New-Work-Barometer 2024: Wie aus Heimarbeit Homeoffice wurde
Anfang des 19. Jahrhunderts verbreitete sich rasant eine neue Form der Arbeitsorganisation, geprägt von einem hohen Grad an Flexibilität und Dezentralisierung: Neben der Handwerksstube und der Industriehalle entstand die Heimarbeit, vor allem für Frauen. Arbeiterinnen und Arbeiter bekamen von sogenannten Verlegern Rohstoffe nach Hause geliefert, um sie innerhalb eines strikten Zeitrahmens in den eigenen vier Wänden zu Waren zu verarbeiten – etwa, indem sie aus Baumwolle oder Leinen Stoffe herstellten. Die Verleger holten diese wieder ab und verkauften sie weiter. Die Zeitung Der Sozialdemokrat schreibt am 18. Mai 1882: "In Wirklichkeit hat der in [Heimarbeit] beschäftigte Arbeiter nebst seinen Angehörigen sämtliche Übel der Fabrikindustrie zu ertragen, ohne deren Vorzüge und günstige Seiten." Es entstanden massenweise prekäre Beschäftigungsverhältnisse und die Menschen litten unter sozialer Isolation und verschiedensten Krankheiten. 1844 kam es zum Weberaufstand und auch die aufkommenden Gewerkschaften begannen, gegen die katastrophalen Bedingungen der Menschen anzukämpfen, die von zu Hause arbeiten mussten.
Auch heute findet ein Streit darüber statt, doch ist aus Heimarbeit Homeoffice geworden und die Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden kämpfen mit vertauschten Rollen. Die Arbeitnehmenden wollen möglichst viel Homeoffice praktizieren und die Gewerkschaften unterstützen sie in dem Anliegen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Landespolizei in Niedersachsen plädierte etwa für die Einführung von Homeoffice für Polizistinnen und Polizisten. Eklatant ist der Konflikt beim DAX-Unternehmen SAP. Hier klagte der Betriebsrat gegen die neuen Homeoffice-Regelungen. Der Softwarehersteller hatte den Beschäftigten während der Pandemie größte Autonomie bei der Wahl des Arbeitsorts gewährt. Sie mussten sich nur mit ihrer Führungskraft abstimmen. Doch 2024 verfügte die Konzernleitung, dass Mitarbeitende mindestens drei Tage im Büro oder beim Kunden sein müssen.
Homeoffice ist ein zweischneidiges Schwert
Debatten über Vor- und Nachteile von Homeoffice werden häufig emotional und wenig evidenzbasiert geführt, obwohl bereits viele Daten vorliegen, inwiefern das heutige Arbeiten von zu Hause erfolgreich und gesundheitsförderlich ist. Dabei gilt es zu unterscheiden: zwischen der Individual-, der Team- und der Organisationsebene. Die meisten Informationen liegen für die Individualebene vor. Kürzlich veröffentlichten Gajendran et al. (2024) eine Meta-Analyse, die Daten aus drei Jahrzehnten Forschung zum Homeoffice zusammenfasst. Die Autoren untersuchten den Einfluss der wöchentlichen Arbeitsstunden auf zwei Variablen: Autonomie und soziale Isolation sowie deren direkte und indirekte Effekte auf verschiedene Ergebnisvariablen. In die Analyse bezogen sie 108 Studien mit 110 Unternehmen und 45.288 Personen ein. Es zeigten sich positive Zusammenhänge zwischen einer erhöhten Anzahl an Homeoffice-Arbeitsstunden und einem gesteigerten Autonomieempfinden. Gleichzeitig ging mehr Arbeit im Homeoffice auch mit einem stärkeren Gefühl der sozialen Isolation einher. Das macht Homeoffice zu einem zweischneidigen Schwert. Autonomie und soziale Isolation stehen laut der Ergebnisse der Forscher in Verbindung mit Burnout, Arbeitsleistung, Arbeitszufriedenheit und den Arbeitsbeziehungen zwischen Teammitgliedern und Führungskräften. Dabei hatte das gesteigerte Autonomieempfinden positive, das Isolationsempfinden eher ungünstige Auswirkungen. Die Effekte können gleichzeitig auftreten und scheinen sich in gewisser Weise gegenseitig zu neutralisieren. Betrachtet man die Gesamtergebnisse, lässt sich aber festhalten: Über alle Studien und Jahrzehnte hinweg gibt es bis auf das Risiko soziale Isolation wenig negative, sondern eher günstige Effekte von Homeoffice, auch wenn diese Effekte eher klein sind.
Auf der Teamebene liegen bisher keine expliziten metaanalytischen Ergebnisse zur Arbeit im Homeoffice vor. Also muss man sich bei Einzelstudien und Ergebnissen aus der virtuellen Teamforschung bedienen. Demnach scheint das Arbeiten im Homeoffice in Teams eher für Herausforderungen zu sorgen. Durch weniger Kontaktpunkte reduziert sich der Teamgeist. Vor allem das Onboarding neuer Teammitglieder fällt schwer. Viele Beschäftigte haben Homeoffice auch deshalb während der Pandemie als so erfolgreich wahrgenommen, weil bestehende Teams, die häufig bereits viel Vertrauen und klare Rollenaufteilungen hatten, in die hybride Zusammenarbeit wechselten. Die Arbeit im Homeoffice erschwert zudem das soziale Lernen. Wenn Menschen nicht gemeinsam an einem Arbeitsort zusammenkommen, können sie weniger gut die anderen Teammitglieder direkt bei ihren Arbeitstätigkeiten beobachten. Das schränkt das fachliche Lernen ein, aber vor allem auch das Lernen von Normen und Werten, also die Entwicklung einer gemeinsamen Kultur. Es kann zu einem verzögerten Wissensaustausch durch mehr asynchrone Kommunikation und weniger Teamkreativität kommen. Auch müssen Führungskräfte in hybriden Teams häufig einen höheren Führungsaufwand betreiben, um die Arbeit zu koordinieren oder Missverständnisse aufzuklären.
Damit bleibt noch die Frage offen, wie sich die Effekte auf der Organisationsebene darstellen und wie Homeoffice mit Organisations- und Innovationsleistung zusammenhängt. Antworten darauf können wir anhand der Daten aus dem diesjährigen New Work-Barometer geben.
New-Work-Barometer 2024: Zukunftskonzept New Work
Das New-Work-Barometer ist eine Kooperation des Instituts für New Work und Coaching der SRH Berlin University of Applied Sciences, dem Praxispartner HRpepper Management Consultants sowie dem Personalmagazin als Medienpartner. Seit 2020 wird jährlich eine anonyme Online-Umfrage durchgeführt, an der Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Organisationen freiwillig teilnehmen können. Außerdem werden Teilnehmende der Vorjahresbefragung erneut kontaktiert, wenn sie ihren Kontakt angeben. Unterschiede in den Ergebnissen zwischen den Jahren können neben inhaltlichen Veränderungen auch zum Teil auf die unterschiedlichen Zusammensetzungen der Stichproben zurückzuführen sein.
Jährlich werden die Teilnehmenden gefragt, welche Bedeutung sie New Work beimessen. Mehrfachnennungen waren möglich. 86,0 Prozent stimmten der Aussage zu, dass New Work ein wichtiges Zukunftskonzept sei. Damit ist ein Großteil eher positiv zu New Work eingestellt. Im Gegensatz dazu sehen 25,6 Prozent New Work als Elitekonzept, das an der Lebensrealität vieler Menschen vorbeigeht, und lediglich 6,5 Prozent bezeichnen New Work als eine Art "Woke-Bewegung", die Organisationen mehr schadet als nützt. Das heißt, dass vor allem New-Work-Fans an der Befragung teilgenommen haben und weniger Personen, die dem Konzept skeptisch gegenüberstehen oder es zu populistisch finden. Dazu passt, dass eine überwältigende Mehrheit von 80,9 Prozent in den nächsten drei Jahren einen deutlichen Bedeutungszuwachs für New Work erwartet. Nur 11,0 Prozent glauben, dass die Bedeutung schwindet und 8,1 Prozent, dass sie gleichbleibt. Diese Einschätzung hat sich im Vergleich zur Befragung in 2023 kaum geändert.
New Work und Homeoffice
Jedes Jahr legen wir den Teilnehmenden verschiedene Verständnisse von New Work vor und beschreiben diese. Die Ergebnisse sind in den letzten fünf Jahren sehr konstant ( Abbildung 1).
Die ursprünglich von Bergmann erdachte Gesellschaftsutopie, der zufolge Menschen der Arbeit nachgehen sollten, die sie wirklich, wirklich wollen, indem sie die klassische Lohnarbeit durch selbstbestimmte Selbstversorgungsarbeit einschränken, findet im DACH-Raum nur wenig Anklang. Viel stärkere Zustimmung erfährt das Verständnis, dass es sich bei New Work um Initiativen handelt, die das mobile Arbeiten und Homeoffice ermöglichen. Die Verknüpfung von Homeoffice und New Work wurde erst 2021 in die Befragung aufgenommen. Bis dahin war eine solche Interpretation noch sehr unüblich. Auch aus der historischen Perspektive ist es überraschend, dass Homeoffice mit neuer Arbeit assoziiert wird. Dennoch ist dieses Verständnis den Daten zufolge in allen Ländern des DACH-Raums ähnlich hoch ausgeprägt.
Die stärkste Zustimmung erhalten das Verständnis der New Work Charta mit seinen fünf Prinzipien (Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und soziale Verantwortung) sowie das Empowermentverständnis. Bei Letzterem geht es darum, dass New Work Maßnahmen umfasst, die darauf abzielen, das psychologische Empowerment der Mitarbeitenden zu steigern – also das Erleben von Sinnhaftigkeit, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz am Arbeitsplatz.
New-Work-Praktiken: Trends setzen sich fort
Die Teilnehmenden können zudem verschiedene Praktiken aus den Bereichen Struktur, Kultur und Führung sowie Methoden und Prozesse danach einschätzen, ob sie diese mit New Work verbinden und ob diese in ihren Unternehmen zum Einsatz kommen. So hat sich über die letzten Jahre eine Liste von Praktiken herauskristallisiert, die im deutschsprachigen Raum mit New Work assoziiert sind. Diese ist induktiv aus Praxisbewertungen entstanden und spiegelt nicht unser theoretisches Verständnis von New Work wider. Die stärkste Assoziationskraft entfalten 2024 – ebenso wie im Vorjahr – empowermentorientierte Führung, offene Fehlerkultur und Selbstorganisation.
In Abbildung 2 haben wir die Verbreitung der verschiedenen Praktiken über die letzten drei Jahre dargestellt. Dabei fallen Gewinner und Verlierer ins Auge. Einen kontinuierlichen Abwärtstrend erlebten beispielsweise Design Thinking, digitale Führung und Working Out Loud (WOL). Der Begriff der digitalen Führung ist recht ungenau definiert und operationalisiert. Eine analoge Führung ist im Jahr 2024 nicht vorstellbar. Vielleicht hatte der Begriff nur während der Pandemie eine gewisse Strahlkraft. WOL und Design Thinking sind schon lange am Markt. Unter Umständen haben sich die Erwartungen an die Methoden nicht erfüllt und Mitarbeitende haben mittlerweile andere Wege für kollektive Lernerlebnisse erschlossen. Klare Gewinner sind hingegen offene Bürokonzepte und die Ausgabe von mobilen Technologien.
Auf dem ersten Platz steht wie die Jahre zuvor die Arbeitsortautonomie und damit das Thema Homeoffice. Die Arbeit von zuhause ist eine stabile Normalität in deutschsprachigen Unternehmen geworden, die viele als Teil von New Work betrachten. Auf dem zweiten Platz folgt erneut die Arbeitszeitautonomie. Auch diese Praktik ist stark von der fortschreitenden hybriden Arbeitswelt beeinflusst.
Wunsch und Wirklichkeit im Homeoffice
Inwiefern profitieren Unternehmen von diesem Homeoffice-Hoch? Wir nutzten das diesjährige Barometer, um besser zu verstehen, wie Organisationen Homeoffice konkret praktizieren. Die Arbeitszeit, die die Studienteilnehmenden im Homeoffice verbringen, beträgt durchschnittlich 48,0 Prozent (SD = 25,9) der gesamten Arbeitszeit. SD bezeichnet die Standardabweichung, wie stark also die Werte um den Mittelwert M variieren. Deutschland hat mit 48,8 Prozent den höchsten Wert und Österreich mit 39,5 Prozent den niedrigsten. Beratungsunternehmen nutzen Homeoffice am stärksten (durchschnittlich 62,8 Prozent). Im Vergleich dazu sind Mitarbeitende in der Privatwirtschaft durchschnittlich etwa 17,3 Prozent weniger im Homeoffice, in der öffentlichen Verwaltung sogar durchschnittlich rund 18,5 Prozent weniger als die Beratungsstichprobe.
Die für innovatives und erfolgreiches Arbeiten ideal eingeschätzte Arbeitszeit im Homeoffice beträgt durchschnittlich 49,4 Prozent (SD = 22,5) und ist damit überraschend nah an der tatsächlichen Quote. Der präferierte Anteil der Arbeitszeit im Homeoffice beträgt durchschnittlich 48,4 Prozent (SD = 27,8). Die Spanne der präferierten Zeit im Homeoffice reicht zwischen den Ländern von 38,3 Prozent in Liechtenstein bis zu 49,4 Prozent in Deutschland. Der Unterschied ist jedoch statistisch nicht signifikant, weil die Werte innerhalb der Länder stark variieren. Mit Blick auf die Branchen sieht man den höchsten präferierten Homeoffice-Anteil in der Beratung (durchschnittlich 58,3 Prozent). Er ist signifikant um 11,9 Prozent höher als in der Privatwirtschaft.
Homeoffice, Innovation und Leistung
Für Unternehmen ist vor allem die Frage relevant, inwieweit die Werte mit unternehmensrelevanten Erfolgsfaktoren zusammenhängen. Dazu haben wir analysiert, wie die Homeoffice-Anteile mit der Innovation und der Leistung von Organisationen korrelieren. Die Innovationsleistung haben wir im New-Work-Barometer in fünf Bereichen erfasst: Produkte und Dienstleistungen für Kunden, Produktionsmethoden und -verfahren, Managementpraktiken, Marketingpraktiken und Geschäftsmodelle. Die Teilnehmenden konnten in den letzten zwei Jahren die Innovationen in ihrem Unternehmen in all diesen Bereichen im Vergleich zu den Wettbewerbern einschätzen. Die Skala war fünfstufig: von viel schlechter (1) bis viel besser (5).
Neben der Innovationsleistung haben die Befragungsteilnehmenden zusätzlich die Organisationsleistung über sieben Bereiche bewertet: Qualität der Produkte und Dienstleistungen, Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung, Kunden- und Klientenzufriedenheit, Beziehung zwischen dem Management und Mitarbeitenden sowie die Beziehung zwischen Mitarbeitenden im Allgemeinen. Die Teilnehmenden sollten bei all diesen Punkten die Leistung ihrer Organisation in den letzten zwei Jahren im Vergleich zu anderen Organisationen einschätzen, die die gleiche Art Arbeit leisten. Die Skala erstreckte sich von viel schlechter (1) bis viel besser (7).
Betrachtet man nun die Zusammenhänge dieser beiden Variablen in Abbildung 3 mit den verschiedenen Homeoffice-Zeiten, lässt sich ein positiver und signifikanter Zusammenhang zwischen der Arbeitszeit im Homeoffice und der Organisationsleistung (r=,11**) erkennen, der aber relativ klein ist. Die Sternchen sind ein Maß dafür, wie stark die Ergebnisse vom Zufall abweichen, also ob sie tatsächlich relevant sind. Je mehr Sternchen, desto geringer die Fehlerwahrscheinlichkeit. Wie lässt sich dieser Zusammenhang nun erklären? Das könnte einerseits bedeuten, dass leistungsstarke Unternehmen mehr Homeoffice ermöglichen oder dass Homeoffice mehr Leistung erzeugt. Da es sich beim New-Work-Barometer um eine Befragung im Querschnitt handelt, lässt sich die Wirkrichtung nicht feststellen. So oder so scheint aber mehr Homeoffice mit etwas mehr Leistungsstärke der Unternehmen einherzugehen. Für die Innovation gilt das nicht. Hier bestehen keine Zusammenhänge.
Wie Homeoffice-Regeln mit Leistung zusammenhängen
Die präferierte Zeit im Homeoffice hängt signifikant negativ mit Leistung und Innovation zusammen. Das bedeutet, je mehr Homeoffice die Teilnehmenden präferieren, desto niedriger schätzen sie die Organisationsleistung ein. Die Frage ist jedoch, warum die präferierte Zeit negativ und die tatsächliche Zeit positiv mit Leistung korreliert. Ein möglicher Erklärungsansatz könnte sein, dass Personen, die die Leistung eher negativ einschätzen, lieber mehr Zeit im Homeoffice arbeiten, um sich zurückzuziehen. Möglicherweise ist auch ihre Leistungseinschätzung negativ eingefärbt, weil sie mehr Homeoffice präferieren. Um das zu überprüfen, sollte man sich in Folgestudien ansehen, was die Gründe für die individuelle Präferenz sind und inwiefern diese mit der Leistung zusammenhängen.
Es stellt sich zudem die Frage, wer eigentlich festlegt, wie viel Homeoffice möglich ist und wie sich diese Entscheidungshoheit auf die Leistung und Innovation auswirkt. Da in Unternehmen mit unter zehn Mitarbeitenden die Ebenen Team und Organisation kaum zu interpretieren sind, gehen in die Analysen zu dieser Frage nur Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitenden ein. Die Stichprobe besteht daher in diesem Teil nur aus Antworten von 549 Teilnehmenden. Die Regelungen wurden auf der individuellen Ebene, der Teamebene und der Organisationsebene auf einer Skala von 1 bis 7 abgefragt. Zusätzlich wurde gefragt, inwieweit Zeit für hybride Abstimmungen eingeplant wurde und ob Unternehmen Schulungen dazu angeboten haben. Der Großteil der Teilnehmenden gab an, dass es Regeln auf Organisationsebene gibt (M=5,3). Etwas weniger haben Regelungen auf der Teamebene (M=4,4) oder der Individualebene (M=4,13). Damit zeigt sich der Trend, dass die Regelungen von der Organisationsebene über die Teamebene bis hin zur individuellen Ebene stetig abnehmen. Noch weniger bestätigten die Teilnehmenden, dass die Mitarbeitenden Zeit für hybride Abstimmung zur Verfügung gestellt bekommen (M=3,6) oder Schulungen für hybrides Arbeiten (M=2,8) durchgeführt wurden. Doch die Zusammenhänge dieser Regelungen und Angebote sind gegenläufig mit der Leistung und Innovationskraft ( Abbildung 4).
Regeln auf Organisationsebene treten ohne relevante Zusammenhänge mit Leistung und Innovation auf. Teamregeln korrelieren schwach positiv und individuelle Regeln sind am stärksten positiv mit der Leistung und Innovation assoziiert. Sowohl die Zeit für hybride Abstimmung als auch die Schulungen hängen ebenfalls positiv mit Leistung und Innovation zusammen. Das ist ein großer und relevanter Widerspruch: Regelungen und Maßnahmen, die am stärksten im Zusammenhang mit Leistung und Innovation stehen, werden am wenigsten eingesetzt.
Homeoffice als Erfolgsfaktor
Die Daten des New-Work-Barometers 2024 zeigen, dass Homeoffice im DACH-Raum weiterhin eng mit dem Verständnis von New Work verknüpft ist. Wenn Unternehmen New-Work-Praktiken im Allgemeinen und Homeoffice im Besonderen auf den Prüfstand stellen, sollten sie sich daran orientieren, was wirklich auf Innovations- und Unternehmensleistung einzahlt. Die empirische Lage legt nahe: Auf der Individualebene überwiegen die Vorteile und auf der Teamebene die Nachteile. Die Daten auf der Organisationsebene sind noch vage. Sie deuten darauf hin, dass mehr Homeoffice zumindest leicht mit mehr Organisationsleistung, aber nicht mit mehr Innovationsleistung korreliert. Negative Effekte sind bisher nicht ersichtlich. Starre Regeln auf der Organisationsebene bringen wohl keine Vorteile. Regeln scheinen nicht schlecht, aber sie sollten besser auf den unteren Ebenen der Hierarchie entstehen. Teams und Individuen können besser einschätzen, welche Regeln zu ihrer Arbeitstätigkeit passen. Zudem sollten Unternehmen Menschen Zeit für die hybride Abstimmung gewähren und sie dazu schulen.
Die Heimarbeit im 19. Jahrhundert hat zu Protesten geführt und wurde abgeschafft. Nun entsteht eine neue Chance. Nutzen Unternehmen die Empirie zum Beispiel zur Vorbereitung von Mitarbeitenden und wird die Zusammenarbeit gut auf der Individual- und Teamebene ausgehandelt, dann kann Homeoffice im 21. Jahrhundert zu einem Erfolgsfaktor für Unternehmen und Mitarbeitende werden. Dafür bedarf es aber weniger Konfrontationen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden als vielmehr Vertrauen und einen langfristigen Lernprozess.
Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin 10/2024. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der Personalmagazin-App.
Zu den Autoren:
Carsten C. Schermuly ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der SRH Berlin University of Applied Sciences.
Carla Rinne arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der SRH Berlin University of Applied Sciences und der Charité - Universitätsmedizin Berlin.
Matthias Meifert ist Gründer und Geschäftsführer der Managementberatung HR Pepper.
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