Digitaler Wandel: Neue Förderung von Weiterbildung ab 2019
Die Bundesregierung scheint die Dramatik des digitalen Strukturwandels erkannt zu haben. Damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von heute auch die Arbeit von morgen machen können, so formuliert es Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, hat nach dem Bundestag nun der Bundesrat das sogenannte Qualifizierungschancengesetz gebilligt. Das Ziel: Die Beschäftigten – unabhängig von Ausbildung, Lebensalter und Betriebsgröße – dabei zu unterstützen, ihre beruflichen Kompetenzen zu erweitern und sich für den digitalen Wandel zu wappnen. Die Gesetzesänderungen sollen mehr Menschen zur Weiterbildung anregen und dafür sorgen, dass Beschäftigte dem zunehmend digitalisierten und automatisierten Arbeitsmarkt gewachsen sind.
Mit dem gleichen Gesetz wurde zudem der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung gesenkt sowie die Zeitgrenze bei der kurzfristigen Beschäftigung dauerhaft angehoben. Das Gesetz tritt zum 1. Januar 2019 in Kraft.
Qualifizierungschancengesetz: Arbeitsagentur erweitert Weiterbildungsberatung
Bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs hat sich die Bundesregierung auf Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bezogen. Danach hat sich der Anteil der Jobs, die durch neue Technologien ersetzt werden können, von 15 Prozent im Jahr 2013 auf 25 Prozent im Jahr 2016 erhöht. Bei Fertigungsberufen lag die Substituierbarkeit durch Maschinen bereits im Jahr 2016 bei bis zu 83 Prozent.
Nun hat ist das Qualifizierungschancengesetz also beschlossen, dessen Änderungen neue Wege ermöglichen. So bekommen Arbeitnehmer das Recht, sich bei der Agentur für Arbeit über Weiterbildung beraten zu lassen. Daneben richtet sich die neue Qualifizierungsberatung als Teil der Arbeitsmarktberatung an Arbeitgeber. Beide neuen Elemente – Weiterbildungs- und Qualifizierungsberatung – sollen laut Gesetzesbegründung „dazu beitragen, frühzeitig und präventiv die Beschäftigungsfähigkeit der oder des Einzelnen zu verbessern, präventiv dem Eintritt und der Verfestigung von Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken sowie Anpassungs- und Qualifizierungsbedarfe dem Betrieb transparent zu machen.“
Förderung von Weiterbildung: Fünf Kriterien für einen Zuschuss
Ein neuer Kurs wird auch bei der finanziellen Förderung von Weiterbildung eingeschlagen. Während bislang vor allem Arbeitssuchende für neue Tätigkeiten „umgeschult“ wurden und werden, sollen zusätzlich Weiterbildungen gefördert werden, die in die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmern einzahlen. Die Arbeitsagentur wird also künftig einen Teil der Weiterbildungskosten tragen – soweit sich auch der Arbeitgeber an den anfallenden Kosten beteiligt und soweit Kenntnisse und Fähigkeiten erworben werden, die über eine Anpassungsfortbildung hinausgehen. Daneben erhalten Arbeitgeber – je nach Betriebsgröße – auch Lohnkostenzuschüsse, wenn die Beschäftigten während der Weiterbildung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts freigestellt werden.
Um zu vermeiden, dass sich Betriebe ihre Weiterbildungsaktivitäten künftig prinzipiell aus staatlichen Fördermitteln mitfinanzieren lassen, sieht der neue § 82 SGB III konkret folgende fünf Vorgaben für eine volle oder teilweise Übernahme der Weiterbildungskosten vor. Danach wird vorausgesetzt, dass
- Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die über ausschließlich arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen,
- der Erwerb des Berufsabschlusses, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist, in der Regel mindestens vier Jahre zurückliegt,
- die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer in den letzten vier Jahren vor Antragsstellung nicht an einer nach dieser Vorschrift geförderten beruflichen Weiterbildung teilgenommen hat,
- die Maßnahme außerhalb des Betriebes oder von einem zugelassenen Träger im Betrieb, dem sie angehören, durchgeführt wird und mehr als 160 Stunden dauert
- die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind
Finanzielle Beteiligung der Arbeitgeber ist notwendig
Die Vergabe der Fördermittel für entsprechende Weiterbildungen von Arbeitnehmern wird zudem daran geknüpft, dass sich der Arbeitgeber „in angemessenem Umfang an den Lehrgangskosten beteiligt“. Konkret sieht die neue Regelung in § 82 Abs. 2 SGB III eine Staffelung nach Betriebsgröße vor: Bei Unternehmen zwischen zehn und 250 Beschäftigten bedeutet „angemessener Umfang“, wenn der Arbeitgeber mindestens 50 Prozent der Kosten trägt. Bei Arbeitgebern mit 250 bis 2.500 Beschäftigten müssen es 75 Prozent der Kosten sein, in Firmen mit 2.500 Mitarbeitern oder mehr sogar 85 Prozent. Existiert ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung zur beruflichen Weiterbildung kann die nötige „Selbstbeteiligung“ auf 80 Prozent gesenkt werden.
Qualifizierungschancengesetz: Weiterbildung auch im Betrieb möglich?
Trotz weitgehender Zustimmung zu dem Vorhaben gab es bereits im Gesetzgebungsverfahren auch Kritik an der Umsetzung. So begrüßte zum Beispiel Ariane Reinhart, CHRO bei Continental, zwar ausdrücklich den eingeschlagenen Weg, den digitalen Strukturwandel durch staatliche Förderung der Weiterbildung zu begleiten. Sie stellte jedoch die nach Unternehmensgröße gestaffelte Förderung infrage. Wichtiger sei eine strategische Personalplanung in Unternehmen. So könne besser der Bedarf an Kompetenzen präzise bestimmt und damit auch die Förderung zielgerichtet eingesetzt werden.
Zudem kritisierte Reinhart, es dürften nicht nur außerhalb des Betriebs stattfindende Weiterbildungen gefördert werden. Dies widerspreche jeglicher Erfahrung, wonach effizientes Lernen am besten im Betrieb selbst funktioniere. Beschlossen hat der Bundestag nun eine – im Vergleich zum ersten Gesetzentwurf – angepasste Version: Nach § 82 Abs. 1 Nr. 4 SGB III können ab Januar nun auch Maßnahmen im Betrieb gefördert werden – soweit sie von einem zugelassenen Träger durchgeführt werden.
BDA: Förderung von Weiterbildung nur für Mittelständler
Kritik an der Weiterbildungsförderung übte auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), die als Sachverständige am Gesetzgebungsverfahren beteiligt war. So kritisierte die Vereinigung eine zu weitgehende Förderung durch die Arbeitsagentur, die eventuell auch gar nicht zielführend sei. Daher plädierte die BDA dafür, die Weiterbildungsförderung auf Mittelständler – also Unternehmen mit bis zu 2.000 Beschäftigte – zu begrenzen.
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