Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsausschluss nach § 105 Abs. 1 SGB VII. Haftungsprivilegierung nur bei betriebsbezogener Tätigkeit. Mitverursachung eines Schadens im Betrieb durch einen Hund

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Haftungsprivilegierung nach § 105 Abs. 1 SGB VII erstreckt sich auf alle deliktischen und vertraglichen Haftungsgrundlagen und erfasst auch eine Gefährdungshaftung. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Versicherungsfall vorsätzlich oder auf dem Weg von oder zur Arbeit herbeigeführt wurde.

2. Für die Haftungsfreistellung ist maßgeblich, dass der Schaden in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit eingetreten ist. Ist der Schaden nur bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb eingetreten und folglich nur dem persönlich-privaten Bereich des Schädigers zuzurechnen, greift die Haftungsprivilegierung aus § 105 Abs. 1 SGB VII nicht ein.

3. Ist der Schaden bei einer betriebsbezogenen Tätigkeit durch den vom Schädiger im Einverständnis mit dem Arbeitgeber mitgebrachten Hund mitverursacht worden, kommt es für den Haftungsausschluss darauf an, ob das Mitbringen des Hundes im betrieblichen Interesse erfolgte oder ob es sich dabei nur um eine rein persönlich-private Gewohnheit handelte.

 

Normenkette

SGB VII § 8 Abs. 1, §§ 104-105; BGB § 823 Abs. 1-2, § 833; StGB § 229; ArbGG § 12a

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 09.01.2019; Aktenzeichen 10 Ca 3430/18)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 09.01.2019 - 10 Ca 3430/18 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schmerzensgeld sowie Schadensersatzansprüche, die die Klägerin in der Berufungsinstanz nur noch gegen die frühere Beklagte zu 2) (im Folgenden Beklagte) geltend macht.

Die am 01.08."0000" geborene und als Reinigungskraft tätige Klägerin hat erstinstanzlich gegen ihre Arbeitgeberin, die frühere Beklagte zu 1), und die Beklagte als einer Mitarbeiterin der früheren Beklagten zu 1), Schmerzensgeld und Schadensersatz aufgrund eines Unfalles vom 01.06.2017 auf dem Betriebsgelände der früheren Beklagten zu 1) geltend gemacht, den der junge Hund der Beklagten verursachte. Die Beklagte brachte ihren Hund schon als Welpen mit in den Betrieb, der sich dort während deren Arbeitszeit aufhielt, was auch der Klägerin bekannt war.

Am 01.06.2017 betrat die Klägerin gegen 08.00 Uhr das Betriebsgelände der früheren Beklagten zu 1) und gab in dem Betriebsgebäude ihre monatliche Stundenabrechnung sowie Putzutensilien ab, die von der früheren Beklagten zu 1) gereinigt werden. Zu diesem Zeitpunkt befand sich auf dem Betriebsgelände der Beklagten auch der bekanntermaßen als etwas ungestüm geltende junge Hund der Beklagten, den die Klägerin jedenfalls auch sah. Ob der Hund zu diesem Zeitpunkt in den Eingangsbereich hereinstürmte und die Schwester der Beklagten, die als Zeugin benannten A. begrüßte, ist zwischen den Parteien streitig. Daran, ob Frau A. die Klägerin zu diesem Zeitpunkt sinngemäß mit den Worten "Sie wissen ja, der Löwe kommt, stellen Sie sich besser an den Tresen" auf das Kommen der Beklagten und ihres Hundes hinwies, hat die Klägerin nach eigenem Vorbringen keine Erinnerung. Die Klägerin stand jedenfalls zu diesem Zeitpunkt am Tresen, der sich in dem Büroraum befand, in dem die Klägerin die Putzutensilien abgab.

Nachdem die Klägerin ihre Reinigungsarbeiten am 01.06.2017 nach rund 1,5 Stunden erledige, kehrte sie auf das Betriebsgelände der früheren Beklagten zu 1) zurück, um die morgens abgegebenen Putzutensilien abzuholen. Ob die Klägerin den Hof des Betriebsgrundstücks der früheren Beklagten zu 1) betreten musste, um die gereinigten Putzutensilien abzuholen, ist zwischen den Parteien streitig. Die Hofeinfahrt war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls mit einem Netz abgesperrt, wobei zwischen den Parteien ebenfalls streitig ist, ob das Netz zusätzlich mit zwei gefüllten Gießkannen beschwert war, um das Weglaufen des Hundes zu verhindern.

Um auf das Betriebsgelände der früheren Beklagten zu 1) zu gelangen, hängte die Klägerin zunächst das Netz ab, und als sie auf das Gelände gelang, wieder ein. Als die Klägerin sich auf dem Betriebsgelände befand, sprang der Hund der Beklagten sie zur Begrüßung an und brachte sie Fall, wobei zwischen den Parteien ebenfalls streitig ist, ob die Klägerin zuvor laut "Hallo" rief, um den Hund der Beklagten auf sich aufmerksam zu machen. Aufgrund des Sturzes erlitt die Klägerin eine nicht dislozierte distale Radius- und Ullna-Fraktur links sowie Hüft- und Beckenprellungen. Wegen der Einzelheiten der Verletzungen wird auf den Durchgangsbericht des Dr. B. vom 02.06.2017 (Bl. 6 d.A.) Bezug genommen.

Der Unfall wurde von der Berufsgenossenschaft als Versicherungsfall anerkannt, die an die Klägerin entsprechend dem Schreiben vom 14.08.2017 (Bl. 10 d.A.) auch Verletztengeld zahlte.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die von ihr geltend gemachten Ansprüche nicht nach den §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen seien, da d...

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