Wirtschaftsforum Vielfalt: Flagge zeigen

Unternehmen in Deutschland setzen zunehmend auf Diversity. Die digitale Konferenz der Arbeitgebendeninitiative Charta der Vielfalt e.V. am 2. März zeigte vor allem eins: Das Thema ist ganz oben angekommen - in den Vorstandsetagen der Konzerne und auf höchster politischer Ebene.  

Schon ein kurzer Blick auf das Programm des "Wirtschaftsforums Vielfalt" macht offensichtlich, welche Bedeutung das Thema "Diversity" in Politik und Wirtschaft mittlerweile erlangt hat. Die Keynote hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Grünen-Chef Robert Habeck war für seinen Impulsvortrag sogar persönlich vor Ort – obwohl es auch eine Videoschalte getan hätte, da die Veranstaltung ohnehin nur virtuell stattfand. Und nicht weniger als neun Konzernvorstände und -vorständinnen zeigten in Praxis-Dialogen #FlaggefürVielfalt, wie das Motto der Veranstaltung lautete: Thomas Edig (VW Nutzfahrzeuge), Wolfgang Langhoff (BP Europa), Heinrich Moisa (Novartis), Sabine Nikolaus (Boehringer-Ingelheim), Stefan Oelrich (Bayer), Wilfried Porth (Daimler), Frank Riemensperger (Accenture), Martin Seiler (Deutschen Bahn) und Judith Wiese (Siemens).

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Vielfalt ist zur Chefsache geworden

Dass Diversity in vielen Unternehmen zur Chefsache erklärt wurde, ist nicht zuletzt auch der Verdienst von Ana-Cristina Grohnert, die seit vier Jahren als Vorstandsvorsitzende das öffentliche Gesicht der Charta der Vielfalt ist. Als ehemalige Personalvorständin von EY und Allianz hat sie ein exzellentes Netzwerk in die Führungsetagen und HR-Abteilungen der Unternehmen und weiß dieses zu nutzen, um ihr Herzensthema voranzubringen.

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Nur Herzblut reicht beim Thema Vielfalt allerdings nicht aus. So waren sich die Teilnehmenden des Wirtschaftsforums auch weitgehend einig, dass die gerade vom Bundeskabinett beschlossene Frauenquote für Vorstände eine "absolut notwendige Zwangsmaßnahme" sei. Dies sei zwar nicht schön, aber angesichts der Jahr für Jahr deprimierenden Berichte zu den Frauenanteilen in Führungsetagen unumgänglich. "Veränderung kommt nicht von allein", so Ursula von der Leyen, die schon zu ihrer Zeit als Bundesfamilienministerin für eine Frauenquote kämpfte. "Heute steht die Quote im Gesetz", sagte sie nicht ohne Genugtuung. Gleichzeitig warnte sie, wie fragil das bisher Erreichte sei: In der Coronapandemie verlören fast doppelt so viele Frauen ihre Jobs wie Männer. Durch Homeoffice und Homeschooling drohe der Rückfall in alte Rollenbilder. "Wir laufen Gefahr, dass wir um Jahrzehnte zurückfallen", warnte sie. 

Diversität muss Normalität werden

Damit dies nicht passiere, müsse der Druck auf und in den Unternehmen kontinuierlich aufrecht erhalten werden. Die Zeit des bloßen Redens sei vorbei. "Vielfalt ist anstrengend", betonte Annette Widmann-Mauz, Staatsministerin und Beauftragte des Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Und Ana-Cristina Grohnert ergänzte: "Wir müssen konkrete Maßnahmen ergreifen, alle zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen. Ziele setzen, deren Erreichung kontrollieren. Und Leute verantwortlich machen."

Ganz ohne rhetorische Floskeln ging es in den Diskussionen dann aber doch nicht zu. Frank Riemensperger beispielsweise sprach von der "Vermessung der Vielfalt" und dem "Dekadenprojekt Diversity". Thomas Edig konstatierte, für VW sei "Diversität Normalität", weil die Automobilindustrie schon mit den Gastarbeitern der 1950er-Jahre die Vorteile der Vielfalt zu schätzen gelernt habe. Sabine Nikolaus erläuterte ihren "3G-Aktionsplan" (Gender, Generations, Geography), und Martin Seiler berichtete stolz, dass der Diversity-Slogan der Deutschen Bahn "Bahn frei für Vielfalt" laute.

Diversity ist Business-relevant

Gleichwohl betonten alle die Business-Relevanz von Diversity: "Angesichts des Fachkräftemangels brauchen wir jedes Talent", so Arbeitgeberpräsident Dulger. "Mehr Vielfalt bedeutet mehr Innovation – und die brauchen wir, um zukunftsfähig zu sein", sagte Judith Wiese, CHRO von Siemens.

Alle Vorständinnen und Vorstände hatten dementsprechend auch konkrete Maßnahmen vorzuweisen: Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth beispielsweise berichtete von seinem Führungskräfteentwicklungsprogramm "Inclusive Leadership". Stefan Oelrich erläuterte, wie bei Bayer die Förderung von Vielfalt im Vergütungsmodell verankert ist: "Diversity ist eins von unseren fünf Basiszielen. Die bleiben immer gleich und sind bonusrelevant."

Gerade bei den konkreten Maßnahmen hätte man sich als Zuhörer gewünscht an der ein oder anderen Stelle tiefer einzusteigen. Für echte Dialoge und Diskussionen war die Zeit leider zu knapp bemessen. Neun Vorständinnen und Vorstände in knapp 60 Minuten zu Wort kommen zu lassen, ist schon eine Herausforderung – die Moderatorin Pinar Atalay (übrigens die einzige Person mit Migrationshintergrund an diesem Abend) jedoch souverän meisterte. Das Ziel der Veranstaltung wurde mit dieser hochkarätigen Besetzung auf jeden Fall eindrucksvoll erreicht: Es ging ums "Flagge zeigen" – und die Botschaft "Diversity ist Chefsache".


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