "Otto Normalverbraucher" erschwinglich zu werden. Diesen und anderen Problemen beugt hierzulande nun das neue Gesetz zur Umsetzung der europäischen Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) vor. Denn ein Provisionsverbot wird es in Deutschland auf absehbare Zeit nicht geben - das ist wohl auch gut so.
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