Leitsatz (amtlich)
Sind die Verlustanteile eines Kommanditisten mit dessen positivem Kapitalkonto II zu verrechnen, so läßt sich dies mit der Annahme einer auf dem Kapitalkonto II ausgewiesenen individualisierten Gesellschafterforderung nur dann vereinbaren, wenn der Gesellschaftsvertrag dahin zu verstehen ist, daß den Kommanditisten im Verlustfall eine Nachschußpflicht trifft und die nachzuschießenden Beträge durch Aufrechnung mit Gesellschafterforderungen zu erbringen sind.
Normenkette
KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nrn. 2, 4 Buchst. b
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Persönlich haftende Gesellschafterin ist eine GmbH. Es sind mehrere Kommanditisten mit festen Kapitaleinlagen von insgesamt 95 000 DM vorhanden.
In dem Gesellschaftsvertrag vom 27.September 1963 ist u.a. folgendes vereinbart:
§ 4
(1) .....
(2) Die Hafteinlagen der Kommanditisten sind gleich ihrer
vorstehend genannten Gesellschaftsanteile. Die Einlagen
sind voll bezahlt.
(3) Die die Gesellschaftsanteile übersteigenden Mehrbeträge
auf den Kapitalkonten per 31.12.1962 werden
auf ein Privat-Darlehenskonto verbucht unbeschadet
der Bestimmung im vorigen Absatz. Diese Darlehensguthaben,
auf die auch die Gewinnanteile gutgeschrieben
werden und die jährlichen Entnahmen belastet
werden, sind den Gesellschaftern zu verzinsen
(vgl. § 11). Entnahmen sind nur möglich, soweit
sich Guthaben auf den Privatkonten befinden
und soweit nicht der Gewinn der Gesellschaft für
von der Gesellschaftsversammlung beschlossenen bzw.
genehmigte Investitionen benötigt werden.
(4) Die Kapitalkonten der Gesellschafter werden als
Festkonten geführt. Nach ihnen richtet sich die
Beteiligung der Gesellschafter am Vermögen und
am Ergebnis der Gesellschaft und das Stimmrecht,
soweit sich nicht aus diesem Vertrage, insbesondere
§ 7, etwas anderes ergibt.
§ 7
(1) .....
(2) .....
(3) Verluste der Gesellschaft sind zunächst nach
vorstehendem Gewinnverteilungsschlüssel aus den
Privatkonten der Gesellschafter zu decken. Soweit
diese hierzu nicht ausreichen sollten, werden sie
mit den Gewinnen der nachfolgenden Jahre ausgeglichen.
§ 11
Alle Gesellschafter erhalten auf ihre Darlehensguthaben
eine Verzinsung von jährlich 6 vH. Reicht
der Gewinn zu dieser Verzinsung nicht aus, so
ermäßigt sich die Verzinsung entsprechend und
verhältnismäßig.
In einer Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) fest, daß die Verlustanteile der Kommanditisten für die Wirtschaftsjahre 1971/72 und 1973/74 von den "Privatdarlehenskonten" abgebucht worden waren. Das FA sah hierin steuerpflichtige Leistungen der Kommanditisten an die Klägerin gemäß § 2 Abs.1 Nr.2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972. Es setzte die Gesellschaftsteuer durch zwei Bescheide vom 18.Januar 1979 auf 5 283,45 DM und auf 433,75 DM fest. Soweit dabei ein Steuersatz von 2 v.H. angesetzt wurde, verneinte das FA die Anwendung des § 9 Abs.2 Nr.1 KVStG 1972 wegen vorhandener stiller Reserven. Am 23.November 1979 erließ das FA einen weiteren Gesellschaftsteuerbescheid wegen Übernahme des Verlustes aus dem Wirtschaftsjahr 1975/76 über 66,75 DM.
Der Einspruch und die Klage blieben erfolglos.
Mit ihrer vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision macht die Klägerin die Verletzung des § 2 Abs.1 Nrn.2 und 4 Buchst.b KVStG 1972 sinngemäß geltend.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Gesellschaftsteuerbescheide vom 18.Januar 1979 und vom 23.November 1979 sowie die Einspruchsentscheidung vom 22.Februar 1980 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Gesellschaftsteuerbescheide vom 18.Januar 1979 (KVStL 1978/965/14 und 1978/968/14) und vom 23.November 1979 (KVStL 1979/715/14) sowie der Einspruchsentscheidung vom 22.Februar 1980 (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG ist in der Vorentscheidung zutreffend davon ausgegangen, daß das KVStG 1972 nach seinem Sinn und Zweck nur die Kapitalzufuhr von außen, nicht aber das bloße Stehenlassen von Gewinnen erfaßt, die die Gesellschaft erzielt und die in dem Gesellschaftsvermögen verbleiben. Dies ergibt sich bereits aus der amtlichen Begründung zum KVStG vom 16.Oktober 1934 (RStBl 1934, 1460 ff.) und ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung stets anerkannt worden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8.November 1967 II 176/61, BFHE 91, 172, BStBl II 1968, 213; vom 22.Juli 1987 I R 74/85, BFHE 150, 447, BStBl II 1987, 823). Für die Anwendung des § 2 Abs.1 Nrn.2 bzw.4 Buchst.b KVStG 1972 bedeutet dies, daß die Verrechnung der Verlustanteile der Kommanditisten mit dem positiven Saldo eines separat geführten Gesellschafterkontos (Kapitalkonto II) dann als gesellschaftsteuerpflichtige Leistung zu beurteilen ist, wenn die auf dem separaten Gesellschafterkonto gutgeschriebenen Beträge den Gesellschaftern zugeflossen waren und von diesen der Gesellschaft wieder zur Verfügung gestellt wurden. Im Streitfall kommt es deshalb darauf an, ob die sog. "Privat-Darlehenskonten" den Charakter individueller Forderungskonten der Kommanditisten der Klägerin hatten oder ob es sich bei den auf den Konten verbuchten Beträgen um gesamthänderisch gebundenes Gesellschaftsvermögen handelte.
2. Das FG hat zutreffend seinen Überlegungen in erster Linie die Vorschriften des Gesellschaftsvertrages vom 27.September 1963 zugrunde gelegt.
Zwar sieht das Gesetz in den §§ 161 ff. i.V.m. den §§ 109 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) ein System variabler Kapitalanteile mit einem einheitlichen Kapitalkonto vor. Danach sind die Kapitalanteile der Kommanditisten veränderliche Größen (§ 167 i.V.m. § 120 HGB). Nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres sind die Gewinn- oder Verlustanteile sowie die Einlagen und Entnahmen des Geschäftsjahres auf den Kapitalanteil zu verrechnen. Der Kapitalanteil i.S. des § 120 Abs.2 HGB ist damit der Saldo aller Einlagen, Gewinne, Verluste und Entnahmen des Kommanditisten. Für den Kommanditisten besteht gleichzeitig die Besonderheit (§ 167 Abs.2 HGB), daß Gewinnanteile dem Kapitalanteil nur solange zugeschrieben werden, als dieser den Betrag der bedungenen Einlage nicht erreicht hat. Nach Erreichen des Betrages der bedungenen Einlage wird das Kapitalkonto festgeschrieben. Weitere Gewinnanteile sind dem Kommanditisten außerhalb seines Kapitalanteils gutzuschreiben.
In der Praxis besteht jedoch häufig der Wunsch, den Bruchteil der Beteiligung der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen (Kapitalbeteiligung), das Stimmrecht sowie die Gewinn- und Verlustbeteiligung nach einem festen und in der Regel einheitlichen Maßstab zu bestimmen. Bezogen auf Kommanditgesellschaften sollen die Kommanditisten häufig über ihre Hafteinlage hinaus am Gesellschaftsvermögen beteiligt sein. Deshalb hat die Vertragspraxis ein System kombinierter Kapitalanteile mit geteilten Kapitalkonten entwickelt, wobei der Kapitalanteil des einzelnen Gesellschafters sich aus dem Bruchteil, mit welchem er am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist, sowie aus dem Guthaben auf einem daneben geführten Gesellschafterkonto zusammensetzt. Die Kapitalbeteiligung, das Stimmrecht und die Gewinn- bzw. Verlustbeteiligung richten sich in der Regel nach dem Verhältnis der festen Kapitalanteile, wie sie auf dem sog. Kapitalkonto I ausgewiesen werden. Neben dem Kapitalkonto I wird ein zweites variables Gesellschafterkonto geführt, das eine Bezeichnung wie Kapitalkonto II, Darlehenskonto, Kontokorrentkonto o.ä.m. zu tragen pflegt. Dieses Konto dient dazu, über das Kapitalkonto I hinausgehende Einlagen, Gewinn- und Verlustanteile oder aber auch Gesellschafterdarlehen aufzunehmen. Soweit deshalb ein Gesellschaftsvertrag --wie im Streitfall-- die Führung mehrerer Gesellschafterkonten vorschreibt, kann der gesellschaftsteuerrechtlichen Beurteilung nicht mehr die Rechtslage nach dem HGB zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist entscheidend darauf abzustellen, welche Rechtsnatur das Guthaben auf dem gesellschaftsvertraglich vereinbarten zweiten Gesellschafterkonto hat.
3. Die Vereinbarung, daß Gewinne, Verluste und Entnahmen eines Gesellschafters nicht auf dem Kapitalkonto I, sondern auf einem separaten zweiten Gesellschafterkonto zu verbuchen sind, kann einerseits die nur buchmäßige Aufteilung des Kapitalanteils auf ein festes und ein variables Kapitalkonto sein. Dem auf dem zweiten Gesellschafterkonto verbuchten Guthaben kann ebenso eine Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft zugrunde liegen. Welche von beiden Möglichkeiten vereinbart wurde, ist anhand der Bestimmung des Gesellschaftsvertrages im Einzelfall zu entscheiden. Dabei ist darauf abzustellen, welche der ggfs. unterschiedlich eintretenden zivilrechtlichen Folgen von den Gesellschaftern gewollt waren (vgl. Plassmann, Betriebs- Berater --BB-- 1978, 413; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Rz.7121.1).
4. a) Soll das auf dem zweiten Gesellschafterkonto verbuchte Guthaben den Charakter einer schuldrechtlichen Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft haben, so verkörpert der Ausweis die an sich unbedingte Entstehung einer evtl. noch nicht fälligen Zahlungsverbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter. Eine Minderung der Zahlungsverbindlichkeit könnte sich nur nach den allgemeinen Grundsätzen über das Erlöschen von Schuldverhältnissen ergeben (§§ 362 - 397 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Der Gesellschafter müßte seine Forderung im Fälligkeitszeitpunkt wie ein Gläubiger geltend machen. Die Forderung wäre ggfs. noch vor der eigentlichen Auseinandersetzung zu erfüllen und deshalb nicht Teil des Auseinandersetzungsguthabens des Gesellschafters. Im Konkurs der Gesellschaft wäre die Forderung als eine solche des Gesellschafters gegen die Gesellschaft zur Konkurstabelle anzumelden.
b) Soll dagegen das auf dem zweiten Gesellschafterkonto verbuchte Guthaben gesamthänderisch gebundenes Gesellschaftsvermögen bleiben, so würde das Guthaben in der Bilanz nur eine Rechnungsgröße sein, die eine Teilaussage über die vermögensmäßige Beteiligung des betroffenen Gesellschafters an der Gesellschaft enthält. Das Guthaben würde dann keine unbedingt entstandene Zahlungsverpflichtung der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter ausdrücken. Es unterläge laufenden Veränderungen auch zu Lasten des Gesellschafters, die sowohl von dessen Willen als auch von den Voraussetzungen der §§ 362-397 BGB unabhängig wären. Der Gesellschafter könnte "sein Guthaben" nicht wie ein Gläubiger im Fälligkeitszeitpunkt gegenüber der Gesellschaft geltend machen. Vielmehr müßte er das Guthaben entweder dem Gesellschaftsvermögen entnehmen oder aber als Teil seines Auseinandersetzungsguthabens beanspruchen.
c) Entsteht das Guthaben --wie im Streitfall-- aus der Umbuchung von Beträgen, die zuvor auf einem das Gesellschaftsvermögen betreffenden Kapitalkonto verbucht waren, so muß entweder eine Entnahme und eine sich anschließende Darlehensgewährung in Höhe der umgebuchten Beträge oder aber eine unmittelbare rechtsgeschäftliche Umwandlung von Eigenkapital in Fremdkapital festgestellt werden, um das Guthaben als eine individualisierte Gesellschafterforderung behandeln zu können.
d) Werden auch Verluste auf dem separat geführten Gesellschafterkonto verrechnet, so spricht dies grundsätzlich für die Annahme eines im Gesellschaftsvermögen gesamthänderisch gebundenen Guthabens. Nach § 120 Abs.2 HGB besteht nämlich der Kapitalanteil begrifflich aus der ursprünglichen Einlage, den späteren Gewinnen und Verlusten sowie aus den Entnahmen. Damit werden stehengelassene Gewinne --soweit vertraglich nichts anderes vereinbart ist-- wie eine Einlage behandelt; sie begründen keine Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft. Verluste mindern die Einlage; sie mindern dagegen keine Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft. Insoweit fehlt es an den Voraussetzungen der §§ 362 - 397 BGB. Die Einlage stellt damit einschließlich der stehengelassenen Gewinne und abzüglich der Verluste und der Entnahmen für die Gesellschaft Eigen- und kein Fremdkapital dar. Sie sagt über die Höhe des erst später entstehenden Auseinandersetzungsanspruchs des Gesellschafters nichts aus, auch wenn die Einlage die Höhe des Auseinandersetzungsanspruchs beeinflußt. Deshalb läßt sich die Verrechnung von Verlusten auf dem separat geführten Gesellschafterkonto mit der Annahme einer individualisierten Gesellschafterforderung nur dann vereinbaren, wenn der Gesellschaftsvertrag dahin verstanden werden kann, daß die Gesellschafter im Verlustfall eine Nachschußpflicht trifft und die nachzuschießenden Beträge durch Aufrechnung mit Gesellschafterforderungen zu erbringen sind (§§ 387 ff. BGB).
e) Sieht der Gesellschaftsvertrag eine Verzinsung der separat geführten Gesellschafterkonten im Rahmen der Gewinnverteilung vor, so spricht dies weder für noch gegen die Annahme individualisierter Gesellschafterforderungen, weil eine Verzinsung von Fremdkapital (§ 110, § 111 HGB) und eine Verzinsung der Kapitalanteile im Rahmen der Gewinnverteilung (§ 121 Abs.1 und 2, § 168 Abs.1 HGB) gleichermaßen üblich und typisch sind. Sieht allerdings der Gesellschaftsvertrag eine Ermäßigung der Verzinsung entsprechend der Regelung in § 121 Abs.1 Satz 2 HGB vor, so spricht dies für die Annahme eines noch zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Guthabens. § 121 Abs.1 Satz 2 HGB entspricht dem Grundsatz, daß nur der Jahresüberschuß zu verteilen ist. Die dort geregelte Zinsermäßigung vollzieht sich im Rahmen der Gewinnverteilung und berührt die Ermittlung der Höhe des zu verteilenden Gewinns nicht. Verzichtet jedoch ein Gläubiger der Gesellschaft auf die Verzinsung seiner Forderung, so führt dies zu einer Ersparnis von Aufwendungen der Gesellschaft und damit zu einer Veränderung des Jahresüberschusses. Der Verzicht vollzieht sich in diesem Fall erfolgswirksam und vor der Gewinnverteilung.
5. Das FG hat in seiner Entscheidung die zivilrechtlichen Unterschiede zwischen einer individualisierten Gesellschafterforderung und einem noch im Gesellschaftsvermögen gesamthänderisch gebundenen Guthaben nicht hinreichend berücksichtigt. Ihm sind aus diesem Grunde bei der Subsumtion des Sachverhaltes unter § 2 Abs.1 Nrn.2 und 4 Buchst.b KVStG 1972 Rechts- und Denkfehler unterlaufen. Aus diesem Grunde kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Im einzelnen gilt folgendes:
a) Das FG hat seine Entscheidung einmal auf § 4 Abs.3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages gestützt. Danach waren die Beträge, um die die zum 31.Dezember 1962 bestehenden Kapitalanteile die für die Zeit nach dem 31.Dezember 1962 vereinbarten festen Kapitalanteile überstiegen, auf Privat-Darlehenskonten zu verbuchen. Aus einer solchen Vertragsbestimmung läßt sich nichts dafür entnehmen, ob die umgebuchten Mehrbeträge den Charakter einer individualisierten Gesellschafterforderung haben oder aber weiterhin Eigenkapital der Gesellschaft sind. Zwar werden die einem Kommanditisten zukommenden Gewinne gemäß § 167 Abs.2 HGB nur bis zum Betrag seiner bedungenen Einlage seinem Kapitalanteil gutgeschrieben. Auch nehmen Kommanditisten gemäß § 167 Abs.3 HGB nur bis zum Betrage ihres Kapitalanteils und ihrer noch rückständigen Einlage am Verlust der Gesellschaft teil. Jedoch können beide Vorschriften gesellschaftsvertraglich abbedungen werden. In der Praxis ist es deshalb keineswegs ungewöhnlich, daß unbeschadet der Haftungsbeschränkung im Außenverhältnis ein Kommanditist über seine "bedungene Einlage" hinaus am Vermögen der Gesellschaft beteiligt ist, daß er Gewinne im Gesellschaftsvermögen stehen läßt und deshalb mit dem so entstandenen Guthaben im Innenverhältnis am Gesellschaftsrisiko teilnimmt. Dies gilt insbesondere für solche Fälle, in denen die Kommanditgesellschaft aus einer anderen Personengesellschaft entsteht und die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages darauf ausgelegt sind, das bereits vorher bestehende Innenverhältnis unverändert fortzuführen. Deshalb spricht § 4 Abs.3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages nur dafür, daß die Gesellschafter eine von § 167 Abs.2 und 3 HGB abweichende Regelung des Innenverhältnisses getroffen haben.
b) Der Wortlaut des § 4 Abs.3 des Gesellschaftsvertrages läßt ebenfalls die vom FG gezogene Schlußfolgerung, die Privat-Darlehenskonten drückten individualisierte Gesellschafterforderungen aus, nicht zu. Zwar spricht die Bezeichnung als "Darlehens"-konten für die Auffassung des FG. Gleichzeitig wird jedoch das Wort "verbuchen" verwendet, das der Annahme einer rechtsgeschäftlichen Umwandlung von Eigen- in Fremdkapital entgegensteht. Auch sollen die Beträge auf den separaten Gesellschafterkonten "entnommen" werden müssen, was ebenfalls für ihre gesamthänderische Bindung im Gesellschaftsvermögen spricht. Die Auffassung des FG läßt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Kontenklarheit und der Kontenwahrheit ableiten. Dieser Grundsatz drückt nur die allgemeine Vermutung aus, daß Konten "im Zweifel" klar und wahr sind. Ergibt sich jedoch aus den maßgeblichen gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen, daß den Konten eine andere rechtliche Funktion zukommt als die, die ihre Bezeichnung in der Buchführung ausdrückt, so kann auf den Grundsatz der Kontenklarheit und Kontenwahrheit nicht mehr zurückgegriffen werden. Das FG hätte deshalb prüfen müssen, ob die Bezeichnung der Konten mit deren rechtlicher Funktion übereinstimmt, wie sie sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt.
c) Das FG hat die Formulierung des § 7 Abs.3 des Gesellschaftsvertrages unzutreffend gedeutet. Nach dieser Bestimmung sind Verluste der Gesellschaft entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel aus den Privat-Darlehenskonten der Gesellschafter zu decken. Dies gilt jedoch nur insoweit, als die Privat-Darlehenskonten einen Habensaldo aufweisen. Die Verlustverrechnung spricht in besonderem Maße dafür, daß den Privat-Darlehenskonten eine Kapitalanteilsfunktion zukam. Dies gilt um so mehr, als die Formulierung des § 7 Abs.3 des Gesellschaftsvertrages keine Nachschußpflicht der Kommanditisten begründete (vgl. oben II.4.d).
d) Entgegen der Auffassung des FG sprechen die Einschränkungen des Verfügungsrechts der Gesellschafter über die Guthaben auf den separaten Gesellschafterkonten insoweit für die Annahme von Gesellschaftsvermögen, als sie als "Entnahme"-beschränkungen bezeichnet wurden. Dem FG ist allerdings zuzugeben, daß auch Gesellschafterdarlehen mit Kündigungsbeschränkungen versehen werden können, die in ihrem wirtschaftlichen Gehalt den vereinbarten Entnahmebeschränkungen gleichstehen. So gesehen sprechen die vereinbarten Entnahmebeschränkungen weder gegen die Annahme von Gesellschaftsvermögen noch für die Annahme individualisierter Gesellschafterforderungen.
e) Zu Unrecht hat das FG von der vereinbarten Verzinsung der Privat-Darlehenskonten auf die Annahme individualisierter Gesellschafterforderungen geschlossen. Da die Verzinsung sich nur auf die ursprüngliche Einlage und die später stehengelassenen Gewinne bezog, gelten die Ausführungen zu II. 4. e. Eine andere Beurteilung könnte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn auf den Privat-Darlehenskonten auch laufende Einzahlungen der Gesellschafter verbucht worden wären (vgl. BFHE 150, 447, BStBl II 1987, 823). Solche Einzahlungen können für sich genommen Darlehen sein. Das FG hat jedoch in tatsächlicher Hinsicht keine Einzahlungen festgestellt.
f) Zu Unrecht hat das FG seine Würdigung darauf gestützt, daß sich die Gewinn- und Verlustbeteiligung lt. Gesellschaftsvertrag nur nach den festen Beteiligungskonten richtete. Dieser Umstand besagt nichts über den rechtlichen Charakter der daneben auf separaten Gesellschafterkonten ausgewiesenen Guthaben. Deshalb trägt die Überlegung des FG dessen Entscheidung nicht. Darüber hinaus hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß in den Nachweisen über die Gewinnverwendung für die Wirtschaftsjahre 1974/75, 1975/76 und 1976/77 von "Gewinnausschüttungen", "Gesamtausschüttungen" und "Gewinnvorwegentnahmen" die Rede ist. Jedoch betrifft der Streitfall überwiegend Verlustverrechnungen aus den Wirtschaftsjahren 1971/72 und 1973/74. Auch haben die Gewinnverwendungsnachweise keinen rechtsgeschäftlichen Charakter. Sie lassen deshalb nicht den Schluß zu, daß zwischen der Klägerin und ihren Gesellschaftern abweichend vom Gesellschaftsvertrag Gesellschafterforderungen bzw. Gesellschaftsverbindlichkeiten begründet werden.
6. Die Sache ist entscheidungsreif. Da alle in Betracht kommenden Abgrenzungsmerkmale für die Annahme sprechen, daß im Streitfall die auf den Privat-Darlehenskonten ausgewiesenen Guthaben zum Gesellschaftsvermögen zählten und damit Eigenkapital der Klägerin waren, fehlt es an einer Kapitalzufuhr von außen. Deshalb ergeben sich gesellschaftsteuerpflichtige Leistungen weder aus § 2 Abs.1 Nr.2 noch aus § 2 Abs.1 Nr.4 Buchst.b KVStG 1972. Bei dieser Sachlage kann auch dahinstehen, welche der beiden Vorschriften im Streitfall vorrangig anzuwenden wäre. Die Vorentscheidung, die angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheide und die Einspruchsentscheidung waren aufzuheben, da ein gesellschaftsteuerpflichtiger Tatbestand nicht verwirklicht wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 62322 |
BStBl II 1988, 551 |
BFHE 152, 543 |
BFHE 1988, 543 |
BB 1988, 1312-1314 (LT1) |
HFR 1988, 402 (LT1) |