Leitsatz (amtlich)
Zur Bestimmung des Begriffs des Arbeitgebers i.S. des Art.15 Abs.2 Buchst.b DBA-Spanien.
Orientierungssatz
1. Die in Art. 15 Abs. 2 Buchst. b DBA-Spanien verwandten Worte, "wenn die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden", lassen darauf schließen, daß unter Arbeitgeber i.S. des Abkommens derjenige Unternehmer verstanden werden soll, der die Vergütungen für die ihm geleistete unselbständige Arbeit wirtschaftlich trägt, sei es, daß er die Vergütungen unmittelbar dem betreffenden Arbeitnehmer auszahlt, sei es daß ein anderes Unternehmen für ihn mit diesen Arbeitsvergütungen in Vorlage tritt (Literatur). Nach dem Zweck der Abkommensvorschrift soll der Staat der vorübergehenden Tätigkeit des Arbeitnehmers auf sein Besteuerungsrecht nur dann verzichten, wenn der gezahlte Arbeitslohn den seiner Steuerhoheit unterliegenden Gewinn des Betriebs nicht gemindert hat. Im Streitfall war der Kläger vorübergehend (weniger als 183 Tage) von seiner inländischen Arbeitgeberin für bestimmte Arbeitsleistungen bei einer spanischen Gesellschaft "freigestellt" worden. Es konnte dahinstehen, ob es sich hier um eine Arbeitnehmerüberlassung im herkömmlichen Sinn gehandelt hatte, die nach innerstaatlichem Steuerrecht zur Folge gehabt hätte, daß in der Regel kein Arbeitsverhältnis zum "Entleiher" der Arbeitskraft begründet worden wäre (vgl. hierzu BFH-Rechtsprechung). Das Dienstverhältnis des Klägers zur spanischen Gesellschaft wies jedenfalls die wesentlichen Merkmale eines Arbeitsverhältnisses auf: Der Kläger hatte dieser Gesellschaft seine Arbeitsleistung geschuldet, er war unter deren Leitung tätig gewesen und war deren Weisungen unterworfen. Die spanische Gesellschaft war mit den entsprechenden Arbeitsvergütungen, die die inländische Arbeitgeberin dem Kläger ausgezahlt hatte, belastet worden. Das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn, der zeitanteilig auf die Tätigkeit des Klägers in Spanien entfiel, stand dem spanischen Staat zu.
2. Als Richtschnur für die Auslegung eines DBA in nachstehende Reihenfolge maßgebend: Wortlaut und Definition des Abkommens, Sinn und Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens sowie Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts (Literatur).
Normenkette
DBA ESP Art. 15 Abs. 2 Buchst. b
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Entscheidung vom 17.01.1980; Aktenzeichen VII 484/77 E) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger ist als Betriebswirt bei einem inländischen Arbeitgeber --der X-AG-- beschäftigt. Im Jahre 1975 wurde er an insgesamt 147 Tagen von seinen Aufgaben für die X-AG freigestellt, um in dieser Zeit in Spanien bei der dort ansässigen Y-S.A. Funktionen zu übernehmen. Die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers in Spanien angefallenen Löhne und sonstigen Kosten wurden von der inländischen X-AG der spanischen Gesellschaft angelastet. Nach einer Bescheinigung der X-AG, deren Inhalt von Y-S.A. bestätigt wurde, wickelte der Kläger die ihm übertragenen Aufgaben nach den Weisungen der Y.-S.A. in deren Namen ab.
Für das Streitjahr 1975 veranlagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Kläger erklärungsgemäß mit dem vollen Jahresarbeitslohn. In ihrem Einspruch beantragten die Kläger --neben der Berücksichtigung eines Pauschbetrags für Körperbehinderte und der Unterhaltsaufwendungen für ein Kind des Klägers aus einer früheren Ehe-- den auf die Tätigkeit des Klägers in Spanien entfallenden Teil des Gehalts von der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) zu befreien. In der Einspruchsentscheidung gewährte das FA zwar den Pauschbetrag für Körperbehinderte, zog aber weiterhin den auf die Auslandstätigkeit entfallenden Arbeitslohn zur Einkommensteuer heran.
Mit ihrer Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. Sie vertraten die Ansicht, daß die in Spanien erzielten Arbeitseinkünfte nicht in Deutschland steuerpflichtig seien, da die Y-S.A. während der fraglichen Zeit Arbeitgeber des Klägers gewesen sei.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Einkommensteuer --unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts (§ 32b des Einkommensteuergesetzes --EStG--)-- antragsgemäß herab. Das Urteil des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 447 veröffentlicht.
Gegen die Entscheidung des FG wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt Verletzung materiellen Rechts. Der Kläger habe nicht sämtliche Voraussetzungen des Art.15 Abs.2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Spanien) erfüllt, die es erlaubten, den für die Tätigkeit in Spanien erhaltenen Arbeitslohn von der deutschen Besteuerung auszunehmen. Er habe sich zwar weniger als 183 Tage des maßgeblichen Steuerjahres in Spanien aufgehalten; es fehle aber an der Voraussetzung, daß die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt worden seien, der nicht in dem anderen Staat (Spanien) ansässig sei.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er schließt sich der Auffassung des FG an. Das deutsche Besteuerungsrecht sei bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden wirksam eingeschränkt, auch wenn die spanische Fassung des Art.15 Abs.2 Buchst.b des Abkommens den Arbeitgeber nur mit "persona", also mit "Person" bezeichne. In dem folgenden Buchstaben c der Vorschrift sei die "persona" im Sinne des Arbeitgeberbegriffs näher erläutert.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Das FG hat zu Recht den auf die Tätigkeit in Spanien entfallenden Teil des Gehalts des Klägers von der inländischen Besteuerung ausgenommen.
Im Verhältnis zu Spanien ist die Besteuerung der Einkünfte aus gegenwärtiger unselbständiger Arbeit in Art.15 DBA-Spanien geregelt. Zunächst gilt nach Abs.1 der Grundsatz, daß nur dem Wohnsitzstaat das Besteuerungsrechts zusteht. Wird die unselbständige Arbeit nicht nur vorübergehend in dem anderen Staat ausgeübt, so kann dieser als Quellenstaat das Besteuerungsrecht ausüben. Übt demnach ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer des Privatdienstes nicht nur vorübergehend seine Arbeit in Spanien aus, steht das Besteuerungsrecht dem spanischen Staat zu. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaates entfällt, wenn bei nur vorübergehender dortiger Tätigkeit die Voraussetzungen des Art.15 Abs.2 DBA-Spanien --der sog. 183 Tage-Klausel-- erfüllt sind. Dabei müssen sämtliche in Abs.2 Buchst.a bis c genannten Voraussetzungen vorliegen. Im Falle eines in Deutschland ansässigen und vorübergehend in Spanien tätigen Arbeitnehmers bedeutet dies:
a) Der Empfänger der Vergütungen --der deutsche Arbeitnehmer-- darf sich nicht länger als insgesamt 183 Tage während des betreffenden Steuerjahres im anderen Staat (Spanien) aufhalten,
b) die Vergütungen müssen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im anderen Staat (Spanien) ansässig ist, und
c) die Vergütungen dürfen nicht von einer Betriebstätte oder einer festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber in dem anderen Staat (Spanien) hat.
Die Besteuerung steht im Streitfall dem anderen Staat (Spanien) zu, da der Kläger nicht alle Voraussetzungen des Abs.2 Buchst.a bis c DBA-Spanien erfüllt hat.
Nach den Feststellungen des FG hat sich der Kläger weniger als 183 Tage während des Steuerjahres (Kalenderjahres) 1975 in Spanien aufgehalten (Art.15 Abs.2 Buchst.a DBA-Spanien). Es ist weiterhin unstreitig, daß die Vergütungen nicht von einer Betriebstätte oder festen Einrichtung der X-AG in Spanien getragen worden sind. Die Y-S.A. ist auch dann nicht als Betriebstätte der X-AG anzusehen, wenn beide Gesellschaften konzernmäßig verbunden sein sollten (vgl. Art.5 Abs.6 DBA-Spanien zur Behandlung der Tochtergesellschaften eines beherrschenden Unternehmens).
Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß es im Streitfall allein darauf ankommt, ob die Voraussetzungen des Art.15 Abs.2 Buchst.b DBA-Spanien vorliegen. Das hängt davon ab, ob die inländische X-AG oder die in Spanien ansässige Y-S.A. als Arbeitgeber des Klägers im Sinn dieser Vorschrift anzusehen sind. Das FG ist im Wege der Auslegung dazu gelangt, daß die Arbeitgebereigenschaft der in Spanien ansässigen Y-S.A. beizulegen war. Dem folgt der erkennende Senat.
Die DBA haben ihre eigene Begriffsprache. Die Abkommensauslegung hat das zu berücksichtigen. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß als Richtschnur für die Auslegung eines DBA nachstehende Reihenfolge maßgebend ist (Korn/Debatin, Doppelbesteuerung, Bd.1, Systematik III, 121 ff.):
a) Wortlaut und Definitionen des Abkommens,
b) Sinn und Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens,
c) Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts.
Der Begriff des Arbeitgebers ist --anders als der Begriff der Betriebstätte (Art.5 DBA-Spanien)-- im Abkommen nicht definiert. Vor der Anwendung etwaiger innerstaatlicher Begriffsbestimmungen des Arbeitgebers ist --so schreibt es Art.3 Abs.2 DBA-Spanien vor-- zu untersuchen, ob sich eine eigene Begriffsbestimmung aus dem Sinnzusammenhang der Vorschriften des Abkommens gewinnen läßt. Den Vorschriften des Art.15 Abs.2 Buchst.a bis c DBA-Spanien kann zunächst entnommen werden, daß "Arbeitgeber" nicht mit den Begriffen "Betriebstätte" oder "feste Einrichtung" gleichzusetzen ist, die ein Unternehmen in dem anderen Staat hat. Die in Art.15 Abs.2 Buchst.b DBA- Spanien verwandten Worte, "wenn die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden", lassen --auch im Zusammenhang mit Abs.2 Buchst.c dieser Vorschrift-- darauf schließen, daß unter Arbeitgeber im Sinne des Abkommens derjenige Unternehmer verstanden werden soll, der die Vergütungen für die ihm geleistete unselbständige Arbeit wirtschaftlich trägt, sei es, daß er die Vergütungen unmittelbar dem betreffenden Arbeitnehmer auszahlt, sei es, daß ein anderes Unternehmen für ihn mit diesen Arbeitsvergütungen in Vorlage tritt (Flick/Wassermeyer/Wingert, DBA-Schweiz, Art.15 Tz.51). Anknüpfend an dieses Verständnis des Arbeitgeberbegriffs soll --wie das FG zutreffend ausführt-- nach dem Zweck der Abkommensvorschrift der Staat der vorübergehenden Tätigkeit des Arbeitnehmers auf sein Besteuerungsrecht nur dann verzichten, wenn der gezahlte Arbeitslohn den seiner Steuerhoheit unterliegenden Gewinn des Betriebs nicht gemindert hat.
Bedenken in der Hinsicht, daß die spanische Textfassung möglicherweise nicht mit der deutschen Fassung des Art.15 Abs.2 Buchst.b des Abkommens übereinstimmt und dadurch das deutsche Besteuerungsrecht nicht wirksam ausschließt, ergeben sich nicht. Die deutsche Fassung verwendet in Art.15 Abs.2 Buchst.b und c das Wort "Arbeitgeber", die spanische in Buchst.b das Wort "persona", was mit "Person" zu übersetzen ist; in Buchst.c wird dem Wort "persona" angefügt (in deutscher Übersetzung): (Person), für die (der Betreffende) arbeitet. Durch diese Kennzeichnung in Buchst.c wird die "persona" des Buchst.b näher erläutert. Sie beinhaltet nichts anderes als eine Angleichung an das deutsche Wort "Arbeitgeber". Von Belang ist auch, daß in der deutschen Fassung des Abs.2 Buchst.c das Wort "Arbeitgeber" ohne jeden Zusatz verwendet wird, während die spanische Fassung wegen des Wortes "persona" noch den oben erwähnten Zusatz macht, "für die (der Betreffende) arbeitet". Auf welchen Umständen eine mögliche Ungenauigkeit der spanischen Fassung beruht (nach Angaben des BMF zunächst Paraphierung eines englischen Textes, der dann in die deutsche und spanische Sprache übersetzt worden ist), kann dahingestellt bleiben. Da beide Vertragstexte authentisch sind, wird vermutet, daß die verwendeten Ausdrücke in beiden Fassungen dieselbe Bedeutung haben (vgl.Art.33 Abs.3 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.Mai 1969, ratifiziert durch das Gesetz vom 3.August 1985, BGBl II 1985, 926, abgedruckt auch bei Sartorius II, Internationale Verträge, Europarecht, Nr.320).
Im Streitfall war der Kläger vorübergehend von seiner inländischen Arbeitgeberin für bestimmte Arbeitsleistungen bei der Y-S.A. --so das FG-- "freigestellt" worden. Es kann dahinstehen, ob es sich hier um eine Arbeitnehmerüberlassung im herkömmlichen Sinn gehandelt hat, die nach innerstaatlichem Steuerrecht zur Folge gehabt hätte, daß in der Regel kein Arbeitsverhältnis zu dem "Entleiher" der Arbeitskraft begründet worden wäre (vgl. hierzu Urteile des Bundesfinanzhofs vom 5.Oktober 1977 I R 90/75, BFHE 124, 29, BStBl II 1978, 205, und vom 2.April 1982 VI R 34/79, BFHE 135, 501, BStBl II 1982, 502). Das Dienstleistungsverhältnis des Klägers zur Y-S.A. weist jedenfalls die wesentlichen Merkmale eines Arbeitsverhältnisses auf: Der Kläger hat dieser Gesellschaft seine Arbeitsleistung geschuldet, er ist unter deren Leitung tätig gewesen und war deren Weisungen unterworfen.
Somit war nach der vorstehenden Auslegung die Y-S.A. Arbeitgeber des Klägers während seiner Tätigkeit in Spanien. Die spanische Gesellschaft ist mit den entsprechenden Arbeitsvergütungen, die die inländische X-AG dem Kläger ausgezahlt hatte, belastet worden und hat demgemäß den Arbeitslohn wirtschaftlich getragen. Aus dem Sachverhalt ergibt sich nicht, daß der Arbeitslohn, mit dem die spanische Gesellschaft belastet worden ist, Preisbestandteil für eine Lieferung oder Werkleistung seitens der X-AG an die spanische Gesellschaft gewesen ist. Das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn, der zeitanteilig auf die Tätigkeit des Klägers in Spanien entfällt, steht demnach dem spanischen Staat und nicht der Bundesrepublik zu. Welche Beträge dies im einzelnen sind, ist nicht streitig. Auf die verbleibenden Einkünfte ist --was das FG ebenfalls beachtet hat-- der Progressionsvorbehalt (Art.23 Abs.1 DBA-Spanien, § 32b EStG) anzuwenden.
Fundstellen
Haufe-Index 60713 |
BStBl II 1986, 4 |
BFHE 144, 428 |
BFHE 1986, 428 |
DB 1986, 26-26 (ST) |
HFR 1986, 163-163 (S) |
FR 1986, 23-24 (ST) |
DStZ/E 1986, 31-31 (ST) |