DGFP: "Wir müssen mutiger und schneller werden"
personalmagazin: Der neue Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) hat Anfang des Jahres erstmals getagt. Welches Arbeitsprogramm haben Sie sich gegeben?
Ariane Reinhart: Im neuen Vorstand der DGFP sind elf erfahrene Manager und Wissenschaftler versammelt, die sich Ende vergangenen Jahres zur ersten Vorstandssitzung zusammengesetzt haben und sich als Team verstehen. Deshalb hat jeder im Vorstand die Verantwortung für ein bestimmtes Thema oder einen Aufgabenbereich übernommen. Auf unserer ersten Vorstandssitzung haben mit einer Bestandsaufnahme begonnen. Eine Gruppe von „jungen Wilden“ aus unseren Organisationen hatten wir im Vorfeld beauftragt, die DGFP auf den Prüfstand zu stellen: Ist die DGFP kundenorientiert aufgestellt? Ist sie für den Nachwuchs wirklich attraktiv? Was ist ihr Alleinstellungsmerkmal? Es wurden tolle Ergebnisse präsentiert, die wir jetzt umsetzen wollen. Unsere Strategie ist es, Dinge zu machen, die unsere Mitglieder wirklich bewegen.
personalmagazin: Das war ja schon bisher Anspruch der DGFP. Welche Änderungen wird es geben?
Reinhart: Bei der DGFP verfügen wir über 65 Jahre Erfahrung und 1.500 Mitgliedsunternehmen, die 40.000 HR-Mitarbeiter repräsentieren. Im Vorstand haben wir uns Folgendes vorgenommen: Wir wollen uns auf ausgewählte Themen fokussieren, dazu gehört beispielsweise die Digitalisierung. Wir möchten diese Themen in Kooperation mit den Mitgliedern erarbeiten und wir wollen die Mitarbeiter der DGFP noch stärker durch Unterstützung der Mitglieder qualifizieren. Wir streben keine Revolution an, eher eine Evolution.
personalmagazin: Sie reden stark über die Art und Weise, wie Sie künftig arbeiten wollen. Gibt es auch Ziele wie Mitgliederzuwachs?
Reinhart: Natürlich ist das auch ein Ziel - aber die Erreichung des Ziels ergibt sich aus unseren Angeboten. Viele Aufgaben, die auf Unternehmen und die Gesellschaft zukommen, werden die Akteure nicht einzeln, sondern nur gemeinsam bewältigen können. Ich denke etwa an die Nachwuchssicherung, den Strukturwandel in der Fertigung oder die Weiterentwicklung der Bildungslandschaft. Wenn die Unternehmen sehen, dass wir bei der DGFP attraktive Konzepte und Angebote haben, werden wir neue Mitglieder bekommen.
personalmagazin: Die DGPF hat zwar eine große Tradition, sie galt aber lange als verschlafen. Mit der jüngsten Reorganisation hat sie ihr Image kräftig aufpoliert, hat am Markt aber immer noch zu kämpfen. Ist sie auf dem richtigen Weg?
Reinhart: Ja. Die Verantwortlichen haben das bisher gut gemacht, aber da gibt es noch Handlungsbedarf. Wir müssen schneller und manchmal auch mutiger werden, wenn wir neue Produkte entwickeln. Hier brauchen wir eine noch bessere Kundenorientierung. Wir haben sehr viel Sachverstand im Vorstand, den wir nutzen wollen. Wir werden aber auch Feedback von draußen einholen. Kritik ist wichtig und entscheidend, um besser zu werden. Nur so können wir einen Sprung nach vorne machen.
Ariane Reinhart über die DGFP: Wir müssen schneller und manchmal auch mutiger werden. Wir brauchen eine noch bessere Kundenorientierung. Wir werden auch Feedback einholen. Kritik ist wichtig und entscheidend, um besser zu werden. Nur so können wir einen Sprung nach vorne machen.
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personalmagazin: Die DGFP hatte schon immer einen Arbeitsschwerpunkt in der betrieblichen Fortbildung. Wird sich daran etwas ändern?
Reinhart: Ich spreche lieber von einer „Learning“-Organisation, also einer Kultur der kontinuierlichen Verbesserung in einem Unternehmen. Für die Betriebe wie auch die DGFP bleibt das Thema Lernen eine zentrale Herausforderung, um die anstehenden Veränderungen durch die Digitalisierung bewältigen zu können.
personalmagazin: Sie sind ja erst seit kurzer Zeit im Amt, da gibt es vermutlich noch keine neuen Angebote, die Sie benennen können?
Reinhart: Die „jungen Wilden“ aus unserem Unternehmen haben uns auf der Vorstandssitzung Ideen präsentiert, wie die DGFP cooler werden kann. Schon im ersten Halbjahr werden wir erste Piloten auf den Markt bringen, beispielsweise zum Thema HR Digital Influencer. Der DGFP-Kongress Anfang Mai wird schon spürbar mutiger.
personalmagazin: Die DGFP steht im Wettbewerb zum BPM und vielen Initiativen, die im New-Work-Umfeld entstanden sind. Was ist ihr Alleinstellungsmerkmal?
Reinhart: Unter unseren 1.500 Mitgliedern sind fast alle Dax- und MDax-Konzerne, aber auch sehr viele mittelständische Unternehmen. Dieses einzigartige Netzwerk ist das Alleinstellungsmerkmal der DGFP. Das müssen wir am Markt noch viel deutlicher sichtbar machen.
Ariane Reinhart über die DGFP: Unser einzigartige Netzwerk aus Dax-Unternehmen und Mittelständlern ist das Alleinstellungsmerkmal der DGFP. Das müssen wir am Markt noch viel deutlich sichtbar machen.
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personalmagazin: Wie sehen Sie Ihre Rolle als Vorstandsvorsitzende? Sind Sie eher Aufsicht oder eher Impulsgeberin?
Reinhart: Beides. Als Vorstandsteam möchten wir zusammen mit der Geschäftsführung die Vision für die DGFP definieren und die Umsetzungsstrategie erarbeiten, haben aber auch die Rolle eines „Coaches“ für die Geschäftsführung.
personalmagazin: Wenn Sie in zwei oder vier Jahren zurückblicken, an welchen Kennzahlen werden Sie die Erfolge für Ihre Amtszeit festmachen?
Reinhart: Ein jährlicher Mitgliederzuwachs von zehn Prozent wäre toll, sowie ein stabiles, finanzielles Ergebnis. Das erreichen wir über Produkte, die im Markt als innovativ, für die Unternehmen und Mitarbeiter als wertsteigernd gelten und stark nachgefragt werden.
personalmagazin: Was ist Ihre persönliche Motivation, das neue Ehrenamt zu übernehmen? Die DGFP ist ja noch nicht in einem sicheren Fahrwasser, sodass die Aufgabe auch mit einem Risiko für Ihre Reputation behaftet ist.
Reinhart: HR ist für mich ein strategischer Partner für das Business, aber auch ein strategischer Partner für Politik und Gesellschaft. Als ich gefragt wurde, für den Vorstand der DGFP zu kandidieren, habe ich gerne zugesagt, weil die DGFP für die Weiterentwicklung von HR eine wichtige Rolle einnimmt und HR eine Stimme Richtung Politik und Gesellschaft gibt. Den Umgang mit Risiken scheue ich nicht, er gehört zum unternehmerischen Alltag und muss gemanagt werden.
Ariane Reinhart über die DGFP: Die DGFP nimmt für die Weiterentwicklung von HR eine wichtige Rolle ein und gibt HR eine Stimme Richtung Politik und Gesellschaft.
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personalmagazin: Für die DGFP ist es ein historischer Schritt, dass erstmals eine Frau das Amt der Vorstandsvorsitzenden übernimmt. Hat das auch für Sie eine Bedeutung?
Reinhart: Nein. Bei der Diskussion im Vorstand, wer das Amt übernimmt, spielte die Geschlechterfrage keine Rolle. Es ging schlicht um die Frage, wer Lust dazu hat, auch etwas Zeit aufbringen will und wem die anderen Vorstände das Vertrauen entgegenbringen.
personalmagazin: Über die Rolle von HR wird in Deutschland viel diskutiert. Was sind für Sie die vier wichtigsten Themen für HR?
Reinhart: Erfolgreiche Unternehmen verfügen heute über strategisch denkende und strategisch gestaltende HR-Bereiche. Das ist meine Grundüberzeugung. Human Relations, wie wir das bei Continental nennen, muss sich mit der eigenen Rolle im Unternehmen beschäftigten, also den Themen, die unter dem Stichwort Business Partner diskutiert werden. Zweitens muss sich HR mit der strategischen Personalplanung befassen: Wie wird sich die Mitarbeiterstruktur weiterentwickeln, welche Prozesse und Tätigkeiten werden digitalisiert und was bedeutet das für Kompetenzen und Qualifizierung der Mitarbeiter. Und drittens müssen wir unsere Leistungen mit Kennzahlen messen, um uns in zahlengetriebenen Unternehmen Akzeptanz zu verschaffen. Und viertens geht es um die Gestaltung der Rahmenbedingungen, also Fragen von Bildung, Arbeitsmarkt und Gesetzgebung.
personalmagazin: Was sind denn die größten Fehler, die HR-Leute machen?
Reinhart: Aus meiner Beobachtung kümmern sich viel zu wenige darum, das Geschäft zu verstehen und ihre Expertise ins Geschäftsumfeld einzubringen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Als Personaler wissen wir, wie wichtig die Personalauswahl für den Erfolg im Job ist. Viele Werksleiter investieren zwar viel Geld und Zeit in die Auswahl von Ingenieuren, bei der Auswahl von gewerblichen Fachkräften sind sie manchmal nachlässig. Das ist falsch, weil sich Eigenschaften wie intrinsische Motivation nicht im betrieblichen Umfeld entwickeln lassen. Wir als Personaler wissen das und müssen dem Werksleiter klarmachen, dass sich die Investition in valide Auswahlverfahren auch im gewerblichen Bereich auszahlt.
Neun Thesen, die derzeit in HR diskutiert werden
personalmagazin: Im Folgenden bitte ich Sie um eine kurze Kommentierung zu neun Thesen, die derzeit in HR diskutiert werden. Erste These: Roboter und Algorithmen werden künftig einen Großteil der Personalauswahlprozesse übernehmen.
Reinhart: Bei der Rekrutierung werden Roboter und Algorithmen eine wichtige Rolle spielen, bei der Auswahl sehe ich das nur bedingt. Methoden wie halbstrukturierte Interviews oder Arbeitsproben lassen sich nicht so leicht digitalisieren.
personalmagazin: Zweite These: Netzwerke werden Hierarchien ablösen.
Reinhart: In unserer komplexen Welt müssen wir lernen, in Netzwerkstrukturen zu arbeiten. Das wird immer wichtiger. Doch Organisationen brauchen auch eine gewisse Struktur, deshalb werden Hierarchien nicht verschwinden, sie werden aber flacher.
personalmagazin: Dritte These: Soft Skills werden wichtiger als Hard Skills?
Reinhart: Soft Skills werden mindestens gleichwertig. Eigenmotivation ist beispielsweise ein Soft Skill, der für unsere künftigen Arbeitsstrukturen wichtiger wird.
personalmagazin: Vierte These: Gehaltstransparenz wird zunehmen.
Reinhart: Im Tarifbereich gibt es schon lange Transparenz. Die Digitalisierung bringt mit sich, dass die Gehälter über das Netz transparenter werden, etwa über Gehaltsvergleiche oder den direkten Austausch der Mitarbeiter.
personalmagazin: Fünfte These: Führungskräfte werden zunehmend gewählt.
Reinhart: Den Ansatz finde ich interessant. Ich kann mir gut vorstellen, dass Teamsprecher gewählt werden. Wir haben das im gewerblichen Bereich getestet.
personalmagazin: Sechste These: Die Digitalisierung wird in den nächsten zehn Jahren jeden fünften Arbeitsplatz zunichtemachen.
Reinhart: Von den zahlreichen Studien, die derzeit publiziert werden, darf man sich nicht irremachen lassen. Unsere Verantwortung ist es, eine strategische Personalplanung zu machen und die Leute für den Wandel zu qualifizieren.
personalmagazin: Siebte These: Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt radikal verändern.
Reinhart: Davon bin ich überzeugt. Wir brauchen davor aber keine Angst haben. Wir müssen gestalten.
personalmagazin: Achte These: CEOs erkennen zunehmend die Bedeutung von HR-Themen für eine erfolgreiche Unternehmensführung.
Reinhart: Wenn mein CEO nicht auch der oberste Verfechter von HR wäre, dann hätte ich wirklich ein Problem. Von den drei Wachstumskräften, die wir bei Continental definiert haben, ist eines davon ein HR-Thema. Alle guten Führungskräfte wenden einen Großteil ihrer Zeit dafür auf, sich mit Führungs- und HR-Themen zu beschäftigen. Führen ist für Führungskräfte die zentrale Aufgabe.
personalmagazin: Neunte These: In den nächsten Jahren werden einige der Top-HR-Manager einen Job als CEO übernehmen.
Reinhart: Ich hoffe das sehr. Da gibt es einige aus dem Kollegenkreis, denen ich das zutraue.
Das Interview führte Reiner Straub.
Hinweis: Die Themenpaten im DGFP-Vorstand sind...
Rolle HR: Dr. Bettina Volkens
Digitalisierung: Arbeiten 4.0/ New Work: Dr. Ariane Reinhart und Prof. Dr. Wilhelm Bauer
(New) Leadership: Prof. Dr. Heike Bruch
Mitbestimmung 4.0: Oliver Burkhard
Demografischer Wandel/ Fachkräftesicherung: Dr. Johannes Beermann
Arbeitsmarktpolitische Themen: Raimund Becker
Young Professional Network und DGFP Lab: Norbert Janzen
Gesamtstrategie und DGFP Kongress: Dr. Ariane Reinhart
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