Frauen sind seltener finanziell abgesichert
Frauen verdienen weniger, weil sie in "frauentypischen" Berufen wie zum Beispiel in der Pflege arbeiten, die eben schlechter bezahlt werden? Das stimmt so nicht, wie der aktuelle WSI-Report 2023 zum "Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland in ausgewählten Branchen" richtig stellt. Die Ergebnisse zeigen, dass Geschlechterungleichheit insbesondere in Hinblick auf die Arbeitszeitdauer und das Einkommen über (fast) alle Branchen besteht.
Die branchenbezogene Betrachtung zeigt allerdings auch, dass Unterschiede in der Arbeitssituation zwischen Frauen und Männern in einigen Branchen im besonderen Maße vorherrschen. Untersucht wurden Bereiche in der Produktion, in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Dienstleistungssektor, was den Sozial- und Gesundheitsbereich mit einschließt.
Niedriges Einkommen trotz Vollzeit: bei Frauen häufiger der Fall
Trotz Vollzeitbeschäftigung maximal 2.000 Euro Brutto Monatseinkommen – dieses Risiko ist für Frauen (15 Prozent) deutlich höher als für Männer (7 Prozent). Hierbei muss erwähnt werden, dass der Zeitpunkt der Datenerhebung (2021) noch vor der Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro die Stunde lag. Aktuell entspricht eine 40-Stunden-Woche 2.080 Euro Bruttomonatsentgehalt. Doch aufgrund der anhaltend hohen Inflation ändert dieser Parameter nur wenig an der Tatsache, dass dies keiner finanziellen Absicherung entspricht und den Lebensunterhalt oft nicht abdeckt.
Zudem arbeiten Frauen in allen Branchen häufiger in Teilzeit (53 Prozent der Frauen gegenüber 20 Prozent der Männer) beziehungsweise bis maximal 20 Stunden in der Woche oder nur in sogenannten Minijobs. Diese Anteile variieren zwischen den einzelnen Branchen sehr stark, jedoch leisten in allen 35 untersuchten Branchen mindestens 50 Prozent der Männer Vollzeitarbeit. Bei den Frauen hingegen trifft dies nur in 23 der insgesamt 35 Branchen zu.
Männer sind also deutlich im Vorteil, wenn es um die Faktoren Vollzeitarbeit und Geld geht. Und das, obwohl sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frauen im Branchendurchschnitt etwas häufiger über einen Berufsabschluss verfügen (88 Prozent gegenüber 85 Prozent bei den Männern) und ähnlich oft unbefristet beschäftigt sind. Dahingegen müssen Frauen seltener zu Rand- und Sonderzeiten wie abends, nachts und am Wochenende arbeiten.
Gender Pay Gap in allen Branchen präsent
Durch alle Branchen zieht sich nach wie vor der Gender Pay Gap. Deutschlandweit beträgt der unbereinigte Wert aktuell 18 Prozent - das sind im Durchschnitt 4,08 Euro weniger Bruttostundeverdienst für Frauen. Je nach Branche liegt der Bruttostundenverdienst bei Männern zwischen 13 und 35 Euro, bei den Frauen hingegen zwischen 12 und 26 Euro.
Abhängig von der Branche verdienen Frauen in Deutschland zwischen 2 Prozent (Wasserversorgung und Abfallentsorgung) und 30 Prozent (Kunst-, Unterhaltungs- und Erholungsindustrie ) weniger als Männer. In 13 von 17 untersuchten Branchen liegt der Gender Pay Gap im zweistelligen Prozentbereich. Auffällig ist hierbei, dass der Gender Pay Gap auch in der "frauentypischen" Branche des Gesundheits- und Sozialwesens eindeutig ist: Mit 23 Prozent liegt er hier sogar über dem Durchschnitt.
Forderung nach verpflichtenden Gleichstellungsstrategien
Zum Abschluss folgern die Studienautorinnen und -Autoren, dass an verpflichtenden Gleichstellungsstrategien für Betriebe kein Weg vorbeiführe. Ihren Erkenntnissen nach sei der bisher geltende Ansatz der Freiwilligkeit als gescheitert anzusehen. Eine weitere Maßnahme zur Gleichstellung seien neue, lebenslauforientierte Arbeitszeitmodelle und die kontinuierliche Anhebung des Mindestlohns.
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