Homeoffice-Studie: Gefahren einer Präsenzpflicht

Immer mehr Unternehmen holen ihre Mitarbeitenden ins Büro zurück – so liest man zumindest häufig. Doch noch lässt sich kein Trend zu einer verpflichtenden Rückkehr ins Büro beobachten, wie die aktuelle Befragungswelle der Konstanzer Homeoffice-Studie zeigt. Das könnte sich künftig jedoch ändern. Die Studie untersucht unter anderem, wie sich eine Präsenzpflicht auf die Belegschaft auswirkt.

Seit März 2020 untersucht unser Forschungsteam in der Konstanzer Homeoffice-Studie, wie sich das mobile Arbeiten in Deutschland entwickelt. Die Datengrundlage basiert auf einer für die deutsche Erwerbsbevölkerung in Bezug auf Alter und Geschlecht repräsentativen Stichprobe für Beschäftigte, deren Aufgaben potenziell vom Homeoffice aus erledigt werden können. Alle Informationen und Studienergebnisse finden Sie auf der Studienhomepage. Die in diesem Beitrag vorgestellten Ergebnisse stammen aus der neuesten Studienbefragung vom April 2024, an der 1.023 Personen teilgenommen haben.

Präsenzpflicht am Arbeitsplatz: noch kein Trend erkennbar

Zunächst machen die aktuellen Befragungszahlen deutlich, dass eine Rückkehr zur Präsenzpflicht noch nicht sehr verbreitet ist: Nur 22 Prozent der Befragten berichten, dass bei ihrem Arbeitgeber in vergangener Zeit eine verstärkte Präsenzpflicht eingeführt wurde. Bei 78 Prozent ist dies dagegen nicht der Fall. Anders als die öffentliche Debatte zu dem Thema vermuten lässt, gibt es also offenbar noch keinen generellen Trend zu einer stärkeren Präsenzpflicht in deutschen Unternehmen. Es wird in den kommenden Monaten zu beobachten sein, ob mittlere und kleinere Betriebe die öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen einiger Großunternehmen nachahmen und ihre Belegschaft wieder verstärkt ins Büro zurückbeordern.

Büropflicht führt zu mehr Erschöpfung

Zusätzlich untersuchten wir in unserer Studie, wie Mitarbeitende ihre eigene Leistungsfähigkeit und emotionale Erschöpfung einschätzen, wenn eine Präsenzpflicht eingeführt wurde. Es zeigte sich, dass sich Mitarbeitende mit Präsenzpflicht nur unwesentlich produktiver einschätzen als Mitarbeitende ohne Präsenzpflicht (drei Prozent mehr). Sehr viel deutlicher ist die Differenz bei den Einschätzungen zur emotionalen Erschöpfung: Beschäftigte mit Präsenzpflicht fühlen sich fast doppelt so häufig erschöpft (38 Prozent) wie jene ohne Präsenzpflicht (21 Prozent). Ursächlich dafür könnte sein, dass Beschäftigte mehr Zeit zum Pendeln aufbringen müssen, wenn eine Präsenzpflicht eingeführt wurde; oder auch, dass sie das Berufs- und Privatleben weniger nach den eigenen Bedürfnissen organisieren können.

Konstanzer Homeoffice-Studie 2024: Auswirkungen einer Präsenzpflicht

Verstöße gegen Präsenzpflicht bleiben oft ohne Konsequenzen

Schließlich haben wir die 22 Prozent der Studienteilnehmenden mit einer zunehmenden Präsenzpflicht danach befragt, was in ihrer Organisation passiert, wenn diese Präsenzpflicht von den Mitarbeitenden nicht eingehalten wird. Unter der Möglichkeit der Mehrfachnennung berichtet ein Viertel der Befragten, dass es keinerlei Konsequenzen gebe. Etwas über der Hälfte (56 Prozent) berichtet, dass sie durch ihre Führungskraft mündlich ermahnt würden. Von härteren Konsequenzen wie einer offiziellen Abmahnung (22 Prozent), Kürzung von Bezahlung (13 Prozent) oder sogar einer Kündigung (8 Prozent) berichten deutlich weniger Beschäftigte.

Flexible Homeoffice-Regelungen statt starrer Büropflicht

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Eine umfassende Rückkehrpflicht zur Präsenzarbeit ist nach unseren Daten noch nicht erkennbar. Wo dies schon stattfindet, ist die subjektive Produktivität nur geringfügig erhöht, wohingegen sich die empfundene Belastung der Beschäftigten deutlich steigert. Mittel- und langfristig ist zu befürchten, dass die Produktivität bei Unternehmen mit einer rigiden Rückkehrpflicht durch die gesteigerte Belastung sinkt und sich Mitarbeitende nach alternativen Stellen auf dem Arbeitsmarkt umsehen.

Auch ist fraglich, ob starre Präsenzregelungen den sehr unterschiedlichen Tätigkeitsprofilen, gerade in großen Organisationen, gerecht werden. Hier sind Arbeitsmodelle sinnvoller, die der Arbeitssituation des Teams gerecht werden. Das heißt: mehr Präsenz bei Aufgaben, die viel soziale Interaktion erfordern; weniger Präsenz bei stark individualisierten Tätigkeiten. Außerdem ist Führungskräften zu empfehlen, die Arbeitsmodelle im partizipativen Austausch mit den Teammitgliedern zu bestimmen.


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