Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Tätigkeit i.S.d. § 105 SGB VII. Haftungsfreistellung des Arbeitnehmers bei einem von ihm verursachten Schaden. Warnung mit dem Signalhorn als betriebliche Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit und das Eingreifen des Haftungsausschlusses ist die Verursachung des Schadensereignisses durch eine Tätigkeit des Schädigers entscheidend, die ihm von dem Betrieb oder für den Betrieb übertragen war oder die von ihm im Betriebsinteresse ausgeführt wurde.
2. Für die Haftungsfreistellung des Arbeitnehmers ist maßgeblich, ob der Schaden in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit oder aber bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb durch den Schädiger verursacht wurde und folglich nur dem persönlich-privaten Bereich des schädigenden Arbeitnehmers zuzurechnen ist.
3. Steht das Betätigen des Signalhorns des Feuerwehrwagens in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der zu erledigenden Arbeit, nämlich das Fahrzeug an den vorgesehenen Abstellplatz zu verbringen, ist die Handlung des Arbeitnehmers im Ergebnis auf die Erledigung betrieblicher Interessen gerichtet. Dazu zählt auch die akustische Warnung anderer Mitarbeiter oder Betriebsfremder vor einer gefahrenträchtigen Situation beim Rangieren mit einem schweren Fahrzeug.
Leitsatz (amtlich)
Der Haftungsausschluss nach § 105 SGB VII entfällt nicht schon dann, wenn ein bestimmtes und für den Gesundheitsschaden ursächliches Handeln - hier die Betätigung des Signalhorns eines Feuerwehrfahrzeuges - gewollt war. Er entfällt nur dann, wenn auch der Gesundheitsschaden - hier Tinnitus - für den Fall seines Eintritts gewollt war, also mindestens gebilligt, jedenfalls aber in Kauf genommen wurde.
Normenkette
SGB VII § 105; BGB § 823 Abs. 1; SGB VII § 8 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 30.05.2022; Aktenzeichen 3 Ca 5672/21) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg vom 30.05.2022 - 3 Ca 5672/21 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall.
Der 1970 geborene Kläger und der Beklagte waren Beschäftigte der U... in der Feuerwache der Kaserne in A....
Der Beklagte wollte am 14.08.2018 ein Feuerwehrfahrzeug zurück zum Unterbringungsort auf dem Gelände der Feuerwache bringen. Dazu musste er einen engen Hofeinfahrtsbereich passieren. Dort saßen zwei Feuerwehrleute auf einer Parkbank und der Kläger stand mit dem Rücken zum herannahenden Feuerwehrfahrzeug auf dem Bürgersteig. Er bemerkte das herannahende Fahrzeug nicht. Der Beklagte hielt das Fahrzeug an. Anschließend betätigte er kurz das Signalhorn des Fahrzeuges. Danach setzte er seine Fahrt langsam fort.
Nur der Kläger erlitt durch das Betätigen des Signalhorns einen Gesundheitsschaden. Er begab sich in ärztliche Behandlung. Er war danach mehr als 18 Monate arbeitsunfähig erkrankt.
Die Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) ließ einen Unfallbericht erstellen. In diesem Zusammenhang wurde die Unfallsituation nachgestellt. Nach dem Unfalluntersuchungsbericht vom 23.07.2019 (Bl. 7 ff der Akte) wurde für eine Entfernung von ca. vier Metern von dem Lufthorn ein Spitzenschalldruck von 137 bis 140 dBC gemessen. Ferner wurde ein HNO-Gutachten eingeholt. Das Gutachten vom 12.08.2019 (Bl. 26 ff der Akte) kam zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger geltend gemachten Gleichgewichtsstörungen auf dem HNO-ärztlichen Gebiet nicht objektiviert werden könnten, aber eine Zunahme der Hörminderung und ein beidseitiger Tinnitus mit Wahrscheinlichkeit auf den Vorfall vom 14.08.2018 zurückzuführen seien. Ferner wurde eine bereits am 05.04.2017 festgestellte Vorschädigung in Form einer Hochtonsenke festgestellt. Der Unfall wurde als Arbeitsunfall anerkannt.
Mit Bescheid vom 03.01.2019 (Bl. 44 der Akte) wurde ein GdB von 30 anerkannt.
Neben dem Signalhorn verfügt das Fahrzeug über eine Hupe, welche jedoch nicht alleine betätigt werden kann, sondern gleichzeitig das Signalhorn auslöst.
Mit Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg begehrte der Kläger Schmerzensgeld, Feststellung der Ersatzpflicht von Folgeschäden und die Erstattung vorgerichtlicher Kosten.
Er trug vor, er habe durch die Betätigung des Signalhorns gesundheitliche Schäden erlitten, an denen er immer noch leide. Auf das Haftungsprivileg des § 105 SGB VII könne sich der Beklagte nicht berufen.
Es liege schon keine betriebliche Tätigkeit vor. Allein aus der Benutzung eines Betriebsmittels könne noch nicht auf eine betriebliche Tätigkeit geschlossen werden. Er vermute, der Beklagte habe ihn durch die Betätigung des Lufthorns erschrecken wollen, also nicht in Ausführung einer betrieblichen Tätigkeit, sondern nur bei Gelegenheit und anlässlich einer solchen gehandelt. Gleiches gelte beispielhaft für einen Polizisten, der ohne Berechtigung einen Warnschuss in die Luft abgebe.
Zum anderen habe der Beklagte jedenfall...