Homeoffice bleibt eine produktive Arbeitsform

Die Debatte "Büropräsenz oder Home­office" reißt nicht ab. In diesem Beitrag geht es insbesondere um die Frage, wie sich Homeoffice auf personalwirtschaftliche Erfolgsgrößen auswirkt und welche positiven wie negativen Effekte es zu beachten gibt.

Die Diskussion um Vor- und Nachteile von Home­office gegenüber festen Büroarbeitsplätzen verläuft wellenförmig, aber immer hochemotional. Aktuell scheinen wieder die Gegner des Homeoffice die Meinungshoheit zu haben: Die Deutsche Bank beschränkte zuletzt die Homeoffice-Regelungen auf zwei Tage pro Woche (Reintjes, 2024). Sam Altman (Open AI) bezeichnet das Homeoffice als "schlimmsten Fehler" (Rheinische Post vom 9.5.2023) und Ex-Trigema-Chef Wolfgang Grupp beherrschte die Schlagzeilen mit dem Statement: "Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig" (Tagesspiegel vom 1.10.2023). Die gleichermaßen emotionale Gegenrede folgte jeweils sofort. 

Ähnlich polarisierend verlief die Diskussion auch schon Mitte der 1990er Jahre sowie um 2010. Damals gab zunächst Microsoft die Wahl des Arbeitsorts frei, kurz danach schaffte Yahoo das Homeoffice ab. 2015 widmeten wir dieser Thematik bereits einen Beitrag, wobei die damals vorliegende Evidenz für einen schwach positiven Effekt von Homeoffice auf Zufriedenheit, Bindung und Arbeitgeberattraktivität sprach, während substanzielle Produktivitätseffekte nicht nachweisbar waren (Biemann/Weckmüller, 2015). Der übergreifende positive Effekt wurde dabei wesentlich durch das Autonomieempfinden vermittelt. 

Homeoffice-Trend während der Corona-Pandemie

Während der Coronapandemie wurde die unternehmerische Entscheidungsfreiheit beschränkt, Homeoffice wurde (laut §28b Abs. 4 Infektionsschutzgesetz von Anfang an befristet)zur Pflicht und viele Beschäftigte und Unternehmen machten erstmals nachhaltige Erfahrungen mit dem Arbeiten außerhalb des Firmenbüros. Die Erfahrungen der Beschäftigten waren überwiegend so positiv, dass eine vollständige Rückkehr ins Büro nur für wenige vorstellbar war. Die Option, ortsunabhängig zu arbeiten, wurde zu einem wesentlichen Entscheidungskriterium bei der Arbeitgeberwahl (zum Beispiel Deloitte, 2022: 12). Die Personalforschung war ebenfalls nicht untätig, wodurch sowohl die Anzahl empirischer Studien zur Effektivität von Homeoffice substanziell zugenommen hat als auch deren Güte. So konnten vor der Pandemie beispielsweise häufig nur Unternehmen untersucht werden, die sich bewusst für Homeoffice entschieden hatten, was eine Überzeichnung der tatsächlichen positiven Effekte vermuten lässt. 

Vor diesem Hintergrund wollen wir die personalwirtschaftlichen Effekte von Homeoffice-Angeboten erneut zum Gegenstand machen und dabei insbesondere auf folgende Fragen eingehen: Wie wirkt Homeoffice auf personalwirtschaftliche Erfolgsgrößen und welche positiven wie negativen Effekte gilt es zu beachten? Ausgangspunkt sind insbesondere die Meta­analyse von Ravi S. Gajendran et al. (2024) und der qualitative Review von Charlotte E. Hall et al. (2024). 

Homeoffice-Angebote wirken schwach positiv auf personalwirtschaftliche Ergebnisgrößen

In der Metaanalyse von Ravi S. Gajendran et al. (2024) untersuchen die Autoren die Grundsatzfrage nach den Effekten von Homeoffice-Angeboten analog zur Vorgängerstudie aus dem Jahr 2007 (Gajendran/Harrison, 2007), allerdings mit einem deutlich größeren Datensatz, der insgesamt 110 Einzelstudien mit 45.288 Beschäftigten umfasst. Es zeigt sich ein insgesamt schwach positiver Zusammenhang zwischen der Nutzung von Homeoffice und der Arbeitszufriedenheit (r = 0,11) sowie der Produktivität auf Basis von Vorgesetzteneinschätzungen (r = 0,16). Die Kündigungsneigung ist negativ korreliert (r = - 0,09). Die Beziehungsqualität zu Kolleginnen und Kollegen (r = - 0,03) sowie Vorgesetzten (r = 0,07) wird durch Home­office-Nutzung kaum beeinflusst. Übergreifend können auf der Basis der umfassenderen Studienlage die bereits vorher bekannten schwach positiven Effekte bestätigt werden. (Die Autoren geben in der Studie eine andere Einschätzung bezüglich der Stabilität der Evidenz ab und sehen bei fünf der untersuchten Zusammenhänge eine Veränderung der Einschätzung gegenüber 2007 („different from prior meta-analysis“, Ravi S. Gajendran et al. (2024, S. 23, Table 7). Dabei handelt es sich allerdings nur um geringfügige Veränderungen der Korrelationen, und die Einschätzung basiert auf veränderten Aussagen zur statistischen Signifikanz.)

Darüber hinaus betrachten die Autoren die Intensität der Homeoffice-Nutzung. Dabei operationalisieren sie erstmals die Nutzungsintensität als metrisch skalierte Variable in Stunden pro Wochen. Diese Messung ist wesentlich feiner als die oben genutzte dichotome Differenzierung oder die bereits in Gajendran et al. (2007) genutzte Unterscheidung in 1-2 Tage Homeoffice versus 3-5 Tage. Die Zusammenhänge mit personalwirtschaftlichen Erfolgsgrößen sind in Abbildung 1 dargestellt. Übergreifend zeigen sich auch hier schwach positive Zusammenhänge mit den personalwirtschaftlichen Erfolgsgrößen Arbeitszufriedenheit (r = 0,09), Produktivität auf Basis der Vorgesetztenbeurteilung (r = 0,11), Beziehungsqualität zu Kolleginnen und Kollegen (r = - 0,01) beziehungsweise Vorgesetzten (r = 0,03) sowie die negative Korrelation mit Wechselneigung (r = - 0,11).

Abb. 1: Korrelation zwischen Homeoffice-Intensität und personalwirtschaftlichen Erfolgsgrößen

Homeoffice zwischen Autonomie und Isolation

Insgesamt scheint somit die Homeoffice-Nutzung nur sehr geringe Auswirkungen zu haben und der zum Teil heftige Schlagabtausch in den Medien ist auf Basis der Studienlage zunächst kaum nachvollziehbar. Die aggregierte Sicht verschleiert allerdings unter Umständen die sich gegenseitig neutralisierenden positiven und negativen Effekte. Es ist sicherlich unbestritten, dass die Homeoffice-Nutzung nicht nur Vorteile oder nur Nachteile bringt. In empirischen Studien zeigte sich, dass hier die positive Wirkung auf die empfundene Autonomie und die negative Wirkung auf die empfundene Isolation besonders relevant sind. Entsprechend konstruieren Gajendran et al. (2024) ein differenziertes Modell, das diese beiden Wirkungsmechanismen berücksichtigt und damit den Gesamteffekt zerlegen kann. Dabei zeigt sich, dass die Arbeit im Homeoffice gleichermaßen die empfundene Autonomie und die empfundene Isolation beeinflusst. Von diesen beiden Größen ergeben sich dann mittelstarke Effekte auf die Produktivität (siehe Abb. 2). Interessanterweise neutralisieren sich diese beiden Effekte nahezu vollständig. 

Abb. 2: Gesamtmodell der Wirkung von Homeoffice

Dieser differenzierte Befund ist aus zwei Gründen für die praktische Personalarbeit relevant. Zum einen erklärt sich die Frontenbildung in der öffentlichen Diskussion: Jede Gruppe fokussiert auf jeweils einen Effekt und ignoriert den anderen Effekt. Das tatsächliche Gesamtbild ergibt sich aber erst aus der Zusammenführung der beiden komplementären Aspekte. Zum anderen ergeben sich unmittelbar Handlungsempfehlungen für die betriebliche Personalarbeit, die im vorderen Teil der Wirkungskette ansetzen müssen: Um das volle Potenzial von Homeoffice zu heben, müssen Unternehmen einerseits die Autonomie der Beschäftigten erhöhen, zum Beispiel indem die Entscheidungshoheit über die Wahl der Homeoffice-Nutzung an die Beschäftigten delegiert wird. Zum anderen sollten Routinen eingeführt werden, die der empfundenen Isolation entgegenwirken. Dies können zum Beispiel die konsequente Durchführung regelmäßiger Teammeetings, bewusst gesetzte Erfolgsfeiern in Präsenz oder die kontinuierliche Kommunikation innerhalb eines Teams durch virtuelle Meetings statt unpersönlicher E-Mails sein.

Kein "One-size-fits-all" für Homeoffice-Angebote

Wie anfangs erwähnt hat die Personalforschung während und nach der Pandemie viele Studien zur Wirksamkeit von Home­office produziert. 

Basierend auf dieser inzwischen sehr umfangreichen Literatur haben C. E. Hall und Kollegen (2024) ein sogenanntes Umbrella-Review durchgeführt. Diese Methode bietet eine Evidenzsynthese durch die Zusammenfassung von wissenschaftlichen Review-Artikeln zu einer bestimmen Fragestellung, wobei im Gegensatz zur oben zitierten quantitativen Metaanalyse die Ergebnisse qualitativ zusammengefasst werden. Von 1.930 gesichteten Artikeln haben die Autorinnen und Autoren durch ein Auswahlverfahren sechs Literaturarbeiten ("literature reviews") zum Thema Homeoffice selektiert und deren Ergebnisse zusammengefasst. Insgesamt konnten die Autoren 19 Themen identifizieren, welche die Bereiche Arbeitsumfeld (zum Beispiel Arbeitsplatzgestaltung, Raumbedingungen), persönliche Auswirkungen (zum Beispiel Zufriedenheit, Auswirkungen auf die Karriere) und Gesundheit (zum Beispiel körperliche Gesundheit, Wohlbefinden) abdecken. 

Zur Mehrzahl der behandelten Themen finden die Autorinnen und Autoren in der Literatur keine klar in eine Richtung gehenden Forschungsergebnisse, sondern oftmals einige Studien mit positiven, andere mit negativen Effekten. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Homeoffice ein Arbeitsmodell ist, dessen Auswirkungen aufgrund individueller Umstände und organisationaler Kontextfaktoren von Mensch zu Mensch und von Job zu Job sehr unterschiedlich sein können. Die Autoren kommen deshalb zum Schluss, dass ein "One-size-fits-all"-Ansatz für die Implementierung von Homeoffice nicht zielführend sei. Stattdessen ist es für Mitarbeitende, Führungskräfte und Organisationen wichtig, bei Homeoffice-Richtlinien Freiheitsgrade bei der Umsetzung zu erlauben. 

Mit Blick auf die Produktivität präsentieren die gesichteten Artikel gemischte Ergebnisse. In der Tendenz kann Home­office die Produktivität verbessern, wobei Implementierungs­prozesse und HR-Praktiken diese Beziehung moderieren. Auch die Art der Arbeitsaufgabe hat eine moderierende Rolle. Während sich Homeoffice positiv auf die Produktivität bei kreativen Aufgaben auswirken kann, wirkt es sich negativ auf die Produktivität bei als langweilig empfundenen Aufgaben aus.  Darüber hinaus identifizieren die Autoren die persönliche Lebens­situation als weiteren Moderator. So beobachten sie eine negative Beziehung zwischen Homeoffice und Produktivität, wenn der Arbeitnehmer zusätzliche außerberufliche Verpflichtungen hat, wie beispielsweise Kindererziehung. Auf die Kar­riere­entwicklung kann sich Homeoffice negativ auswirken. Die negativen Effekte, wie die soziale Isolierung, scheinen aber erst ab einer höheren Intensität von Homeoffice (etwa mehr als drei Tage pro Woche) zu überwiegen. Diese Ergebnisse decken sich mit denen vorheriger Studien, wie zum Beispiel J. W. Park et al. (2023), die eine nicht-lineare Beziehung zwischen der Nutzung von Homeoffice und Arbeitsergebnissen beobachten. Zusammengenommen deuten diese Erkenntnisse auf eine Vielzahl kleiner bis mittelstarker direkter und moderierter Effekte von Homeoffice auf verschiedene Ergebnisgrößen hin und zeichnen ein komplexes Bild relevanter Wirkzusammenhänge.  

Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen

  • Aus der aktuellen Forschung lässt sich ein nuanciertes Bild der Auswirkungen von Homeoffice ableiten, welches nur in Grundzügen der öffentlichen Debatte mit ihren verhärteten Fronten entspricht.
  • Im Durchschnitt sind Homeoffice-Angebote schwach positiv mit personalwirtschaftlichen Ergebnisgrößen korreliert. 
  • Personalverantwortliche sollten die Flexibilität in der Organisation in Bezug auf Homeoffice aufrechterhalten und die individuelle Lebenssituation wie auch die spezifischen Anforderungen der Stellen berücksichtigen. Dies betrifft insbesondere die Intensität der Homeoffice-Nutzung. 
  • Die Einführung von Homeoffice sollte durch Unterstützungsinstrumente begleitet werden. Dies kann in Form von Schulungen zur Bewältigung der mit Homeoffice verbundenen Herausforderungen (Stress, Konflikt zwischen Arbeit und Familie) geschehen. Des Weiteren sind Maßnahmen angebracht, welche die Isolierungsgefahr reduzieren, beispielsweise Veranstaltungen zur Sozialisierung oder durch das Team festgelegte Präsenztage.

Autoren: Prof. Dr. Heiko Weckmüller (Hochschule Koblenz), Daniel Lourenco (Universität Mannheim) und Prof. Dr. Torsten Biemann (Universität Mannheim)

Dieser Beitrag ist erschienen im Wissenschaftsjournal PERSONALquarterly 3/2024 mit dem Schwerpunktthema "Strategische Personalplanung".

Literatur: 

Biemann, T./Weckmüller, H. (2015): Effektives Arbeiten, wann und wo man will? Personalquarterly 2(67): 46-49.

Deloitte (2022): Arbeit im Wandel: Hybrid Work, Workation und das Büro der Zukunft. https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/at/Documents/human-capital/flexible-working-studie-2022.pdf (zuletzt abgerufen am 18.4.2024).

Gajendran, R. S./Harrison, D. A. (2007): The Good, the Bad, and the Unknown about Telecommuting: Meta-analysis of Psychological Mediators and Individual Consequences. Journal of Applied Psychology, 92(6): 1524-1541.

Gajendran, R. S./Ponnapalli, A. R./Wang, C./Javalagi, A. A. (2024): A Dual Pathway Model of Remote Work Intensity: A Meta-analysis of its Simultaneous Positive and Negative Effects. Personnel Psychology. Online first.

Hall, C. E./Brooks, S. K./Mills, F./Greenberg, N./Weston, D. (2024): Experiences of Working from Home: Umbrella Review. Journal of Occupational Health, 66(1): 1-11. Online first 14.12.2023.

Park, J. W./Park, S./Cho, Y. J. (2023): More isn’t Always Better: Exploring the Curvilinear Effects of Telework. International Public Management Journal, 26(5): 744-763.

Reintjes, Dominik (2024): Schluss mit der Bevormundung bei der Arbeitsplatz-Wahl! Wirtschaftswoche vom 1.3.2024 https://www.wiwo.de/erfolg/management/bueropflicht-vs-homeoffice-schluss-mit-der-bevormundung-bei-der-arbeitsplatz-wahl/29679176.html (zuletzt abgerufen am 18.4.2024).

Rheinische Post (2023): Das Experiment ist vorbei – OpenAI-Chef rechnet mit Homeoffice ab. https://rp-online.de/wirtschaft/arbeit/openai-sam-altman-kritisiert-homeoffice-als-schlimmsten-fehler_aid-89957283 (zuletzt abgerufen am 18.4.2023).

Tagesspiegel (2023): Trigema-Chef Grupp im Gespräch https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/trigema-chef-grupp-im-gesprach-wenn-einer-im-homeoffice-arbeiten-kann-ist-er-unwichtig-10555318.html (zuletzt abgerufen am 18.4.2024).


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