Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhaltensbedingte Kündigung. Strafanzeige gegen Arbeitgeber. Fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung wegen Strafanzeige gegen Arbeitgeber sowie Unregelmäßigkeiten bei Abrechnung. Strafanzeige als Kündigungsgrund: Erfordernis betriebsinterner Vorabklärung bei Vorwurf strafbaren Verhaltens (Untreue) gegen Arbeitgeber selbst (Vereinsvorsitzende und deren Ehemann). Spesenabrechnung und Unklarheiten bei Abrechnung vereinnahmter Gelder als Kündigungsgrund
Orientierungssatz
- Erstattet der Arbeitnehmer Strafanzeige gegen seinen Arbeitgeber, ohne zuvor eine innerbetriebliche Klärung zu versuchen, so kann darin eine kündigungsrelevante Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten liegen.
- Handelt es sich bei den dem Arbeitgeber zur Last gelegten Vorfällen um schwerwiegende Vorwürfe und sind die betreffenden Straftaten vom Arbeitgeber selbst begangen worden, so braucht der Arbeitnehmer regelmäßig keinen Versuch der innerbetrieblichen Klärung zu unternehmen.
- Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, bestimmte Vorgänge gingen den Arbeitnehmer auf Grund seiner Stellung im Unternehmen (“schlichter Kraftfahrer”) nichts an. Das staatsbürgerliche Recht zur Erstattung von Strafanzeigen besteht unabhängig von der beruflichen oder sonstigen Stellung und ihrer sozialen Bewertung durch den Arbeitgeber oder Dritte.
- Für die Frage, ob die Erstattung der Strafanzeige einen Kündigungsgrund bilden kann, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob sie zu einer Verurteilung führt oder nicht.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. Juni 2005 – 5 Sa 137/02 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen, die der Beklagte aus Gründen im Verhalten des Klägers ausgesprochen hat.
Der Kläger trat 1999 als Krankenwagenfahrer in die Dienste des Beklagten. Der Beklagte ist ein Verein, der nach § 2 seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige bzw. mildtätige Wohlfahrtszwecke im Sinne des Abschnitts “steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung verfolgt. Der Verein widmet sich der häuslichen und privaten Pflege von alten, gebrechlichen und behinderten Menschen sowie dem Transport liegender Patienten. Der Ehemann der Vorsitzenden war bei dem Beklagten angestellt und nahm Geschäftsführungsaufgaben wahr. Zeitweise war er zweiter Vorsitzender.
Ab Juni 2001 zahlte der Beklagte die Löhne und Gehälter nicht pünktlich. Der Kläger erfuhr von der damaligen Schatzmeisterin des Vereins, es seien Unregelmäßigkeiten des Vorstands bei der Verwaltung der Geschäftsgelder vorgekommen. Am 11. September 2001 erstattete der Kläger bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg gegen die Vorsitzende des Vereins und deren Ehemann Strafanzeige wegen Veruntreuung.
Nachdem die Staatsanwaltschaft Lüneburg die auf Grund der Anzeige eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die Vorsitzende des Beklagten und ihren Ehemann zunächst eingestellt hatte, nahm sie auf Bitten der Generalstaatsanwaltschaft Celle im Mai 2003 die Ermittlungen wieder auf und erhob Anklage. Durch Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 20. Januar 2005 wurde die – im Strafverfahren nunmehr geständige – Vorsitzende des Beklagten wegen Untreue in 30 Fällen (unberechtigte Entnahmen aus dem Vereinsvermögen zur Begleichung von Privatrechnungen – darunter eine Urlaubsreise nach Bora-Bora – im Gesamtbetrag von über 55.000,00 DM) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten (auf Bewährung) rechtskräftig verurteilt. Das Verfahren gegen ihren Ehemann wurde nach § 154 StPO eingestellt.
Wegen der Strafanzeige kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. November 2001 fristlos, hilfsweise fristgerecht. An diesem Tag hatte der Kläger bei zwei Patienten den sog. Eigenanteil von je 25,00 DM kassiert und die entsprechende Quittung bei dem Beklagten abgegeben, wobei unklar ist, ob und wann die entsprechenden Beträge an den Beklagten gezahlt oder verrechnet wurden.
Eine weitere fristlose und hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 3. Januar 2002 begründete der Beklagte damit, dass der Kläger am 19. November 2001 am Kiosk eines Krankenhauses in Coppenbrügge eine Bockwurst gegessen und sich die Kosten in Höhe von 7,50 DM von der damaligen Schatzmeisterin des Vereins gegen Beleg hatte erstatten lassen.
Der Kläger hält beide Kündigungen für unwirksam. Auf Grund des Zahlungsverzugs für die Löhne und Gehälter im Juni 2001 habe es sich bei der Strafanzeige um das letzte Mittel gehandelt, um weiteren Schaden von dem Beklagten abzuwenden. Die Vorwürfe seien mehrfach Gegenstand von Gesprächen gewesen, in denen ua. der Ehemann der Vereinsvorsitzenden auf die Rechtswidrigkeit seines Tuns hingewiesen worden sei. Auch die Erstattung von Verzehrkosten (Bockwurst) rechtfertige die Kündigungen nicht. Bei längeren Fahrten hätten die Mitarbeiter üblicherweise etwas auf Kosten des Beklagten verzehren dürfen. Die von Patienten gezahlten Eigenanteile habe er, so hat der Kläger zunächst vorgetragen, deshalb zurückbehalten, weil ihm Kosten für Verzehr, eine Telefonkarte und ihm zustehendes Trinkgeld nicht erstattet worden seien. Zuletzt hat der Kläger behauptet, er habe die Beträge an den Beklagten abgeführt.
Der Kläger hat, soweit von Interesse, beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung des Beklagten vom 29. November 2001 noch durch die Kündigung vom 3. Januar 2002 beendet worden ist.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Nachdem der Beklagte bis zur Verurteilung seiner Vorsitzenden durch das Amtsgericht behauptet hatte, die vom Kläger erhobenen Vorwürfe seien “völlig aus der Luft gegriffen”, die Vorsitzende und ihr Ehemann hätten sich nicht bereichert, sondern dem Verein Darlehen gewährt und wieder zurückgeführt, macht der Beklagte nunmehr geltend, die Vorsitzende des Beklagten fühle sich ungeachtet der rechtskräftigen Verurteilung nach wie vor unschuldig. Ihr Geständnis sei auf eine durch das Strafverfahren bewirkte Zermürbung zurückzuführen. Der Kläger sei jedenfalls nicht zur Erstattung der Strafanzeige berechtigt gewesen. Er habe versuchen müssen, die Vorwürfe betriebsintern zu klären, zumal niemand auf die Idee kommen würde, ihn als “schlichten Kraftfahrer” für angebliche Unregelmäßigkeiten verantwortlich zu machen. Dem Kläger sei auch nicht gestattet gewesen, sich Verzehr aus der Kasse erstatten zu lassen. Außerdem habe der Kläger am 29. November 2001 in zwei Fällen Eigenanteile in Höhe von jeweils 25,00 DM in bar kassiert und unterschlagen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat – nachdem es den Rechtsstreit für die Dauer des Strafverfahrens ausgesetzt hatte – nach dem Klageantrag erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Eine weitere vom Beklagten am 16. März 2005 ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist Gegenstand eines noch beim Arbeitsgericht Lüneburg anhängigen Rechtsstreits.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigungen seien weder als ordentliche Kündigungen nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt noch liege ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor. In der Strafanzeige vom 11. September 2001 liege keine rechtswidrige und schuldhafte Pflichtverletzung. Dem Kläger sei es nicht darauf angekommen, den Beklagten, dessen Vorsitzende oder deren Ehemann zu schädigen. Er habe vielmehr die Aufklärung finanzieller Unregelmäßigkeiten bezweckt. Hieran habe er ein berechtigtes Interesse, da er als Arbeitnehmer auf regelmäßige Entgeltzahlungen angewiesen sei. Der Kläger habe die Vorwürfe nicht leichtfertig erhoben. Entscheidend sei die letztlich erfolgte Verurteilung der Vorsitzenden. Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten seien seine staatsbürgerlichen Rechte nicht durch den Umstand eingeschränkt, dass er “schlichter Krankenwagenfahrer” sei. Eine innerbetriebliche Klärung sei nicht erfolgversprechend gewesen, da hierzu die Bereitschaft der Vorsitzenden und ihres Ehemannes gehört hätte, die Vermögensdelikte gegenüber dem Kläger zuzugeben. Das habe angesichts der Vielzahl und Schwere der Delikte nicht erwartet werden können. Die Kündigungen seien auch nicht wegen der weiteren von dem Beklagten angeführten Gründe gerechtfertigt. Der Kläger habe nicht versucht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Es handele sich vielmehr um vom Kläger offengelegte Vorgänge, die mit dem Ausspruch der Kündigung zusammengefallen seien und deshalb nicht mehr hätten geklärt werden können.
B. Dem stimmt der Senat sowohl im Ergebnis als auch in weiten Teilen der Begründung zu. Die Klage ist begründet. Die Kündigungen vom 29. November 2001 und vom 3. Januar 2002 haben das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Die Kündigungen sind auch sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG.
I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe durch die Erstattung der Strafanzeige gegen die Vorsitzende des Beklagten und ihren Ehemann seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt und deshalb durch dieses Verhalten weder Grund zu einer ordentlichen noch gar zu einer außerordentlichen Kündigung gegeben, ist nicht zu beanstanden.
1. Das Landesarbeitsgericht hat seinen Ausführungen die vom Senat in der Entscheidung vom 3. Juli 2003 (– 2 AZR 235/02 – BAGE 107, 36) entwickelten Maßstäbe zugrunde gelegt, die im Schrifttum überwiegend auf Zustimmung getroffen sind (vgl. mit Abweichungen im Einzelnen: Bodenstedt EWiR 2004, 613; Stein BB 2004, 1961; Peter ArbuR 2004, 429; Otto AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45 Anmerkung; Wendeling-Schröder RdA 2004, 374; Herbert NZA 2005, 193; Gänßle FA 2005, 66; Sauer DÖD 2005, 121). Es hat diese Grundsätze in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den Fall angewandt.
a) Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung war der Kläger nicht verpflichtet, vor Erstattung der Strafanzeige eine innerbetriebliche Klärung zu versuchen. Ob, wie der Kläger behauptet, im Juli 2001 mehrere Gespräche in dieser Richtung geführt wurden, kann deshalb dahinstehen. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es habe sich bei den angezeigten Unregelmäßigkeiten um schwerwiegende Vorfälle gehandelt, ist nicht zu beanstanden. Die Vorsitzende des Beklagten hat durch 30 Einzeltaten über mehrere Jahre hinweg Beträge von insgesamt über 50.000,00 DM veruntreut. Die Straftat der Untreue ist nach § 266 Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht und damit keineswegs ein Bagatelldelikt. Hinzu kommt, dass diese schweren und zahlreichen Straftaten von der gesetzlichen Vertreterin des Arbeitgebers selbst begangen wurden. Wie der Senat in der Entscheidung vom 3. Juli 2003 (– 2 AZR 235/02 – BAGE 107, 36) ausgeführt hat, muss bei dieser Konstellation die Pflicht des Arbeitnehmers zur Rücksichtnahme regelmäßig zurückstehen. Weiter durfte das Landesarbeitsgericht auch berücksichtigen, dass es bereits zu Verzögerungen bei der Auszahlung von Arbeitsvergütungen gekommen war. Ebenfalls zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Auffassung des Beklagten – und des Arbeitsgerichts – als unzutreffend eingestuft, den Kläger als “schlichten Kraftfahrer” beträfen die Unregelmäßigkeiten nicht und er habe sich deshalb mit Strafanzeigen zurückzuhalten. Diese Auffassung verkennt, dass jeder Arbeitnehmer – auch der von einem gehobenen Selbstwertgefühl als “schlicht” eingestufte – wenn er eine Strafanzeige erstattet, ein staatsbürgerliches Recht wahrnimmt, das ihm unabhängig von seiner beruflichen Stellung und deren Bewertung durch den Arbeitgeber oder Dritte zusteht. Dessen Ausübung lag im vorliegenden Fall umso mehr im öffentlichen Interesse und bedurfte deshalb auch arbeitsrechtlichen Schutzes, als der Beklagte auch von Gerichten in Strafverfahren festgesetzte Bußgelder vereinnahmt hat. Weiter ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht die Erfolgsaussichten eines innerbetrieblichen Klärungsversuchs als gering eingestuft hat. Diese Einschätzung des Landesarbeitsgerichts hat zumindest durch das – wahrheitswidrig – bestreitende Prozessverhalten des Beklagten eine beredte Bestätigung gefunden. Dass die vom Kläger erhobenen Vorwürfe im Übrigen berechtigt waren, steht auf Grund der Verurteilung durch das Amtsgericht fest.
b) Dabei kam es allerdings nicht entscheidend auf den Ausgang des Strafverfahrens an. Zwar ist die erfolgte Verurteilung ein Indiz dafür, dass die Anzeige nicht leichtfertig erhoben wurde. Jedoch wäre die Annahme verfehlt, eine Strafanzeige sei nur dann kein Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht, wenn sie zu einer Verurteilung des Angezeigten führt. Zum einen hängen das Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens und der Ausgang eines Strafverfahrens nicht allein davon ab, ob die erhobenen Vorwürfe zutreffen. Eine Anklage ebenso wie eine Verurteilung kann aus zahlreichen anderen Gründen unterbleiben. Außerdem ist es gerade der Sinn der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und eines Strafverfahrens, die bei Anzeigeerstattung notwendigerweise offene Frage der Tatbegehung erst zu klären. Deshalb hat der Senat auch die Berechtigung zur Erstattung einer Strafanzeige nicht davon abhängig gemacht, dass die Begehung der strafbaren Handlung bereits feststeht oder später festgestellt wird, sondern umgekehrt sie als in der Regel nur dann nicht mehr berechtigt angesehen, wenn der Arbeitnehmer schon bei Erstattung der Anzeige weiß, dass der erhobene Vorwurf nicht zutrifft oder dies jedenfalls leicht erkennen kann oder einen unverhältnismäßigen Gebrauch von seinem Recht macht. Der in Fällen des “Whistleblowing” in Rede stehende Vorwurf besagt, dass die Ausübung des bestehenden staatsbürgerlichen Rechts zur Erstattung einer Strafanzeige nicht zu unverhältnismäßigen Reaktionen bis hin zur Schädigung des arbeitsrechtlichen Vertragspartners führen darf. Es geht also um die Verletzung zivilrechtlich begründeter Pflichten gegenüber dem Vertragspartner. Eine derartige unverhältnismäßige Reaktion kann einerseits auch dann vorliegen, wenn eine Straftat tatsächlich begangen wurde und eine Verurteilung erfolgt. Sie kann andererseits auch dann zu verneinen sein, wenn eine Straftat in Wahrheit nicht vorliegt oder jedenfalls keine Verurteilung erfolgt.
2. Die Darstellung der Revision, dem Kläger sei es darum gegangen, die Führung des Vereins an sich zu bringen, ist durch die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen nicht belegbar. Zulässige und begründete Verfahrensrügen hat die Revision nicht erhoben.
II. Auch die weitere Würdigung des Berufungsgerichts, wonach weder die Vorgänge um den Verzehr der Bockwurst noch um den Einbehalt der vom Kläger kassierten Eigenanteile die Kündigungen nach § 1 Abs. 2 KSchG oder § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen vermögen, halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Das Landesarbeitsgericht ist von der ständigen Rechtsprechung des Senats ausgegangen, nach der vom Arbeitnehmer begangene Vermögensschädigungen zu Lasten des Arbeitgebers auch dann geeignet sind, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden oder eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu rechtfertigen, wenn nur ein geringfügiger Wert betroffen ist.
2. Das Landesarbeitsgericht hat aber den Hergang der hier betroffenen Ereignisse dahingehend gewürdigt, dass ein solcher Sachverhalt nicht vorlag und der Kläger keinerlei Absicht hatte, das Vermögen des Beklagten zu schädigen. Diese Würdigung ist entgegen der von der Revision geltend gemachten Auffassung nicht zu beanstanden.
a) Soweit es um die vom Kläger verzehrte Bockwurst geht, so kann dahinstehen, ob der Kläger sich auf eine beim Beklagten herrschende Gepflogenheit berufen könnte, der zufolge der Beklagte Verzehrkosten bei längeren Fahrten ersetzte. Der allenfalls gegen den Kläger zu erhebende Vorwurf liegt darin, dass er einen uU nicht bestehenden Anspruch gegen den Beklagten erhoben hat, dessen Ablehnung dem Beklagten freigestanden hätte. Dass dieser Anspruch – uU zu Unrecht – erfüllt wurde, ist jedenfalls so lange nicht dem Kläger zuzurechnen, als ein kollusives Zusammenwirken mit der Kassenwartin nicht vorzuwerfen ist. Solches macht aber der Beklagte nicht geltend. Die Würdigung, dass die Erhebung eines in Wahrheit nicht bestehenden Anspruchs jedenfalls nicht ohne weiteres als Pflichtverletzung gewertet und – falls doch – mangels anderer Anhaltspunkte durch eine Abmahnung ausreichend geahndet werden kann, ist unter Beachtung des tatrichterlichen Ermessensspielraumes nicht zu beanstanden. In diesem Sinne hat der Senat bereits ausgeführt, dass bei einer unwillentlichen Verkennung vertraglicher Pflichten auch im Vermögensbereich eine Abmahnung ausreichend sein (vgl. BAG 27. April 2006 – 2 AZR 415/05 – AP BGB § 626 Nr. 203) kann.
b) Im Ergebnis ebenfalls revisionsrechtlich unbedenklich ist die weitere Würdigung des Landesarbeitsgerichts, auch der – etwaige – Einbehalt von an den Kläger gezahlten Eigenanteilen sei weder als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB noch als verhaltensbedingter Kündigungsgrund iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu werten. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit gut nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass es sich hier – ebenso wie bei den Vorgängen um die Bockwurst – um einen bei Zugang der ersten außerordentlichen Kündigung am 29. November 2001 noch nicht abgeschlossenen, sondern durch die Kündigung gewissermaßen abgebrochenen Geschehensablauf handelte. Es liegt auf der Hand, dass eine Handlung nur dann richtig gewertet werden kann, wenn sie nicht sinnwidrig aufgespalten wird. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Kläger habe die betreffenden Beträge entgegengenommen und zunächst noch behalten, weil die aus seiner Sicht notwendige Klärung von Gegenansprüchen wegen des Dazwischentretens der Kündigung vorerst unterblieb. Dass der Kläger nichts verheimlichen und nichts für sich behalten wollte, was ihm nicht zustand, hat das Landesarbeitsgericht daraus entnommen, dass er die Zahlungsbelege über die Beträge bei dem Beklagten abgab. Das ist eine lebensnahe und gut nachvollziehbare Betrachtungsweise.
III. Die Kosten der erfolglos gebliebenen Revision fallen dem Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Schmitz-Scholemann, Heise Herbert, Grimberg
Fundstellen