Deutsche Familienversicherung: Recruiting trotz Corona

Die Deutsche Familienversicherung zählt 115 Beschäftigte und will diese Zahl auf 175 Personen erhöhen. Dafür hat sie ein Incentive-Programm für Bewerber aufgesetzt. Wie das funktioniert und wie die Corona-Krise das Recruiting beeinflusst, berichtet der Vorstandsvorsitzende Dr. Stefan Knoll.

Haufe Online-Redaktion: Im Februar starteten Sie eine bundesweite Recruiting-Offensive, um 55 neue Mitarbeitende zu gewinnen. Die Besonderheit dabei ist ein Incentive-Modell, bei dem Bewerberinnen und Bewerber bis zu 6.500 Euro erhalten können – je nachdem, welche Einstellungsstufe sie erreichen. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Stefan Knoll: Recruiting ist für ein Unternehmen unserer Größenordnung eine völlig andere Herausforderung als für einen weltumspannenden Konzern, der allein durch seine Größe eine gewisse Anziehungskraft ausübt. Wir müssen zunächst dafür sorgen, dass Personen, die an einem Stellenwechsel interessiert sind, auf uns aufmerksam werden. Eine Stellenausschreibung reicht nicht aus, da sie in der Menge der plakativen Inserate untergeht. Darüber hinaus haben wir 55 Stellen zu besetzen. Das ist für ein Unternehmen unserer Größenordnung eine Menge. Wir müssen dafür sorgen, dass potenzielle Bewerberinnen und Bewerber auf uns aufmerksam werden. Deshalb haben wir uns entschieden, ein Incentive-Programm aufzustellen. Das hat uns eine große Aufmerksamkeit verschafft.

Seit Februar kamen über 2.600 Bewerbungen ins Haus

Haufe Online-Redaktion: Wie stellen Sie sicher, dass das nicht von Personen ausgenutzt wird, die sich nur bewerben, um das Geld zu erhalten, aber nicht ernsthaft bei Ihnen arbeiten wollen?

Knoll: Ein Bewerber oder eine Bewerberin muss von uns zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, um Geld zu bekommen. Das gilt übrigens für alle Tätigkeiten. Wir schreiben auch Stellen für Werkstudierende aus. Auch diese haben wir in das Programm aufgenommen, weil wir sagen: "Jeder, den wir suchen, fällt unter das System." Aber die Voraussetzung für eine Zahlung ist, dass jemand eine Einladung von uns erhält.

Haufe Online-Redaktion: Das heißt, Sie prüfen bei der Vorauswahl genau, dass jemand gut zur ausgeschriebenen Stelle passt?

Knoll: Es gibt eine Vielzahl an Gründen, weshalb jemand nicht passt: Es fehlt eine benötigte Ausbildung oder Erfahrung. Diese Personen werden alle im Vorfeld aussortiert. Diejenigen Bewerberinnen und Bewerber, die bei uns an den Vorstellungsgesprächen teilnehmen, sind durchweg geeignet, eingestellt zu werden. Wenn es zu keiner Einstellung kommt, liegt das daran, dass diese Personen im Verhältnis zu den anderen eine nicht so gute Qualifikation haben oder uns im Gespräch nicht überzeugen konnten.

Haufe Online-Redaktion: Wie viele Bewerbungen haben Sie seit dem Start der Recruiting-Initiative verzeichnet?

Knoll: Vor einer Woche habe ich 2.600 Bewerbungen gezählt. Das dürfte jetzt noch etwas mehr sein, auch wenn uns das Coronavirus einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Die meisten Menschen haben zurzeit andere Sorgen, als den Arbeitsplatz zu wechseln.

500 Euro für das erste Jobinterview, 1.000 Euro für das zweite

Haufe Online-Redaktion: Wie viele Bewerberinnen und Bewerber haben Recruiting-Stufen erreicht, die Zahlungen vorsehen? Wie sind die Beträge gestaffelt?

Knoll: Wir haben bislang zwischen 150 und 200 Vorstellungsgespräche und Zweitgespräche geführt. Der größte Teil davon sind Erstgespräche, da wir vor der zweiten Gesprächsrunde nochmals deutlich aussieben. Die Bewerberinnen und Bewerber erhalten 500 Euro, wenn sie für ein erstes Gespräch eingeladen werden und daran teilnehmen. Wenn sie zu einem zweiten Gespräch eingeladen werden und daran teilnehmen oder wenn sie an einem Assessment Center teilnehmen, erhalten sie 1.000 Euro. Bei der Einstellung gibt es weitere 5.000 Euro.

Haufe Online-Redaktion: Wie führen Sie die Vorstellungsgespräche in der Corona-Krise durch? Persönliche Gespräche werden jetzt nicht mehr möglich sein, oder?

Knoll: Wir können auch persönliche Gespräche durchführen, da das Ausüben der Berufstätigkeit weiterhin erlaubt ist. Der große Teil der Bewerberinnen und Bewerber kommt aus den Raum Frankfurt. Für diese halten wir die Option offen, dass sie persönlich vorbeikommen können. Dabei achten wir natürlich darauf, die Abstände zu wahren. Aber einen großen Teil der Erstgespräche führen wir inzwischen als Video- oder Telefonkonferenzen durch. Die Durchführung der Interviews bereitet uns keine Probleme. Die größere Herausforderung ist, dass viele Bewerberinnen und Bewerber jetzt sagen: "Meinen jetzigen Arbeitgeber habe ich sicher. Ich weiß nicht ob es klug ist, jetzt zu wechseln."

Der Bonus schafft vor allem eines: Aufmerksamkeit

Haufe Online-Redaktion: Mit Ihrer Recruiting-Initiative suchen Sie auch neue IT-Expertinnen und -Experten. Treffen Bonuszahlungen für Bewerber überhaupt den Nerv von ITlern? Geht es diesen Personen nicht eher um spannende Aufgaben als um Geld?

Knoll: Die Bonuszahlungen wurden ins Leben gerufen, um Aufmerksamkeit zu schaffen. Haben wir das erreicht, fangen die Menschen an, sich mit uns zu beschäftigen und dann bewerben sie sich. Ich habe zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber kennengelernt, denen es eher unangenehm ist, wenn sie am Ende des Erstgesprächs das Formular ausfüllen müssen, in dem wir die Kontonummer abfragen, um das Geld überweisen zu können. Ich glaube, keiner bewirbt sich bei uns, nur um 500 oder 1.000 Euro ausgezahlt zu bekommen. Und ich behaupte, es gibt keine Versicherungsgesellschaft in Deutschland, die so interessante und abwechselnde Jobs für ITler hat wie wir. Sie haben bei uns freie Hand und können Sachen programmieren, die es in anderen Unternehmen nicht gibt. Aber diese Vorteile können wir nur vermitteln, wenn wir die Aufmerksamkeit potenzieller Bewerberinnen und Bewerber erreicht haben.

Haufe Online-Redaktion: Wie geht es weiter? Ihre Planungen sahen für das Jahr 2020 eine Erhöhung der Beschäftigtenzahl von 115 auf rund 175 vor. Macht Ihnen die Corona-Krise einen Strich durch die Rechnung?

Knoll: Aktuell verzeichnen wir keinen Rückgang beim Neukundengeschäft. Aber wir wissen nicht, wie lange die Situation noch andauert. Die Planungen sehen vor, dass wir uns im nächsten Jahr verdoppeln wollen. Aber es kann sein, dass uns am Jahresende ein Monat fehlen wird. Am Thema Recruiting halten wir weiter fest, da wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen.

Onboarding via Telefon und Video

Haufe Online-Redaktion: Wie funktioniert die Einarbeitung von neuen Beschäftigen, wenn die meisten Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice arbeiten?

Knoll: 95 Prozent unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten aktuell im Homeoffice. Wir arbeiten ganz normal weiter, nur dezentral. Am 1. April 2020 sind die ersten neu Eingestellten gestartet. Dadurch, dass der Großteil der Mitarbeiter von zuhause aus arbeitet, haben wir viel Platz im Unternehmen und können die nötigen Abstände wahren. Die neuen Kolleginnen und Kollegen müssen zunächst in die Firmenzentrale kommen, um mit ihrem Equipment ausgestattet zu werden. Alle erhalten ein Laptop, mit dem sie dann auch zuhause arbeiten können. Wie die Einarbeitung dann funktioniert, müssen wir im Einzelfall sehen. Bei mir hat ein neuer Abteilungsleiter angefangen, mit dem ich seit dem 1. April jeden Tag mehrere Stunden am Telefon verbringe. Das funktioniert gut. Unser Vorteil ist, dass wir im vergangenen Jahr auf eine neue Endgeräte-Generation umgestiegen sind und in Frankfurt – in der Stadt mit dem größten Internetknoten in Deutschland – sitzen.


Zur Person: Dr. Stefan Knoll ist Vorstandsvorsitzender der DFV Deutsche Familienversicherung AG mit Sitz in Frankfurt am Main.


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