Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückzahlung von Fortbildungskosten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Unwirksamkeit der Rückzahlung von Ausbildungskosten wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers. Unwirksamkeit einer Rückzahlungsklausel wegen Ausscheiden aus Arbeitsverhältnis aus persönlichen Gründen. Unzulässige Abwälzung von Fortbildungskosten auf Arbeitnehmer bei fehlender Beschäftigung auf Grundlage der Qualifikation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der Fortbildungskosten zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Bindungsfrist "aus persönlichen Gründen" aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, da davon auch solche Gründe erfasst werden, die von dem Arbeitnehmer nicht zu vertreten sind oder die auf Maßnahmen zurückgehen, die dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind.

2. Eine Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung ist nicht deshalb der Inhaltskontrolle entzogen, weil das Vertragsmuster Anlage einer Dienstvereinbarung zur Regelung von Fortbildungsmaßnahmen ist.

3. Eine Abwälzung von Fortbildungskosten auf den Arbeitnehmer ist unzulässig, wenn der Arbeitgeber nicht bereit oder nicht in der Lage ist, den Arbeitnehmer seiner neu erworbenen Qualifikation entsprechend zu beschäftigen.

 

Normenkette

BGB § 305 Abs. 1, § 306 Abs. 1, § 307 Abs. 1, § 310 Abs. 4; PersVG MV § 66 Abs. 1, § 68 Abs. 1 Nr. 17; GG Art. 12 Abs. 1; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Entscheidung vom 28.07.2021; Aktenzeichen 1 Ca 273/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 28.07.2021 - 1 Ca 273/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten für ein berufsbegleitendes Masterstudium.

Der klagende Landkreis schloss mit dem Personalrat am 05.02.2013 die Dienstvereinbarung Nr. 6 "Regelungen zur Teilnahme an berufsbegleitenden Fortbildungsmaßnahmen", gültig ab 01.03.2013. In dieser Dienstvereinbarung heißt es:

"...

§ 2 Fortbildungsmaßnahmen

...

Im überwiegend dienstlichen Interesse liegen Fortbildungsmaßnahmen, die

a) zur Erhaltung und Verbesserung der Eignung für den derzeitigen Arbeitsplatz führen;

b) Mitarbeiter, deren Arbeitsplatz sich voraussichtlich verändert, in die Lage versetzt, sich auf diese Veränderungen vorzubereiten.

§ 3 Bewerbungen für die Teilnahme

...

Über die Zulassung zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen nach § 2 Abs. 2 entscheidet der Arbeitgeber mit Zustimmung durch den Personalrat. Einzelheiten werden in einer Fortbildungsvereinbarung festgeschrieben (Muster - Anlage 1).

§ 4 Kosten

...

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die innerhalb von 3 Jahren nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme auf eigenen Wunsch die Dienststelle verlassen, haben die vom Arbeitgeber getragenen Fortbildungskosten zu erstatten.

Die Erstattung wird wie folgt gestaffelt:

• bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im 1. Jahr - Erstattung der Teilnahmegebühren in voller Höhe

• bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im 2. Jahr - Erstattung von 2/3 der Teilnahmegebühren

• bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im 3. Jahr - Erstattung von 1/3 der Teilnahmegebühren

..."

Dieser Dienstvereinbarung ist als Anlage 1 ein Muster für eine Fortbildungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit verschiedenen auszufüllenden Feldern und anzukreuzenden Varianten beigefügt.

Die im Jahr 1981 geborene Beklagte nahm Anfang 2016 entsprechend ihrer Ausbildung zur Diplom-Sozialarbeiterin/Diplom-Sozialpädagogin bei dem Kläger eine Beschäftigung als Fachgebietsleiterin "Jugend" auf. Auf Anregung des Klägers schlossen die Parteien am 17.03.2017 im Hinblick auf eine spätere Verwendung der Beklagten als Fachdienstleiterin eine Fortbildungsvereinbarung. Diese Fortbildungsvereinbarung entspricht dem Muster der Dienstvereinbarung Nr. 6. Sie hat den folgenden Inhalt:

"...

1. Grundsatz

Frau [Beklagte] nimmt von April 2017 bis voraussichtlich Herbst 2019 an der Fortbildung des berufsbegleitenden Masterstudiums "Master of Public Administration" an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in B. teil.

X Die Teilnahme an der Fortbildung erfolgt im überwiegenden dienstlichen Interesse.

□ Die Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme erfolgt im Interesse beider Parteien.

2. Kosten

Die Teilnahme an der Fortbildung zum "Master of Public Administration" umfasst eine Teilnahmegebühr insgesamt in Höhe von 7.420,00 €.

X Diese Kosten werden in Höhe von 100 % Prozent durch den Arbeitgeber getragen.

□ Diese Kosten werden in Höhe von ... Prozent durch den Frau .../Herrn ... getragen.

Alle weiteren anfallenden Kosten für Unterlagen, Fahrten oder Übernachtungen sind durch den Teilnehmer der Fortbildungsmaßnahme selbst zu finanzieren.

3. Freistellung

Eine Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung bzw. Bezüge für die Teilnahme an den Unterrichtstagen sowie den Tagen der schriftlichen und mündlichen Abschlussprüfu...

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