Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit und Begründetheit eines Auflösungsantrags im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses. Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen angeblich unangemessenen Verhaltens des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess
Leitsatz (amtlich)
1. Von einer begrenzten Berufung werden auch all jene Anträge erfasst, die von dem in der Berufung angegriffenen Entscheidungsteil prozessual abhängen. Das betrifft auch den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag. Zwar ist er vom reinen Wortlaut "nur" darauf gerichtet, die Arbeitgeberin zu verurteilen, die Klägerin "bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens" in der zuletzt ausgeübten Funktion weiterzubeschäftigen. Zum Kündigungsschutzverfahren zählt allerdings auch der Auflösungsantrag der Beklagten. Aus diesem Grund ist der von der Klägerin aufrechterhaltene Weiterbeschäftigungsantrag als unechter Hilfsantrag zu verstehen, über den nur unter der Voraussetzung zu entscheiden ist, dass sie mit ihrem Feststellungsantrag obsiegt und der Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen wird (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 55). Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass das Arbeitsgericht in seiner Begründung für das Obsiegen mit dem Weiterbeschäftigungsanspruch allein auf das Obsiegen mit dem Kündigungsschutzantrag - und nicht auch auf das Obsiegen gegen den Auflösungsantrag der Arbeitgeberin - abgestellt hat. Insoweit kommt es allein auf die maßgeblichen innerprozessualen Bedingungen und nicht auf die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung an. Ob die Klägerin allerdings auch gegen den Auflösungsantrag obsiegt, ist gerade Gegenstand des Berufungsverfahrens. Insoweit ist der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag - unabhängig von entsprechenden Anträgen der Arbeitgeberin - wegen der Abhängigkeit vom Auflösungsantrag im Berufungsverfahren angefallen.
2. Jedenfalls dann, wenn der Erwerber bereits Partei im Prozess ist und der Betriebsübergang vor dem Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt, kann er die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragen. Der Betriebserwerber verfolgt in diesem Fall nicht die Rechte des Veräußerers, sondern die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, das zum Beendigungstermin mit ihm bestehen würde (vgl. zum umgekehrten Fall BAG 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - Rn. 31, BAGE 114, 362). Auch für die gegenteilige Situation hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts das Antragsrecht des Arbeitnehmers nur gegenüber dem Erwerber anerkannt (BAG 20. März 1997 - 8 AZR 769/95 - BAGE 85, 330). Es soll nämlich das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zu dem neuen Arbeitgeber aufgelöst werden. Für diesen Streit besteht keine Sachbefugnis des früheren Arbeitgebers. Daran ändert die Tatsache nichts, dass das Arbeitsverhältnis so auf den Erwerber übergeht, wie es beim Betriebsübergang bestanden hat.
3. Bei in einem laufenden Gerichtsverfahren - etwa im Kündigungsschutzprozess - abgegebenen Erklärungen ist zu berücksichtigen, dass diese durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22; 9. September 2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 12). Parteien dürfen zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe). Ein Prozessbeteiligter darf auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Dies gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Parteien dürfen nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 -).
4. Ob ein Antrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG, solange er nicht abschlägig beschieden worden ist, ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers zu begründen vermag (vgl. BAG 16. November 1995 - B 8 AZR 864/93 - BAGE 81, 265), bedurfte keiner Entscheidung (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 55). Denn die Kammer hat den Auflösungsantrag ebenfalls abschlägig beschieden, so dass es bei der grundsätzlichen Abwägung zugunsten der Arbeitnehmerin verbleibt. Die Beklagte zu 2. hat zudem keine berechtigten Interessen geltend gemacht, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen.
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 9
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 25.06.2015; Aktenzeichen 6 Ca 8998/14) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten zu 2. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25. Juni 2015 - 6 Ca 8998/14 - wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte zu 2. hat die Kosten der Berufung zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in...