Wann macht Führung wieder Spaß?


Zehn Fragen an die Zukunft: Führung

Wann macht Führung wieder Spaß? Professor Fabiola Gerpott beantwortet diese Frage auf Basis der Führungsforschung und ihrer Erfahrung in der Führungskräfteweiterbildung: Jetzt oder nie! 

Wann macht Führung wieder Spaß? Jetzt oder nie. Das ist die Antwort, von der ich auf Basis der Führungsforschung und meiner Erfahrung in der Führungskräfteweiterbildung felsenfest überzeugt bin – man muss Menschen mögen und Verantwortung als Gestaltungsspielraum sehen, dann macht auch das Spiel Spaß. Diese Einstellung tragen Führungskräfte im Idealfall schon jetzt, vielleicht morgen oder auch nie in sich. Denn die Grundlage für Führungsfreude ist eine Haltungsfrage, die einige Führungskräfte von Anfang an mitbringen, andere durch ihre Führungsrolle entwickeln und manche dauerhaft nur wenig empfinden. Das heißt nicht, dass sich HR-Abteilungen aus der Verantwortung ziehen können, denn auch Rahmenbedingungen haben einen wichtigen Einfluss darauf, um Führung mehr als Lust statt Last zu erleben. 

Führung liegt manchen im Blut 

Zunächst aber zu den "Naturtalenten": Eine Zwillingsstudie von De Neve und Kollegen kam zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit der Übernahme einer Führungsrolle zu etwa 24 Prozent durch genetische Faktoren erklärt werden kann. Es werden drei unterschiedliche Motivationskomponenten unterschieden, die beeinflussen, ob und wie Menschen Führungsrollen übernehmen: Ein affektiv-identitätsbasierter Antrieb ("ich sehe mich als Führungskraft und habe Spaß daran"), eine normative Führungsmotivation ("ich empfinde die Übernahme von Führung als Pflicht und Verantwortung") sowie eine nonkalkulative Motivationskomponente ("ich sehe Führungsmöglichkeiten positiv, auch wenn sie Kosten oder nur minimale persönliche Vorteile mit sich bringt"). Auch wenn es sich um drei unterschiedliche Motivationskomponenten handelt, finden sich positive Korrelationen zwischen ihnen – die meisten Menschen sind also durch eine Mischung der drei Aspekte angetrieben. Die affektiv-identitätsbasierte Komponente hat dabei die größte Erklärungskraft für positive Führungsstile und Führungseffektivität. Interessanterweise kann sich der affektiv-identitätsbasierte Antrieb allerdings auch durch die Übernahme von Führungsverantwortung entwickeln.

Damit kommen wir zu den Menschen, die den Spaß an der Führung durch die Übernahme von Führungsrollen finden. In der Tat gibt es immer mehr Studien, die zeigen, dass die Übernahme von Führungsverantwortung zwar zunächst einmal Stress bedeutet, dann aber durchaus Persönlichkeitsveränderungen in Richtung mehr Gewissenhaftigkeit und eben auch eine höhere Führungsidentität hervorrufen kann. Man kann sich dies wie eine J-Kurve vorstellen: Zunächst gibt es einen kleinen Einbruch, da die neue Führungsrolle oft mit vielen Belastungen und Überforderungen einhergeht. Nach diesem kurzen Tief folgt jedoch ein steiler Aufstieg, bei dem sich viele Führungskräfte zunehmend mit ihrer Rolle identifizieren und sie als Berufung statt als Bürde sehen. Allerdings trifft dies nicht auf alle zu; manche stellen auch fest, dass eine Fachkarriere für sie die bessere Passung darstellt.

Führung braucht affektiv-identitätsbasierte Motivation

Spaß an der Führung (oder auch der Abgabe derselben) hängt also sowohl von der Person ab, als auch von der Umgebung, die als Beschleuniger oder Verhinderer wirken kann. In der Forschung wird das Person-Situation-Interaktion genannt, in der Praxis bedeutet das: Personalabteilungen können Spaßbremsen sein. Oder eben auch Stimmungsmacher. Zum Beispiel, indem sie zukünftige Führungskräfte konkret auf die neue Rolle vorbereiten und aktuelle Führungskräfte coachen und begleiten, damit sie ihre Rolle reflektieren und verbessern können. Oder indem sie Führungskräfte vernetzen und einbinden, damit sie sich nicht allein fühlen, sondern Gestaltungsspielraum leben können. Und indem operative Anforderungen runtergeschraubt und Beziehungszeit raufgefahren wird – denn Führung ist zeitintensive Beziehungsarbeit, die zwischen Menschen entsteht, welche genug Raum für den Austausch haben müssen.

Die viel zitierte BCG-Studie von 2021, nach der nur noch 13 Prozent der Arbeitnehmer in Management-Positionen aufsteigen wollen, zeigt, dass es dringend notwendig ist, die affektiv-identitätsbasierte Motivation zur Übernahme von Führung wieder anzukurbeln – durch Rahmenbedingungen, die Zeit für Entwicklung, Zusammenhalt und Zuhören geben. Dazu können auch erfahrene oder ehemalige Führungskräfte eingebunden werden, die aufstrebenden Führungskräften in einer Mentoring-Rolle zur Seite stehen und dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit auch selbst Freude erleben. Die Forschung zur sogenannten "emotionalen Ansteckung" zeigt uns, dass diese Freude sich schnell überträgt. Bei so viel Führungsfreude bleibt nur noch viel Spaß zu wünschen: Mögen die Spiele beginnen!


Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin 9/2024. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der Personalmagazin-App.

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Schlagworte zum Thema:  Leadership, Mitarbeiterführung, Digitalisierung