Fachkräftemangel: K.o.-Kriterien in Stellenanzeigen

Ist in der Stellenanzeige von einem "großen Gestaltungsspielraum" die Rede oder von "flachen Hierarchien", verschrecken Arbeitgeber einen Großteil der Fachkräfte, anstatt sie zu einer Bewerbung zu motivieren. Eine Studie von Meinestadt.de hat die schlimmsten verbalen Missgriffe aufgedeckt.

Für 85 Prozent der Fachkräfte spielt die Stellenanzeige bei der Jobsuche nach wie vor eine wichtige Rolle. Dennoch verwenden viele Arbeitgeber in ihren Jobinseraten immer noch inhaltsleere und wenig überzeugende Standardphrasen. Welche davon am häufigsten auf Ablehnung bei den Fachkräften stoßen, hat das Marktforschungsinstitut Bilendi im Auftrag von Meinestadt.de in einer repräsentativen Befragung von 3.000 erwerbstätigen Fachkräften ermittelt.

Inhaltsleere Floskel: "Flache Hierarchien"

Ein "großer Gestaltungsspielraum" ist aus Sicht der Mehrzahl der Befragten (58 Prozent) eine inhaltsleere Floskel in der Stellenanzeige, mit der sie nichts anfangen können. An zweiter Stelle steht das "dynamisch wachsende Arbeitsumfeld" (knapp 58 Prozent) und auf dem dritten Rang der Phrasen folgen die sehr häufig zu lesenden "flachen Hierarchien" (57 Prozent).

Anstatt solcher Ausdruckslosigkeiten wünschen sich die Fachkräfte handfeste Informationen in der Stellenanzeige: Für 58 Prozent ist die Aufzählung der Arbeitsinhalte "sehr wichtig". Auch Auskünfte zur Sicherheit der angebotenen Jobs (50 Prozent) oder konkrete Gehaltsangaben werden von vielen Stellensuchenden explizit gewünscht.

K.-o.-Kriterium "Extrameile"

"Gibt es für dich ein K.-o.-Kriterium in Stellenanzeigen, das dazu führt, dass du dich auf keinen Fall bei dem Unternehmen bewerben würdest?" Im Freitextfeld zu dieser Frage gab rund ein Viertel der Fachkräfte (24 Prozent) das Gehalt als K.-o.-Kriterium an. Dabei kann sowohl ein zu geringes Gehalt ein Ausschlussfaktor sein als auch eine fehlende Gehaltsangabe. Unpassende Arbeitszeiten wurden von 17 Prozent der Befragten genannt, mangelnde Jobsicherheit von 14 Prozent.

Die individuellen Kommentare zu den K.o.-Kriterien zeigen zudem, dass angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt bei den Fachkräften die Bereitschaft zur Selbstausbeutung abnimmt. Sie suchen tatsächlich nach besseren Jobs und wollen Angebote in Stellenanzeigen wiederfinden, die zu diesem Wunsch passen. Abgelehnt wird laut den Freitext-Kommentaren unter anderem:

  • "Wenn so etwas wie die extra Meile gehen gefordert wird (ist nur ein Synonym für Ausbeutung) und auf Lächerlichkeiten wie ein Obstkorb hingewiesen wird."
  • "Alles, was auf alte Strukturen, 24/7 Erreichbarkeit, hohe Belastung körperlich/psychisch über das normale Maß hinaus hindeutet, ist für mich ein K.-o.-Kriterium."
  • "Wenn bereits aus der Anzeige ersichtlich wird, dass eine hohe Flexibilität und großes Engagement erwartet wird…. Bedeutet aus der Erfahrung meist schlechte Arbeitszeiten…"
  • "In der Anzeige steht nichts und nur ein Verweis auf deren Seite. Ich möchte schon am Anfang Informationen haben und wenn dort nichts zur Qualifizierung und Einarbeitung steht."
  • "Gestellte Bilder/Videos von glücklichen Mitarbeitern."
  • "Eine Stellenanzeige, in der das Unternehmen krampfhaft versucht, total hip zu sein.
  • "Zu viele englische Begriffe und Bezeichnungen. Jobtitel in Englisch. Ich möchte einfach wissen, was ich machen soll."
  • "Hohe Anforderungen in der Stellenanzeige (z.B. Studium), welche dann in der tatsächlichen Tätigkeit gar nicht wichtig sind. War bei meinem aktuellen Job der Fall! Die Stellenanzeige war meiner Meinung nach für viele dadurch sehr abschreckend."

Fachkräfte: selbstbewusst, aber noch zurückhaltend

In einer kürzlich veröffentlichten Studie von Meinestadt.de kam heraus: Fast die Hälfte der Fachkräfte (49 Prozent) hat vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels schon jetzt das Gefühl, sich den Job aussuchen zu können: erst 31 Prozent von ihnen nutzen aber aktuell diese günstigen Arbeitsmarktbedingungen aktiv, um sich beruflich zu verbessern. Das eher defensive Bewerbungsverhalten hinkt den aktuellen Verhältnissen auf den Arbeitsmärkten also noch hinterher. Der eigentliche Fachkräftemangel steht den Unternehmen voraussichtlich noch bevor. Ihre Arbeitgeberkommunikation ist darauf aber offensichtlich nicht vorbereitet.


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