Bericht aus Brüssel: Kommt die Frauenquote EU-weit?
Viele Frauenverbände hoffen auf eine gesetzliche Regelung, die zumindest den großen Konzernen verbindliche Frauenquoten für die Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen vorschreibt. Kommt Kritik auf, wird sie mit dem Verweis auf Norwegen zurückgewiesen. Dort gibt es die verbindliche Quote und sie wird auch eingehalten.
Doch so einfach ist es nicht. Die Tatsache allein, dass Frauen in allen Mitgliedsstaaten in den Führungsgremien unterrepräsentiert sind, genügt noch nicht für die Begründung einer EU-weiten Regelung. Vielmehr muss es sich dabei um ein Problem mit grenzüberschreitenden Auswirkungen handeln, das auf EU-Ebene besser gelöst werden kann als von den Mitgliedstaaten. Schon die Feststellung, dass es sich um ein Problem handelt, lässt sich nur ideologisch begründen. Der grenzüberschreitende Bezug lässt sich gar nicht begründen. Und dass die Mitgliedsstaaten selbst Abhilfe leisten können, ist unbestritten. Mit anderen Worten: Eine verbindliche Regelung auf EU-Ebene wäre ein klarer Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip. Die EU-Kommission hat das erkannt. Glaubt man den Gerüchten, dann wird es lediglich eine unverbindliche Empfehlung an die Mitgliedstaaten geben, den Frauenanteil in den höchsten Führungsgremien zu erhöhen.
Aus der Welt ist die Frauenquote damit aber nicht. Denn neben Frau von der Leyen drängen auch SPD und Grüne auf eine Quote. Auch sie verweisen übrigens gerne auf die Erfolge in Norwegen – und verschweigen uns, dass dort nur 70 Frauen mehr als 300 Verwaltungsratsposten unter sich aufteilen. Der Frauenanteil in den Vorständen liegt bei nur knapp 10 %. Erfolg sieht anders aus.
Aus unternehmerischer Sicht finden sich übrigens gute Gründe, den Frauenanteil auch ohne gesetzliche Regelung zu erhöhen. Deutschland steht vor einem Fachkräftemangel, der die Unternehmen dazu zwingen wird, den Anteil an qualifizierten Frauen deutlich zu erhöhen. Das wirkt sich früher oder später auch auf höchste Gremien aus. Arbeitgeber sind zudem gut beraten, nicht zu lange zu warten. Anderenfalls wird sich die Konkurrenz die besten Kräfte sichern. Aber damit allein ist es nicht getan. Arbeitgeber müssen auch ein Umfeld schaffen, das es ermöglicht, Familie und Beruf – auch für Väter – besser miteinander zu vereinbaren. Denn die Rücksicht auf die eigene Familie steht der Bewerbung um eine Führungsposition immer öfter entgegen und führt dazu, dass sich unter den Bewerbern nicht immer der Qualifizierteste befindet.
Klaus-Dieter Sohn, Rechtsanwalt: Centrum für Europäische Politik (Fachbereich: Arbeit & Soziales, Gleichbehandlung, Institutionelles Recht)
Berichte aus Bonn und Brüssel: Unsere Kolumnenserie
Dr. Hilmar Schneider und Klaus-Dieter Sohn berichten im 14-täglichen Wechsel Aktuelles aus ihrem Fachgebiet.
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