Muss ein privat Krankenversicherter trotz Kündigung weiter Beiträge zahlen?
Ein privat Krankenversicherter war in die Insolvenz geraten und hatte im Zuge dessen am 26. Juni 2015 seinen Vertrag bei dem Krankenversicherer gekündigt. Vier Tage zuvor hatte er sich bereits bei einer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert.
Privater Krankenversicherer weist auf Nachweis der Pflichtversicherung hin
Die private Krankenversicherung teilte dem Mann daraufhin schriftlich mit, dass die Kündigung zum 1. Dezember 2015 wirksam sei, aber nur, wenn er bis zu diesem Zeitpunkt einen Nachweis über die Pflichtversicherung vorlege.
Knapp drei Monate nach Erhalt des Kündigungsschreibens sei es zu einem Telefonat gekommen, in dem ein Mitarbeiter der Versicherung dem Mann mitgeteilt habe, dass der Nachweis der Anschlussversicherung nicht vorliege und der Vertrag daher unverändert fortbestehe.
Obwohl bereits gesetzlich krankenversichert, verlangt PKV die Nachzahlung von Beiträgen
Vor Gericht musste geklärt werden, ob der private Krankenversicherer noch Ansprüche gegen den ehemaligen Versicherungsnehmer hat. Konkret forderte die Versicherung eine Nachzahlung von Beiträgen in Höhe von 1536 Euro für die Jahre 2018 und 2019.
Gericht: Versicherer kann sich nicht auf Ungültigkeit der Kündigung berufen
Das Amtsgericht Halle sah keinen Anspruch der Versicherung gegen den ehemaligen Kunden. Der Versicherer könne sich nicht auf die Unwirksamkeit der Kündigung des Versicherungsnehmers nach § 205 Abs. 6 VVG berufen. Dazu hätte der Versicherer den Versicherungsnehmer nachweisbar auf die fehlende Anschlussversicherung hinweisen müssen, so das Gericht.
Der Versicherer habe nicht nachweisen können, dass er die Zurückweisung der Kündigung schriftlich dokumentiert habe. Voraussetzung für diese Hinweispflicht des Versicherers ist, dass das Schreiben dem Versicherten auch zugegangen ist. Die dem Versicherungsnehmer geschuldete Information ist empfangsbedürftig.
Anforderungen an den Versicherer im Falle einer ungültigen Kündigung:
- Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Versicherer verpflichtet, seinen Kunden bei einer unvollständigen, formunwirksamen, verspäteten oder aus einem anderen Grund ungültigen Kündigung unverzüglich über den Mangel zu informieren.
- Unterlässt der Versicherer dies, wird die ansonsten unwirksame Kündigung nach Treu und Glauben als wirksam angesehen.
- Nach überwiegender Auffassung schafft der Versicherer durch sein Untätigbleiben einen Vertrauenstatbestand.
Es widerspreche Treu und Glauben, ohne Gegenleistung – der Mann war gesetzlich krankenversichert – einen Zahlungsanspruch zu begründen. Die Versicherung trage weder das Risiko, die Kosten der Heilbehandlung zu übernehmen, noch habe es in dem Zeitraum, für den die Versicherung Beiträge nachforderte, Anträge auf Kostenerstattung gegeben.
Schikaneverbot – kein Zahlungsanspruch der Versicherung
Insofern verbiete nicht nur § 242 BGB einen Zahlungsanspruch der Versicherung, sondern darüber hinaus auch § 226 BGB – das Schikaneverbot: Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.
(AG Halle/Saale, Urteil v. 06.04.2023, 98 C 519/22)
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