Mitarbeiter im Homeoffice befürchten einen Karriereknick
Die im März von der Bundesregierung verhängten Kontaktbeschränkungen haben zu einer massiven Verlagerung vom Büro ins Homeoffice geführt. Wie die Angestellten mit dem neuen Arbeitsumfeld bisher zurechtkommen und wie sich die Heimarbeit auf die Gesundheit der Belegschaft auswirkt, untersuchten die mhplus-Krankenkasse und die SDK Süddeutsche Krankenversicherung in der gemeinsamen Studie "Gesundes Homeoffice". Mehr als 1.500 Arbeitnehmer wurden dafür Mitte April 2020 befragt. Jeder Fünfte der Befragten ist während der Corona-Krise erstmals im Homeoffice tätig, gut jeder Dritte arbeitete schon vor der Pandemie zumindest gelegentlich am heimischen Schreibtisch.
Insgesamt lässt sich ein positives Zwischenfazit ziehen, so die Studienautoren Sarah Löder von der mhplus-Krankenkasse und Oliver Schwab von der SDK. Von den Befragten, die zum Zeitpunkt der Studie im Homeoffice saßen, arbeiten 65 Prozent lieber zuhause als im Büro. Und je mehr Erfahrung die Heimarbeiter haben, desto zufriedener sind sie: 72 Prozent derjenigen, die schon vor Corona zuhause arbeiteten, finden dieses Set-up besser als ihren offiziellen Arbeitsplatz, verglichen mit 54 Prozent bei den Homeoffice-Neulingen.
Studie zeigt: Homeoffice ist ideal für konzentriertes Arbeiten
Werden Ruhe und Konzentration verlangt, bevorzugen die Studienteilnehmer klar das Homeoffice. Ungestört von akustischen oder sozialen "Nebengeräuschen" im Büro fallen vor allem kreative Aufgaben in den eigenen vier Wänden leichter als in der Firma. 57 Prozent können nach eigenen Angaben zuhause besser kreativ arbeiten, im Büro sind es nur 18 Prozent. An beiden Orten erfolgreich schöpferisch unterwegs ist ein Viertel der Befragten. Und auch für planerische Aufgaben hat sich das Arbeitszimmer zuhause als bessere Alternative herausgestellt.
Führungsaufgaben und Besprechungen sehen die Befragten allerdings immer noch besser in der Firma als im Homeoffice aufgehoben – trotz der vielerorts steilen Lernkurve bei Videokonferenzen. Mit diesen neuen Erfahrungswerten sollten viele Angestellte gemeinsam mit ihrem Arbeitgeber auch für die Zeit nach der Corona-Pandemie eine für beide Seiten sinnvolle und zielführende Arbeitsplatzregelung anstreben.
Wird das Homeoffice zur Karrierebremse?
Dem richtig dosierten Einsatz des Homeoffice stehen allerdings auch noch einige Sorgen entgegen. So gehen 41 Prozent der befragten Homeworker davon aus, dass sich regelmäßiges Arbeiten im Homeoffice in ihrem Unternehmen nachteilig auf die Karriere auswirke. Losgelöst vom Flurfunk ist es offenbar schwer, Netzwerke zu pflegen und sich außerhalb seines direkten Aufgabenbereichs einzubringen.
Ein Grund für die gedämpften Karriereerwartungen: Die Produktivität im Homeoffice wird von jedem zweiten Befragten als Schwachpunkt eingestuft. Dabei gibt es aber einen deutlichen Unterschied, ob jemand bereits Erfahrung als Telearbeiter sammeln konnte oder nicht. Knapp 60 Prozent derjenigen, die noch nie oder erst zur Corona-Krise im Homeoffice saßen, gehen davon aus, dass die Arbeit im Büro produktiver sei. Bei denjenigen, die bereits längere Zeit zuhause arbeiteten, sind es nur 44 Prozent.
Homeoffice: Mehr Information und Schulung notwendig
Diese Vorbehalte von Seiten der Unternehmen und der Angestellten zur Produktivität im Homeoffice könnten mit der richtigen Unterstützung jedoch schnell abgebaut werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten gerade für die aktuellen Herausforderungen entwickelte Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung nutzen, um die Produktivität, die Gesundheit sowie die Zufriedenheit der Beschäftigten zu erhalten und zu fördern. Allerdings – auch das ein Ergebnis der Studie – fehlt es oftmals noch an gezielten Informationen, Schulungen (Zeitmanagement, Sitzhaltung etc.) sowie den technischen Möglichkeiten (Stichwort "technischer Feierabend").
Für die Unternehmen würde sich die Ausdehnung des betrieblichen Gesundheitsmanagements auf das Homeoffice allerdings lohnen. Denn gerade die Doppelbelastung von Beruf und Familie ist aus dem Homeoffice heraus einfacher zu vereinbaren - davon sind rund 80 Prozent der Befragten überzeugt. Die gewonnene Flexibilität durch das Homeoffice spricht dabei neben Familien auch junge Menschen an, die vermehrt nach flexiblen Arbeitszeitmodellen streben. Unternehmen können durch eine gut organisierte Heimarbeit also deutlich attraktiver im Wettbewerb um die Fach- und Führungskräfte von morgen werden.
Mehr Sport und Schlaf dank Homeoffice
Dazu gehört auch, dass sich ein wegfallender Arbeitsweg gesundheitlich positiv bemerkbar machen kann: Denn immerhin sieben von zehn Telearbeitern nutzen die gewonnene Zeit, um länger zu schlafen. Das chronische Schlafdefizit der deutschen Arbeitnehmer kann so zumindest teilweise ausgeglichen werden. Ebenfalls positiv: 56 Prozent intensivieren durch das Homeoffice ihr Sportprogramm.
Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich dieses Plus an Bewegung langfristig positiv auswirkt, da eben auch der im Homeoffice praktisch in Reichweite liegende Kühlschrank viele verführt: 37 Prozent der Arbeitnehmer im Homeoffice räumen ein, ungesünder zu essen. Mehr als jeder Zweite isst auch zwischendurch mehr. Besonders die jüngere Altersgruppe hat offenbar einen gesteigerten Appetit. 68 Prozent der 18- bis 34-Jährigen naschen öfter mal zwischendurch. Bei der Generation der über 55-Jährigen ist es nur knapp jeder Dritte.
Acht Wochen in der Jogginghose?
Der alte Witz, dass sich Homeoffice-Arbeiter für die Videokonferenz nur von der Hüfte aufwärts ordentlich kleiden, konnte übrigens durch die Studie zumindest teilweise entkräftet werden. 41 Prozent der Studienteilnehmer tragen im Homeoffice die gleiche Kleidung wie in der Firma.
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