Fristlose Kündigung nach Arbeitszeitbetrug und die Detektivkostenfrage
Zugetragen hat sich der Sachverhalt im Sommer 2021 in einem städtischen Straßenreinigungsbetrieb, wo der Kläger schon ca. 30 Jahre – unter Anrechnung der Zeiten beim Rechtsvorgänger – beschäftigt war, bis dahin beanstandungslos. Das und seine Empfänglichkeit für Beeinflussungen haben ihm vor dem Arbeitsgericht Herne den Job gerettet.
Ertappt: Straßenreinigungsfahrzeug auf Abwegen
Nach dem Hinweis, dass ein Reinigungsfahrzeug außerhalb des zugeteilten Bereichs gesichtet wurde, engagierte die Stadt eine Detektei, die das Fahrzeug ca. einen Monat lang beobachtete. An sieben verschiedenen Tagen fuhr das Mitarbeiterteam, unter ihnen der Kläger, mehrere Ziele an, die nichts mit der Arbeit zu tun hatten, u.a. Getränkemärkte, ein Vereinsgelände, ein Gewerbegebiet, die Privatadresse eines Teammitglieds.
Gekündigter hält schwaches Rückgrat entgegen
Auf Vorhalt gab der Kläger das Verhalten zunächst als „nicht in Ordnung“ zu, widerrief die Erklärung aber später auf Anraten des Personalratsvorsitzenden. Im Prozess stellte er sich als „Mitläufer“ des Kollegenteams dar, mit fehlender Möglichkeit auf diese oder die Wegeplanung einzuwirken.
Schwerer Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten
Die Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts Herne beginnt vielversprechend für den städtischen Arbeitgeber. Den Arbeitszeitbetrug dieser Art wertet es per se als geeigneten Grund für eine fristlose Kündigung; den begangenen Vertrauensbruch schätzt es als schwerwiegend ein.
Ermittlungen durch Detektei erlaubt und verwertbar
Die verdeckte Beobachtung durch die Detektive hielt das Gericht sowohl unter Datenschutzgesichtspunkten als auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechts des Überwachten für rechtens. Die Maßnahme war v.a. deshalb zulässig und verwertbar, weil der Detektiveinsatz erst nach konkretem Verdachtsmoment erfolgte, andere geeignete Überführungsmittel fehlten und nur während der Arbeitszeit und in öffentlichem Raum überwacht wurde.
Angesichts der Sozialparameter des Klägers ist die Kündigung zu heftig
Trotz allem: Die fristlose Kündigung hält das Gericht für unverhältnismäßig. Der Kläger hat zu viel in seiner Waagschale, allem voran seine langjährige Beschäftigungszeit, sein mit 58 relativ hohes Alter, ein unterhaltspflichtiges Kind, die bislang saubere Personalakte. Da es sich um steuerbares Verhalten handelt und der Kläger als beeinflussbare Persönlichkeit eingeschätzt wurde, befanden die Richter, dass es eine Abmahnung getan hätte.
Vertrauensvorschuss durch Fehlverhalten nicht aufgebraucht
Der Stadt halfen in diesem Fall weder die Schwere noch die Vorsätzlichkeit, auch nicht die Wiederholung der Taten oder die Einbußen in Form des ohne Gegenleistung gezahlten Arbeitsentgelts. Der über die Jahre erarbeitete „Vertrauensvorschuss“, der seinerzeit die Kassiererin „Emmely“ rettete (BAG, Urteil v. 10.6.2020, 2 AZR 541/09), bewahrte jetzt auch den Straßenreiniger vor dem Rausschmiss.
Arbeitnehmer trägt Detektivkosten, wenn er die Ursache für die Beauftragung gesetzt hat
Normalerweise können dem Arbeitnehmer auch die Detektivkosten - hier satte 15.000 EUR - in Rechnung gestellt werden. Aber auch insoweit hatte der Arbeitgeber Pech durch schlechtes Timing, denn die Beauftragung und Beobachtung begann, als der Kläger zunächst noch im Urlaub war, sodass die Kausalität verneint wurde.
Überprüfung der Entscheidung in der Berufung folgt
Es ist eine Einzelfallentscheidung ohne neue Grundsatzerkenntnisse, aber dennoch eine lehrreiche. Sie zeigt Arbeitgebern, dass das Unterliegen im Kündigungsschutzprozess auch bei gut vorbereiteter Kündigung eine Option bleibt. Noch aber kann sich das Blatt wenden. Die Stadt hat Berufung eingelegt, über die das LAG Hamm entscheidet.
(ArbG Herne, Urteil v. 10.12.2021, 5 Ca 1495/21, nicht rechtskräftig)
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