Der Weg ins Büro muss sich lohnen
Derzeit liegt der Fokus in der Debatte um die Arbeitgeberattraktivität vor allem auf der Frage, wie Unternehmen die Flexibilität bezüglich der Arbeitszeit und des Arbeitsorts handhaben. Studienergebnisse entlarven die Sorge, dass hybride Arbeit die Performanz der Mitarbeitenden leiden lässt, als meist unbegründet. In Bezug auf die Innovationskraft kommen Untersuchungen zu unterschiedlichen Bewertungen, möglicherweise wird hier noch von vor-pandemischen Entwicklungen gezehrt. Jedoch lässt sich eine gewisse subjektive Innovationsmüdigkeit erkennen. Darüber hinaus zeichnen sich Entwicklungen ab, die langfristig problematisch werden können: So hat bei manchen Beschäftigten die emotionale Bindung an den Arbeitgeber zugenommen, bei anderen Personen wurde die emotionale Bindung jedoch schwächer.
Ähnliche Effekte lassen sich auch bei der Entwicklung der Beziehungen zu Kollegen und Kolleginnen sowie im Hinblick auf die Informiertheit feststellen. Vor allem die losen Kontakte zu anderen, das heißt Verbindungen mit Menschen, mit denen man nur sporadisch zu tun hat, haben durch die Virtualität gelitten. Daher werden zwar hybride Arbeitsformen und die individuellen Freiheiten von den Mitarbeitenden gewünscht und aus Wettbewerbs- und Attraktivitätsgründen von Arbeitgebern erwartet, andererseits werden damit aber Effekte gefördert, die möglicherweise kontraproduktiv sind und gegen Bindung und langfristige Innovationsfähigkeit arbeiten. Es muss daher eine gesunde Mischung aus mobiler Arbeit und Arbeit am Arbeitsplatz vor Ort realisiert werden.
Büro- und Arbeitsplatzkonzept als Teil der HR-Strategie
Die Abwechslung von mobiler Arbeit und Anwesenheit im Büro ist nicht mit Zwang umzusetzen. Es können Vorgaben gemacht werden, beispielsweise bezüglich einer Obergrenze an mobiler Arbeit pro Woche oder pro Monat; aber es muss auch auf die Freiwilligkeit der Mitarbeitenden gesetzt werden, sich aktiv für das Büro als Arbeitsort zu entscheiden. Daher ist die Frage: "Welche Büros, welche Räume und Flächen brauchen wir in Zukunft, damit das Büro als attraktiver Arbeitsort wahrgenommen wird und Mitarbeitende dort freiwillig arbeiten?"
Ein Büro- und Arbeitsplatzkonzept muss in eine gesamthafte HR-Strategie inkludiert werden. Das Büro kann für Mitarbeitende attraktiv sein, wenn es eine Reihe von Merkmalen und Annehmlichkeiten bietet, die das Arbeitsumfeld ansprechend und produktiv gestalten. Dafür sind vor allem drei Rahmenbedingungen wichtig: die physische Arbeitsumgebung, die Technologie und die Führungs- und Organisationskultur. Vor der Pandemie war in der Regel klar, wo der Arbeitsplatz ist. Heute wird der Arbeitsort individuell und tagesaktuell entschieden. Für alle individuellen Wünsche und Anforderungen muss das Büro zukünftig eine maximale Vielfalt bieten.
Reine Open-Space-Konzepte funktionieren nicht mehr
Bei den verschiedenen Überlegungen der Unternehmen, wie zukünftig Bürostrukturen aussehen sollten, wird häufig auf Konzepte zurückgegriffen, die unmittelbar vor der Pandemie als zukunftsfähig galten. Das waren vorwiegend flexibel genutzte, oft sehr offene und teilweise mit viel Arbeitsplätzen auf wenig Raum verdichtete Konzepte, häufig mit wenig Rückzugsoptionen. Diese sogenannten Multispaces wurden offen geplant, um vor allem die Kommunikation unter den Mitarbeitenden zu fördern. Direkter Blickkontakt sowie offene Flächen erhöhen die Wahrscheinlichkeit der spontanen und persönlichen Kommunikation bei Begegnungen oder die physische Kommunikation, statt anzurufen, eine Chatnachricht oder eine E-Mail zu schreiben.
Diese vor-pandemischen Konzepte werden für die aktuelle Zeit in eine Richtung weiterentwickelt, bei der die Anzahl an klassischen Arbeitsplätzen in offen gehaltenen Raumzonen etwas reduziert und die so gewonnenen Flächen für unterschiedliche (Kreativ-)Workshop-Flächen und soziale Begegnungen ausgebaut werden. Die Ansicht, dass die Menschen sich im Büro nur noch zum gemeinsamen kreativen Austausch oder zur intensiven Zusammenarbeit treffen und daheim die konzentrative Einzelarbeit erledigen, ist jedoch zu kurz gedacht. Die Arbeit lässt sich kaum so strukturieren, dass sich festgelegte Tage des fokussierten Arbeitens oder der Teilnahme an Videokonferenzen bündeln lassen. Außerdem gibt es, in Abhängigkeit von Lebensphase, familiärer Situation, der eigenen Arbeitsweise, dem persönlichen Charakter oder auch der aktuellen Tagesform und -laune, individuelle Gründe, ins Büro zu kommen oder vom heimischen Büro aus zu arbeiten.
Anforderungen an das neue Büro
In hybrid arbeitenden Unternehmen ist also ebenso wichtig, dass auch im Büro konzentriert und fokussiert gearbeitet werden kann. Büroflächen müssen zukünftig vielmehr individuellen Wünschen gerecht werden und sich dabei an unterschiedlichen Organisationsmodellen ausrichten, um diese Modelle sowie die Mitarbeiterwünsche optimal zu unterstützen. Vor allem die Vielfältigkeit und Flexibilität der Arbeitsumgebung mit vielfältigen Arbeitsbereichen und -möglichkeiten ist von grundlegender Bedeutung, um den unterschiedlichen Bedürfnissen (Konzentration, Kommunikation, Kreativität) sowie individuellen Vorlieben gerecht zu werden.
Ziel für postpandemische Büros in der hybriden Arbeitswelt ist es, im Büro eine kritische Masse an Menschen zu versammeln, damit sich der Weg dorthin lohnt. Menschen kommen wegen anderen Menschen ins Büro, Angebote für spontanen Austausch und eine Umgebung für Teamarbeit machen den Weg ins Büro lohnenswert. Auch das Erleben des Teamspirits und die Vernetzung mit den Kollegen sind häufige Gründe für das Arbeiten im Büro. Zugleich steht aber die Befürchtung, sich im Büro nicht ausreichend gut konzentrieren zu können, ganz oben auf der Liste der Hemmnisse, sogar noch vor dem Hemmnis eines langen Arbeitswegs.
Arbeit lässt sich kaum so strukturieren, dass sich festgelegte Tage des fokussierten Arbeitens oder der Teilnahme an Videokonferenzen bündeln lassen.
Eine wichtige Rolle für den Erfolg der Arbeitsplatzstrategie spielt die Zufriedenheit der Mitarbeitenden mit der Büroumgebung. Die Zufriedenheit mit der Arbeitsumgebung wird durch die Zufriedenheit mit der Möblierung, einer guten akustischen Situation und Rückzugsmöglichkeiten für konzentriertes Arbeiten positiv beeinflusst. Aber auch Erholungsmöglichkeiten und die Vielfalt an und Verfügbarkeit von Besprechungsmöglichkeiten sind positiv für die Zufriedenheit. Negativen Einfluss hat ein zu geringer räumlicher Abstand zu anderen Personen. Für die Struktur eines Büros bedeutet dies, dass man nicht nur flexible Flächen für unterschiedliche Workshop-Formate und den Austausch mit Kollegen und Kolleginnen vorhalten kann, sondern auch ausreichend Rückzugsmöglichkeiten für individuelle Videokonferenzen und fokussiertes Arbeiten realisieren muss.
Nutzungskonzepte: hybrid, aber nicht beliebig
All diese Entwicklungen werden zur Folge haben, dass die starre Zuordnung von Mitarbeitenden aufgegeben wird und man im Büro genauso auf Mitarbeitende aus anderen Bereichen trifft. Deswegen steht vor allem Flexibilität bei den Nutzungskonzepten in Zukunft im Vordergrund. Viele Beschäftigte sind bereit, auf einen persönlich zugeordneten Arbeitsplatz zu verzichten, wenn dafür die mobile Arbeit ausgeweitet wird. Hier ist jedoch Vorsicht geboten: Konzepte zum sogenannten Desksharing müssen gut durchdacht und kommuniziert eingeführt und die Veränderung begleitet werden. Mithilfe dieser Flexibilität in der Zuordnung der Arbeitsflächen können auch die prognostizierten Auslastungsunterschiede (insbesondere Montag und Freitag, Schulferienzeiten) aufgefangen werden. Einerseits kann durch eine genau durchgerechnete Desksharing-Quote die Fläche so gestaltet werden, dass kein Platz durch zu viele Einzelarbeitsschreibtische verschwendet wird. Andererseits kann durch eine Auflösung oder Reduzierung der Heimatbereiche, also der Zuordnung von Abteilungen zu Flächen, eine noch bessere Verteilung ermöglicht werden.
Diese effizientere und passgenauere Verteilung der Mitarbeitenden auf die Flächen kann auch dafür sorgen, dass Teile der Büroflächen nicht mehr benötigt werden. Dadurch müssen auch weniger Betriebskosten aufgewendet werden, das kann insgesamt zu einem nachhaltigeren Unternehmen beitragen. Nachhaltige Bürogebäude sind bereits seit einiger Zeit ein wichtiges Auswahlkriterium für neue Anmietungen oder den Umbau zu energieeffizienteren Gebäuden. Einerseits sind hier gesetzliche Rahmenbedingungen und der Marktdruck dafür verantwortlich, auf der anderen Seite gibt es auch von Seiten der Arbeitnehmenden die Nachfrage, welchen Beitrag der Arbeitgeber zu ökologischen Zielen leistet. Nachhaltige und grüne Büroumgebungen haben nachweislich einen positiven Einfluss auf die Leistung, Motivation und Zufriedenheit von Mitarbeitenden und fördern Produktivität und Resilienz.
Teamfindung und Austausch im Büro steuern
Neben diesen Erfolgsfaktoren auf individueller Ebene gibt es auch Erfolgsfaktoren für die Zusammenarbeit in Teams. Informelle Treffpunkte und Möglichkeiten, sich geplant zu treffen, wirken sich positiv auf die Qualität der Teamarbeit und Teamperformance aus. Weiterhin beeinflussen die Möglichkeiten, Informationen und Ideen zu visualisieren, sowie die spontane Verfügbarkeit von Teamarbeitsflächen die Qualität und Performance von Teamarbeit ebenfalls positiv. Für die Qualität der Teamarbeit ist zudem auch die Möglichkeit, unkompliziert zwischen Einzel- und Gruppenarbeit wechseln zu können, wichtig. Diese Faktoren gilt es für die hybride Zusammenarbeit in Besprechungs- oder Workshop-Situationen und die entsprechende Ausstattung von Räumen zu berücksichtigen.
Rund um das Ökosystem Büro eröffnen sich neue Möglichkeiten für Unternehmen, ihren Mitarbeitenden einen Mehrwert und spannende Erlebnisse zu bieten und mit zusätzlichen Services einen Beitrag zur Arbeitgeberattraktivität zu leisten. Das Büro als attraktiver Arbeitsort kann neue Funktionen und Bausteine bereithalten, die individuelle Vorlieben der Mitarbeitenden für eine Arbeitsumgebung abdecken und die Vorteile des Homeoffice idealerweise ausgleichen. Ein Bereich ist hier die gastronomische Verpflegung. Die Versorgung mit Mittagessen im Homeoffice ist meistens schlechter und zeitaufwendiger als im Büro. Dies zeigt im Umkehrschluss, dass die Essensversorgung ein Attraktor für die Nutzung des Büros sein kann. In der Praxis müssen sich die vielen verschiedenen Services, die Beschäftigte mit Sicherheit begrüßen, jedoch ökonomisch rechnen lassen – eine Nutzung durch viele Mitarbeitende sollte also sichergestellt sein.
Systeme zur Arbeitsplatzbuchung als Kernelement
Unternehmen sollten nicht nur in die Büroumgebungen, sondern auch in moderne Technologie und Ausstattung investieren, um den Mitarbeitenden effizientes Arbeiten zu ermöglichen. Dies umfasst die Bereitstellung von leistungsfähigen Computern, Software und Kommunikationstechnologien sowie den Zugang zu modernen Arbeitswerkzeugen und -anwendungen. Der zunehmende Einsatz von digitaler Ausstattung bietet gleichzeitig eine weitere Chance für Unternehmen, ihre Büros als soziale Orte zu gestalten. Den Kontakt und Austausch unter den Mitarbeitenden zu steuern, wird zukünftig eine der zentralen Aufgaben einer Personalstrategie werden. Unterstützung können dabei intelligente digitale-soziale Raum- und Arbeitsplatzbuchungssysteme liefern. Diese stellen zum einen sicher, dass im Büro die gewünschten oder erforderlichen Räume verfügbar sind, zum anderen können solche Systeme eine soziale Komponente übernehmen.
Kernfunktionen solcher Tools sind meist die Buchung von Arbeitsplätzen und Räumen sowie die Messung der Arbeitsplatzauslastung. Dadurch kann die Auslastung und Effizienz der Flächen gesteuert werden, indem die gewonnenen Erkenntnisse aus den Kennzahlen für eine bedarfsgerechte Gestaltung der Flächen genutzt werden. Solche digitalen-sozialen Buchungssysteme könnten zusätzlich durch entsprechende Funktionalitäten beispielsweise dazu beitragen, anwesende Personen an nutzungsarmen Tagen räumlich zusammenzuführen, um informelle und zufällige Begegnungen zu provozieren. Zudem können sie die Zusammenarbeit und Begegnung von Teammitgliedern fördern, indem die gebuchten Arbeitsplätze mit Namen angezeigt werden, und sich somit die Kolleginnen und Kollegen untereinander schneller finden. Wenn die Vernetzung und Zugehörigkeit von Mitarbeitenden gefördert werden soll, können Kolleginnen und Kollegen benachrichtigt werden, sobald Teammitglieder planen, ins Büro zu gehen.
Das bedeutet, dass entsprechende Systeme über Funktionen verfügen können, die auf die geplante Anwesenheit von anderen Personen aufmerksam machen und dadurch Mitarbeitenden den Impuls geben, sich selbst ins Büro zu begeben. Mitarbeitende wünschen sich von solchen Buchungssystemen die Funktionen "Wissen, wer wann aus dem Team im Büro sein wird" und "Kollegen finden". Damit sind zwei soziale Funktionalitäten an der Spitze der gewünschten Funktionen, vor logistischen Funktionen wie "Arbeitsplatz buchen". Mithilfe von sogenanntem Nudging, also kleinen subtilen Anstößen, können über solche Apps auch Verhaltensweisen für nachhaltigeres Handeln angestoßen werden.
Neue Führungskompetenzen für eine veränderte Organisationskultur
Aber nicht nur digitale Systeme müssen die Organisation des Zusammenarbeitens und des Miteinanders unterstützen. Es werden neue Führungskompetenzen und eine veränderte Organisationskultur gefragt. Führungsarbeit wird anspruchsvoller, zeitintensiver, und sieht sich mit Mitarbeitenden konfrontiert, die nicht mehr ohne Weiteres traditionelle Führungsprinzipien akzeptieren. Durch die Pandemiezeit haben Mitarbeitende die Erfahrung gewinnen können, dass mehr Selbstorganisation und -verantwortung nötig und möglich sind. Es ergibt sich ein breites und anspruchsvolles Anforderungsportfolio für Führungskräfte: Führungskräfte sollen die Mitarbeitenden motivieren, zur Innovation anhalten, Sicherheit geben und gleichzeitig Veränderungsfähigkeit garantieren. Führungskräfte sind verantwortlich für Arbeitseinsätze und Performance-Kontrolle. Sie sollen der Selbstorganisation der Mitarbeitenden Raum lassen, über Distanz führen, weitgehenden Flexibilisierungswünschen in Bezug auf Arbeitsort und -zeit entgegenkommen und dennoch robuste, leistungsfähige Teams formen und weiterentwickeln. Daraus ergeben sich neue Führungskompetenzen. Die wichtigsten Führungskompetenzen sind vor allem "Vertrauen schenken und zurückerhalten", "empathisch und wertschätzend führen" und "Veränderungen meistern und Mitarbeitende motivieren". Der Gegenpart zu Vertrauen, "kontrollieren und entscheiden", also eine der klassischen Kernaufgaben von Führung, hat deutlich an Bedeutung verloren. Als Rollen kann man also zusammenfassen, dass Führungskräfte vor allem Veränderungsbegleiter, Entwicklungsbegleiter der Mitarbeitenden, Orientierungsgeber und als kommunikativer Knotenpunkt oder Vernetzer zwischen Kollegen und Abteilungen sein sollen.
Unternehmen können eine Entwicklung hin zu einem neuen Führungskonzept und -verständnis begleiten und fördern, indem sie verstärkt auf den Ausbau von Soft Skills bei Führungskräften setzen und gleichzeitig den organisatorischen und kompetenzseitigen Rahmen auf Seiten der Mitarbeitenden schaffen, der mehr Selbstorganisation und Selbstverantwortung ermöglicht, aber auch einfordert.
Es empfiehlt sich, die genannten Themen nicht allein, sondern gesamtheitlich zu denken und aufeinander entlang der Personal- und Unternehmensstrategie abzustimmen. Dabei müssen viele Faktoren auf Organisations-, Team- und Individualebene berücksichtigt werden. Insbesondere die Ausgestaltung der formalen Regelungen bezüglich des Umfangs der mobilen Arbeit sowie die Unternehmens- und Teamkultur sind wichtige Faktoren, deren Wechselwirkungen mit der physischen Arbeitsumgebung festzulegen sind. Diese Regelungen sollten gemeinsam mit unternehmensinternen wie externen Experten analysiert und ausgearbeitet werden, um anschließend Handlungsempfehlungen und konkrete Maßnahmen abzuleiten.
Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin Ausgabe 6/2024. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der Personalmagazin-App.
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