Von der Ausnahme zur Regel
Seit Beginn der Coronapandemie ist das Arbeiten im Homeoffice für viele Arbeitnehmer die "neue Normalität". Seither sind viele Vorteile dieser Form des Arbeitens in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Für Arbeitgeber bietet es sich an, die Rahmenbedingungen für die Arbeit im Homeoffice kollektivrechtlich in einer Betriebsvereinbarung festzulegen. Darin sollten neben dem Modell des Arbeitens im Homeoffice und den spezifischen Voraussetzungen insbesondere Fragen zur Datensicherheit beziehungsweise der Einhaltung der Arbeitszeit- und Arbeitsschutzvorschriften geregelt werden.
Begriffsbestimmungen
Zunächst gilt es, die wesentlichen Begrifflichkeiten "Homeoffice", "Telearbeit" und "mobile Arbeit" voneinander abzugrenzen. (Häusliche) Telearbeit führen Arbeitnehmer vollständig von zu Hause durch. Der Arbeitgeber richtet den Arbeitsplatz dabei auf eigene Kosten in der Wohnung des Arbeitnehmers ein. Haben Arbeitnehmer neben ihrem Arbeitsplatz zu Hause auch noch einen Arbeitsplatz im Betrieb und arbeiten sie abwechselnd an diesen Arbeitsplätzen, so handelt es sich dabei um sogenannte "alternierende Telearbeit".
Beim mobilen Arbeiten steht den Beschäftigten zwar ein Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung, den sie nutzen können. Darüber hinaus sind sie aber auch mit einem Laptop, Tablet oder einem Smartphone ausgestattet, sodass sie flexibel dort arbeiten können, wo sie sich gerade befinden.
Allgemein wird unter dem Begriff Homeoffice verstanden, dass Arbeitnehmer ihre arbeitsvertragliche Tätigkeit ganz oder teilweise außerhalb des Betriebs erbringen. Umgangssprachlich wird der Begriff insoweit häufig uneinheitlich mal als Synonym für die Telearbeit, mal für die mobile Arbeit verwendet.
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Die Frage, ob in einem Betrieb Homeoffice eingeführt wird, stellt zunächst eine rein unternehmerische Entscheidung dar, die nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Entscheiden sich Arbeitgeber aber dafür, so unterliegt die nähere Ausgestaltung im Hinblick auf personelle, soziale und wirtschaftliche Angelegenheiten der Mitbestimmung des Betriebsrats. Generell ist der Betriebsrat rechtzeitig (bereits im Planungsstadium) und umfassend über die Einführung beziehungsweise Ausgestaltung der geplanten Arbeit im Homeoffice zu unterrichten (§ 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Der Betriebsrat muss in der Lage sein, Vorschläge und Bedenken bei der Planung vorzubringen (§ 90 Abs. 1 und 2 BetrVG). Er ist ferner über die Personalplanung zu unterrichten (§ 92 BetrVG). Dies betrifft etwa die Fragen, wie viele Arbeitnehmer im Homeoffice arbeiten sollen beziehungsweise dürfen und wie lange die Tätigkeiten von zu Hause ausgeübt werden sollen. Soweit Homeoffice im größeren Umfang eingeführt wird, kann dies auch eine Betriebsänderung darstellen, bei deren Vorliegen dem Betriebsrat weitreichende Beteiligungsrechte gewährt werden müssen (§§ 111 f. BetrVG: Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans).
Wird ein Arbeitsplatz in einen Homeoffice-Arbeitsplatz umgewandelt, hat der Betriebsrat ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht (§ 99 BetrVG, gegebenenfalls auch nach §§ 91, 102 BetrVG). Seit dem Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes besteht in § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ein neuer Mitbestimmungstatbestand bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit. Ob der neue Tatbestand in § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG eine tatsächliche Erweiterung der Rechte des Betriebsrats schafft, bleibt vorerst unklar. Bereits bislang standen dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG), der Einführung und Anwendung technischer Überwachungseinrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG), Unfallverhütungsvorschriften (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) sowie Entgeltfragen (§ 87 Abs. 1 Nr. 10, 11 BetrVG) zu. Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung das neue Mitbestimmungsrecht begrenzt.
Kernregelungen einer Betriebsvereinbarung
Welche Regelungen sollte eine Homeoffice-Betriebsvereinbarung typischerweise enthalten und welche gesetzlichen Vorgaben sind dabei insbesondere in den Bereichen Arbeits- und Datenschutz zu beachten?
Konkrete Ausgestaltung der Arbeit
Die Regelungen zur konkreten Ausgestaltung flexibler Arbeitsmöglichkeiten im Homeoffice gehören zu den essenziellen Bestandteilen einer Homeoffice-Betriebsvereinbarung.
Zunächst sollte das Homeoffice-Modell als solches festgelegt werden. So kann die Tätigkeit aus dem Homeoffice auf eine bestimmte Anzahl von Tagen begrenzt (hybrides Modell) oder auch vollständig freies Arbeiten ermöglicht werden (freies Modell). Beide Modelle weisen Vor- und Nachteile im Hinblick auf die individuellen betrieblichen Abläufe auf. Mit steigender Flexibilität der Beschäftigten sollten Arbeitgeber bei der Festlegung des Modells die jeweiligen Auswirkungen auf die Durchführung der Arbeit bedenken. Für das hybride Modell sollte die Verteilung der Tage im Homeoffice und im Betrieb in Absprache mit Vorgesetzten oder innerhalb des Teams erfolgen.
Voraussetzungen für Arbeit außerhalb des Betriebs
Betriebsvereinbarungen zum Homeoffice sollten konkret die Voraussetzungen für die Arbeit von zu Hause festlegen. So sind allgemein nur solche Tätigkeiten für die Erledigung im Homeoffice geeignet, die ohne Beeinträchtigung des Betriebsablaufs von zu Hause erbracht werden können. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Tätigkeit lediglich mithilfe eines Computers sowie eines Telefons erbracht werden kann.
Unbedingt sollten Arbeitgeber eine Regelung in die Betriebsvereinbarung aufnehmen, wonach eine Beschäftigung des Mitarbeiters im Homeoffice stets nach dem Grundsatz der beiderseitigen Freiwilligkeit erfolgt. Das bedeutet, dass weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber die Arbeit im Homeoffice einseitig verlangen beziehungsweise anweisen können. Eine einseitige Anordnungsmöglichkeit kann jedoch ausnahmsweise für Krisensituationen (wie etwa für pandemische Lagen) geregelt werden.
Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Kosten für die Einrichtung des Arbeitsplatzes und die erforderliche Ausstattung. Dies gilt auch bei einer Erbringung der Tätigkeit im Homeoffice. Zu der zur Verfügung zu stellenden Arbeitsausstattung zählen insbesondere technische Geräte (zum Beispiel Computer oder Bildschirme) sowie Büromaterial. Arbeitgeber müssen ferner auch für Wartungskosten sowie Erstattungen für zusätzliche Mehraufwendungen der Beschäftigten (wie etwa Auslagen für zusätzliche technische Geräte und Stromkosten) aufkommen. Möglich ist allerdings auch – und wird in der Praxis gerne umgesetzt – die Vereinbarung einer Aufwandspauschale. Anders fällt die Beurteilung aus, wenn die Tätigkeit im Homeoffice auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgen soll. Dann besteht kein Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitnehmers. Dies gilt jedenfalls solange, wie der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz im Betrieb anbietet.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage der Reichweite der geltenden Arbeitsschutzvorschriften. Während das Arbeitsschutzgesetz nur allgemeine Regelungen enthält, beinhaltet die Arbeitsstättenverordnung detailliertere Regelungen, die jedoch ausdrücklich nur für Telearbeit gelten. Für die mobile Arbeit gelten demgegenüber weniger strenge Regeln als für die Telearbeit. Überwiegend wird aber auch hier eine Gefährdungsbeurteilung für erforderlich gehalten (§ 5 ArbSchG). Etwas anderes könnte gelten, wenn nur eine untergeordnete Tätigkeit im Homeoffice vorliegt (etwa ein bis zwei Tage pro Woche). In jedem Fall triff den Arbeitgeber aber eine Unterweisungspflicht, in deren Rahmen die Beschäftigten über Gefährdungen im Homeoffice unterrichtet werden müssen (§ 12 ArbSchG). Ferner gilt im Homeoffice die Betriebssicherheitsverordnung, die die Verwendung von Arbeitsmitteln regelt. Es muss sichergestellt werden, dass diese sicher sind und regelmäßig gewartet werden.
Mit Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes ist der Unfallsversicherungsschutz für die Arbeit im Homeoffice ausgeweitet worden und umfasst jetzt auch solche Strecken, die Beschäftigte im Rahmen der Ausübung ihrer Arbeit üblicherweise zu Hause zurücklegen.
Datenschutz im Homeoffice
Im Homeoffice gelten die gleichen datenschutzrechtlichen Anforderungen wie im Betrieb. Der Arbeitgeber gewährleistet organisatorisch und technisch einen hinreichenden Datenschutz und stellt die erforderliche IT-Ausstattung sowie entsprechende Schulungen zur Verfügung. Für den Umgang mit den Daten gelten uneingeschränkt die betrieblichen Regelungen des Datenschutzes und die betrieblichen Vorgaben zur IT-Sicherheit. Deren Einhaltung hat der Mitarbeiter in seinem Einflussbereich selbst sicherzustellen. Nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO ist der Verantwortliche für die Daten der Arbeitgeber; dieser ist also für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften verantwortlich und muss deren Einhaltung nachweisen können. Um dieser Rechenschaftspflicht nachkommen zu können, sollten in einer Betriebsvereinbarung hinreichend klare Anweisungen an die Mitarbeiter enthalten sein.
Regelungen zur Arbeitszeit
Für die Arbeitszeiterfassung gelten die jeweiligen betrieblichen Regelungen und die gesetzlichen Aufzeichnungspflichten nach dem Arbeitszeitgesetz unabhängig vom Ort der Tätigkeit. In einer Betriebsvereinbarung zum Thema Homeoffice sollte vereinbart werden, dass der Mitarbeiter aufgrund der neuen Flexibilität gemeinsam mit dem Vorgesetzten für die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen zur Arbeitszeit verantwortlich ist.
Schaffung eines kollektiven Grundgerüsts
Um die Rechte und Pflichten der Betriebsparteien auf kollektiver Ebene durch betriebliche Regelungen festzuhalten, bietet sich der Abschluss einer Homeoffice-Betriebsvereinbarung an. Diese kann insoweit ganz grundsätzliche Regelungen beinhalten, die zugleich durch individuelle Regelungen konkretisiert werden können.
Dieser Beitrag ist in ungekürzter Fassung in Personalmagazin 10/2021 erschienen. Lesen Sie die gesamte Ausgabe auch in der Personalmagazin-App.
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