Arbeitgeberbewertungen: Unternehmen sind nicht kritikfähig

Ein Großteil der Unternehmen in Deutschland lässt Bewertungen durch Mitarbeitende auf der Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu unbeantwortet. Insbesondere Dax40-Unternehmen ignorieren das Feedback. Damit vertun viele Arbeitgeber die Chance, Souveränität und Kritikfähigkeit zu zeigen.

3,44 Millionen Bewertungen von nahezu 300.000 Unternehmen auf der Arbeitgeberplattform Kununu wurden von Employer Telling ausgewertet. Das Ergebnis ist bestürzend: 90 Prozent der Arbeitgeber lassen ihre Bewertungen komplett unbeantwortet. Bei 80 Prozent aller Bewertungen bleibt eine Reaktion der Unternehmen aus. Selbst Arbeitgeber, die mindestens 50 Kununu-Bewertungen verzeichnen und damit eine relevante Wahrnehmung auf der Plattform besitzen, lassen nahezu drei Viertel der Bewertungen (72 Prozent) unbeantwortet.

Damit verschenken die Unternehmen viel Potenzial, an ihrem Arbeitgeberimage zu arbeiten. Das sagt auch Sascha Theisen von der Unternehmensberatung Employer Telling, die die Analyse durchführte: "Wissenschaftliche Studien zeigen: Arbeitgeberantworten auf Bewertungen werden von mehr als 80 Prozent aller Kununu-Nutzenden gelesen. Vor diesem Hintergrund ist die ignorante Haltung so vieler Arbeitgeber gegenüber ihrem Mitarbeiterfeedback erschreckend." Aus seiner Sicht fehlt vielen Arbeitgeber das Ohr für ihre Belegschaften sowie das Gespür dafür, welche Rückschlüsse die Leserinnen und Leser auf das Arbeitgeberimage schließen.

Dax-Unternehmen antworten selten auf Arbeitgeberbewertungen

Um den Umgang mit Mitarbeiterfeedback genauer zu analysieren, grenzten die Studienautoren die Stichprobe auf die Arbeitgeber ein, die mindestens 50 Bewertungen auf Kununu erhalten haben und schon alleine aufgrund dieser Anzahl das Thema verstärkt wahrnehmen müssten. Das waren immerhin noch 10.747 Arbeitgeber aus 34 Branchen, die insgesamt 2,06 Millionen Bewertungen verzeichneten.

Das Ergebnis: auch diese Unternehmen kamen nur auf eine Antwortquote von knapp 28 Prozent. Auffällig unterdurchschnittlich unterwegs sind dabei die Dax40-Unternehmen, die gemeinsam eine durchschnittliche Antwortquote von 23 Prozent aufweisen – bei insgesamt fast 90.000 Bewertungen.

Hotellerie gibt am häufigsten Feedback auf Bewertungen

Die höchsten Antwortquoten verzeichnen Arbeitgeber aus der Hotelsparte mit knapp 43 Prozent. Hier ist man in vielen Betrieben daran gewöhnt, auf Kundenfeedback zu reagieren und setzt dies offenbar ähnlich auch bei Arbeitgeberbewertungen um. Auf den weiteren Plätzen folgen Steuerberatungen (36 Prozent), Handwerksbetriebe (35 Prozent) sowie Handelsunternehmen (35 Prozent).

Auf den letzten Plätzen des Branchenrankings liegen Automobilunternehmen (21 Prozent), Verwaltungs- und Administrationsorganisationen (18 Prozent), Forschungseinrichtungen (13 Prozent) sowie Sport- und Beauty-Unternehmen (acht Prozent).

Je schlechter die Bewertung, desto seltener reagieren Arbeitgeber

Eine weitere Erkenntnis der Employer-Telling-Analyse ist fehlende Kritikfähigkeit der Unternehmen: Je kritischer die Bewertungen der Mitarbeitenden sind, desto geringer fällt die Antwortquote der Arbeitgeber aus. Konkret heißt das: Bei Bewertungen, die auf der Fünf-Sterne-Skala nur einen bis maximal zwei Sterne erreichen, liegt die Antwortquote nur bei drei Prozent. Bei Bewertungen zwischen zwei und zweieinhalb Sternen steigt die Antwortquote auf knapp acht Prozent. Werden umgekehrt aber viereinhalb bis fünf Sterne vergeben, also die Höchstwertung, steigt die Antwortquote der Unternehmen auf weit überdurchschnittliche 42 Prozent. Dazu Manfred Böcker von Employer Telling: "Deutsche Arbeitgeber sind gut darin, sich brav für positives Feedback zu bedanken. Es fällt ihnen dagegen schwer, Farbe zu bekennen, wenn sie kritisiert werden. Souveränität, Kritikfähigkeit und Gelassenheit im Umgang mit Bewertungen sehen anders aus."

Wie Stellensuchende Arbeitgeberbewertungen nutzen

Eine Untersuchung des Trendence Instituts macht darüber hinaus deutlich, wie wichtig Kritikfähigkeit auf Arbeitgeberbewertungsplattformen für das Unternehmensimage ist: 1.528 Bewerberinnen und Bewerber wurden befragt, 1.050 davon gaben an, Bewertungsportale wie Kununu für ihre Jobsuche zu nutzen. Und davon begrü0en es 72 Prozent, wenn Arbeitgeber Antworten auf Bewertungen geben.

Wichtiger als der einfache Wunsch nach Antworten ist die Tatsache, dass Jobsuchende sich von Arbeitgeberstatements beeinflussen lassen. Zwar stehen 42 Prozent zunächst auf der Seite der Bewertenden, wenn sie Kritik an einem Arbeitgeber lesen. Aber diese Haltung ist nicht in Stein gemeißelt. Mehr als drei Viertel der Kununu-Nutzer räumen ein, ihre Meinung zu ändern, wenn sie eine Arbeitgeberantwort plausibel finden. Darüber hinaus lesen 51 Prozent der Befragten die Bewertungen zunächst ohne Vorbehalte und bilden sich erst anhand des kompletten Dialogs zwischen den Bewertenden und Arbeitgebern eine Meinung. 50 Prozent der Jobsuchenden geben zudem an, vor allem die Art und Weise der Argumentation der Arbeitgeber zu checken.

Das Fazit der Trendence-Studie: Wer souverän, sachlich und anhand von nachvollziehbaren Daten argumentiert, stellt nicht nur richtig, sondern erreicht aus Sicht der Stellensuchenden einen Imagegewinn.

Der richtige Kandidatendialog

Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt eine weitere Untersuchung von Employer Telling, für die die Inhalte des Kandidatendialogs auf Kununu untersucht wurden. Laut dieser Untersuchung besteht über die Hälfte der Arbeitgeberantworten auf der Bewertungsplattform aus Copy and Paste. Es handelt sich also um Antworten, die einmal erstellt und dann immer wieder aufs Neue unter Bewertungen gesetzt werden. Diese Strategie ist auch bei großen Dax-Unternehmen verbreitet, die eigentlich über viele Ressourcen für die Kommunikation verfügen.


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