"Arbeitsatmosphäre lässt sich nur vor Ort erleben"
Haufe Online-Redaktion: Das Homeoffice scheint sich in der neuen Arbeitswelt durchgesetzt zu haben - was genau hat sich seit der Pandemie verändert?
Katharina Radermacher: Die größte Veränderung hat sicher in Bezug auf die Einstellungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern stattgefunden: Arbeitgeber, die bis vor der Pandemie größtenteils klassische Arbeitsplatzkonzepte gelebt haben, sind offener geworden für flexible Ansätze, die man noch vor zwei Jahren für unmöglich gehalten hat, und sehen hierin auch ihre Vorteile. Gleichzeitig haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Vorzüge des flexiblen Arbeitens kennengelernt und sind nun auch mutiger, solche flexiblen Ansätze einzufordern.
Haufe Online-Redaktion: Heißt das, viele Arbeitsplätze im Büro bleiben zukünftig unbesetzt?
Radermacher: Welche Rolle genau das Büro oder der Campus in Zukunft spielen wird, scheint bisher noch gar nicht ganz klar zu sein. Unternehmen und Mitarbeitende sind derzeit in der Findungsphase, denn es gibt nicht die neue Rolle des Büros. Die aktuelle Herausforderung ist es, die Vorzüge traditioneller Arbeitsplatzstrukturen und die von Mobile Work oder Homeoffice miteinander zu vereinen. Die "richtige Mischung" ist dabei für jedes Unternehmen eine andere.
Die Entscheidung zwischen Präsenz und Remote ist auch vom Alter und der familiären Struktur abhängig
Haufe Online-Redaktion: Vieles spricht für Arbeit im Homeoffice: Die Arbeit kann flexibler mit familiären Pflichten oder Freizeitaktivitäten koordiniert werden, Unterbrechungen durch Kollegen und Kolleginnen entfallen, letztlich wird auch die Umwelt entlastet, weil Arbeitswege gespart werden. Was motiviert Beschäftigte da noch, ins Büro zu gehen?
Radermacher: Im Büro können Mitarbeitende beispielsweise Unternehmenskultur, die Arbeitsatmosphäre, die formelle und informelle Face-to-Face-Kommunikation, Networking und persönliche Zusammenarbeit erleben. Das sind sehr wichtige Vorteile traditioneller Arbeitsplätze. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen messen diesen Faktoren ganz unterschiedliche Bedeutung bei und so haben sie auch ganz unterschiedliche Ansprüche, wieviel "Remote" und wieviel "Präsenz" für sie gut funktioniert.
Studien weisen darauf hin, dass beispielsweise das Alter und die familiäre Situation von Arbeitnehmenden einen Einfluss auf diese Ansprüche haben. Natürlich spielt dabei auch die individuelle Arbeitsaufgabe eine wichtige Rolle. Gleichzeitig müssen Arbeitgeber überlegen, wie wichtig diese Aspekte für die Erfüllung der Arbeitsaufgaben und schließlich den Erfolg des Unternehmens sind. Studien zeigen zum Beispiel, dass insbesondere Kommunikation und Networking in Hinblick auf Kreativität und Innovation eine bedeutende Rolle zukommt. Die Unternehmenskultur ist beispielsweise ein wichtiger Faktor, um eine hohe Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen zu erreichen.
Haufe Online-Redaktion: Was empfehlen Sie Unternehmen, um für Mitarbeitende wieder attraktiv werden?
Radermacher: Zunächst einmal scheint das Corporate Office nicht grundsätzlich für alle Arbeitnehmenden unattraktiv geworden zu sein. Wie bereits erwähnt, sind die Bedürfnisse nach Präsenz im Unternehmen sehr unterschiedlich ausgeprägt und viele Arbeitnehmende wünschen sich auch die Bürozeiten zurück. Studien zeigen zum Beispiel, dass die Arbeitsatmosphäre einen ganz wichtigen Faktor für Mitarbeitende darstellt. Diese können Mitarbeitende aber nur vor Ort im Büro wirklich erleben.
Um jetzt attraktive Modelle für Mitarbeitende zu entwickeln, sollten die Interessen dieser unbedingt berücksichtig werden. Unternehmen sind gut beraten, hierzu mit ihren Mitarbeitenden ins Gespräch zu gehen und herauszufinden, was für sie wichtig ist. Wie viel Präsenz und wie viel Homeoffice wünschen sich Mitarbeitende? Welche konkreten Rahmenbedingungen (zum Beispiel Räumlichkeiten für den Austausch, Orte für konzentriertes Arbeiten) benötigen Mitarbeitende aus ihrer Sicht vor Ort, um die Arbeitsaufgaben bestmöglich erfüllen zu können und sich im Unternehmensumfeld wohl zu fühlen? Gepaart mit den Interessen des Arbeitgebers müssen auf Basis dieser Antworten unternehmensindividuelle Lösungen gefunden werden.
Vorzüge neuer Arbeitskonzepte an die Beschäftigten kommunizieren
Haufe Online-Redaktion: Das heißt, jedes Unternehmen muss sein eigenes Konzept finden?
Radermacher: Wenn Unternehmen ihre konkreten Anforderungen sowie die Bedürfnisse der Mitarbeitenden in ihre Arbeitsplatzkonzepte einfließen lassen wollen, wird sich eine Vielzahl unternehmensindividueller Ansätze ergeben. Es können möglicherweise auch innerhalb eines Unternehmens mehrere Konzepte sinnvoll sein, beispielsweise für unterschiedliche Unternehmensbereiche ganz unterschiedliche Ansätze. Wichtig ist, dass Unternehmen, die neue Konzepte entwickelt haben, diese unbedingt mit all ihren Vorzügen an die Mitarbeitenden kommunizieren und zeigen, wie auch die Bedürfnisse der Mitarbeitenden hierbei berücksichtigt wurden.
Neue Arbeitskonzepte für das Employer Branding nutzen
Haufe Online-Redaktion: Eine bloße Beschreibung der neuen Konzepte im Intranet reicht dafür wahrscheinlich nicht aus. Was gibt es noch für Möglichkeiten, um die neue Definition der Büros bekannt zu machen und die Beschäftigten wieder auf den Campus zu holen?
Radermacher: Unternehmen können beispielsweise zeigen, wie sie sich durch die Einrichtung unterschiedlicher Arbeitsbereiche für konzentriertes Arbeiten, für Zusammenarbeit und informellen Austausch und die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden anpassen. Haben Unternehmen deutliche Änderungen an ihren Arbeitsplatzkonzepten vorgenommen, können Mitarbeitende die neuen Konzepte auch im Rahmen interner Führungen kennenlernen. Neue Arbeitsplatzkonzepte bieten so auch immer die Möglichkeit, die Unternehmenswerte neu aufzugreifen und zu kommunizieren.
Berücksichtigen die neuen Konzepte die Bedürfnisse der Mitarbeitenden, werden diese sich mit den Werten identifizieren und sich somit stärker mit dem Unternehmen verbunden fühlen. Auch im Hinblick auf potentielle Mitarbeitende können neue Arbeitsplatzkonzepte so erfolgreich eingesetzt werden: Kommunizieren Unternehmen ihre neuen Konzepte an Bewerberinnen und Bewerber, beispielsweise auch über Bilder oder 360°-Rundgänge, können die Unternehmenswerte und Informationen darüber, wie in diesem Unternehmen gearbeitet wird, glaubhaft an Bewerber kommuniziert werden.
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