"Grau is alle Theorie – entscheidend is auf'm Platz", ist das oft zitierte Bonmot eines ansonsten längst vergessenen Fußballtrainers, das auch im Talent Management seine Berechtigung besitzt. Es ist dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation zu danken, dass es eine Folgefrage stellt: Was für ein Platz?
Die "Ressource Büro" und damit ein Einfluss der Arbeitsumgebung auf die Stimmung von Talenten ist ein vielerorts unterschätzter Faktor. Wer jemals Fotos von der Google-Europazentrale in Zürich gesehen hat oder diese sogar besuchen durfte, bekommt eine erste Ahnung. Unter der Devise "Individualität – Abschirmung – Heimatgefühl" wird den Mitarbeitern eine Atmosphäre geboten, die nicht mehr weit vom Spielparadies entfernt scheint. Gearbeitet wird dort auch, sogar richtig hart.
Vorteil Einzelzelle
Nun können und müssen es Unternehmen nicht gleich übertreiben wie Google oder ähnliche Beispiele. Doch das traditionell muffige Ambiente vieler Arbeitsplätze senkt die Stimmung und damit das Engagement, das selbst ein fünfblättriger Gummibaum und Urlaubsfotos an der Pinnwand nicht heben können. Genau dies haben die Fraunhofer-Forscher untersucht, veröffentlicht im Personalmagazin vom Mai 2012.
Klare Favoriten sind das Kombibüro, also zum Flur hin verglaste Einzelbüros ergänzt durch eine breite Binnenzone als Meeting-Bereich, sowie das klassische Einzelbüro, also das geschlossene Zimmer mit einem Arbeitsplatz.
Auf einem Wohlbefindlichkeitsindex besitzen beide signifikante Vorteile gegenüber Großraum- und Mehrpersonenbüros. Was nicht weiter wundert: keine Privatsphäre, keine Konzentration, keine Imagewirkung im Hühnerstall. Genau das was Gockel und ihre weiblichen Pendants gerne hätten.
Dies wiegen vermeintlichen Vorteile wie Kommunikation und Teambuilding nicht auf. Beides bekommt man in den permanenten Meetings ohnehin, für die Talente mehrmals am Tag ihre bevorzugte Heimstatt verlassen müssen.
Persönliche Intimzone
Daher gibt es eine klare Devise im Talent Management: Entweder Wohlfühllandschaften à la Google oder eine persönliche Intimzone durch Einzelbüros. Wenn da nur nicht kostenbewusste Facility Manager wären. Wegen deren Argument leerstehender Büroflächen durch dienstlich bedingte Abwesenheiten haben viele Firmen mit Stichworten wie "Desksharing" oder "Flexible Office" die Renaissance von aufgehübschten Großraumbüros ausgerufen. Eine Teilprivatisierung erfolgt allenfalls durch graue Stellwände in Brusthöhe.
Nein danke! Ich kann mir einen ganzheitlichen Business Case vorstellen, bei dem Kostenvorteile eines Großraumbüros von höherer Fluktuation und geringerer Motivation der Talente doppelt und dreifach aufgefressen werden. Bislang habe ich noch kein Talent getroffen, das aus freien Stücken meinte, sie oder er würde gerne in einem Großraumbüro tätig sein.
Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.