Rz. 80
Der Anwaltsvertrag kann auch in der Weise beendet werden, dass entweder der Auftraggeber oder der Rechtsanwalt den Vertrag kündigt. Wenn der Rechtsanwalt die Kündigung ausspricht, ist in der Praxis davon die Rede, dass der Rechtsanwalt "das Mandat niederlegt". Die Wirksamkeit einer Kündigung und die daran anknüpfenden Rechte der Vertragsparteien setzen zunächst voraus, dass ein Kündigungsgrund vorliegt. Die Kündigung darf nicht gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen sein. Schließlich muss die Kündigung wirksam erklärt worden sein. Selbst wenn eine Kündigung wirksam ist, können sich Schadensersatzansprüche des Vertragspartners ergeben. Auch ist zu prüfen, welche Folgen die Kündigung eines Anwaltsvertrages für den Honoraranspruch des Rechtsanwalts hat. Die Kündigung des Anwaltsvertrages durch den Mandanten kann Auswirkungen auf die Zuordnung einer Pflichtverletzung für einen dem Mandanten später entstandenen Schaden haben, wenn der Mandant das Auftragsverhältnis zu einem Zeitpunkt gekündigt hat, zu dem der Schaden noch vermieden werden konnte.
a) Rechtsgrundlagen
Rz. 81
I.d.R. handelt es sich bei einem Anwaltsvertrag um einen Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 611, 675 Abs. 1 BGB; zur Rechtsnatur des Anwaltsvertrages vgl. Rdn 5). Dann richten sich die Kündigung des Anwaltsvertrages und deren Rechtsfolgen in den meisten Fällen nach §§ 627, 628 BGB. Neben § 627 Abs. 1 BGB bleibt das Recht aus § 626 BGB, den Anwaltsvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, ebenso unberührt, wie – vorbehaltlich vertraglicher Regelungen – ein ordentliches Kündigungsrecht nach § 621 BGB in Betracht kommen kann.
Ist der Anwaltsvertrag ausnahmsweise als Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 631, 675 Abs. 1 BGB), einzuordnen, muss § 649 BGB beachtet werden. Danach kann der Auftraggeber (Besteller) den Vertrag bis zur Vollendung des Werks jederzeit kündigen. Die Vergütung des Rechtsanwalts (des Unternehmers) richtet sich dann nach § 649 Satz 2 BGB. Beim Anwaltswerkvertrag ist ein Sonderkündigungsrecht des Rechtsanwalts nicht vorgesehen. Insoweit stellt sich die Frage nach einer analogen Anwendbarkeit des § 627 BGB.
Rz. 82
Für Dienst- und Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben, verweist § 675 Abs. 1 BGB auf § 671 Abs. 2 BGB, soweit dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Ein solches Sonderkündigungsrecht enthält § 627 Abs. 1 BGB. § 671 Abs. 2 BGB entspricht § 627 Abs. 2 BGB und ist daneben ohne Bedeutung. Auf § 671 Abs. 3 BGB, wonach der Beauftragte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auch dann zur Kündigung berechtigt ist, wenn er auf das Kündigungsrecht verzichtet hat, verweist § 675 Abs. 1 BGB nicht.
Rz. 83
§ 314 BGB enthält eine allgemeine Vorschrift über die außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses. Ein solches Schuldverhältnis kann ein Dauermandat eines Rechtsberaters sein. Die dafür geltenden besonderen Vorschriften über eine außerordentliche Kündigung (§§ 626, 627 BGB mit der Folgenregelung des § 628 BGB) sind ggü. § 314 BGB vorrangig.
Die Rechtsprechung zu den Kündigungsvorschriften ist zumeist im Zusammenhang mit Streitigkeiten über die Vergütung des Rechtsanwalts ergangen. Gem. § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Rechtsanwalt einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil des Honorars verlangen, wenn nach dem Beginn des Anwaltsvertrages das Vertragsverhältnis aufgrund des § 626 BGB oder des § 627 BGB gekündigt wird. Das bedeutet, dass nur die bereits erbrachten Leistungen bezahlt werden müssen. Dabei ist die Kündigung des Dienstverhältnisses nur dann durch ein vertragswidriges Verhalten veranlasst, wenn zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, wobei dies dann der Fall ist, wenn die Vertragsverletzung Motiv für die außerordentliche Kündigung war und sie diese adäquat kausal verursacht hat. Bei der Ermittlung der Anspruchshöhe ist die Sonderregelung des § 15 Abs. 4 RVG zu beachten.
Kündigt der Rechtsanwalt, ohne durch vertragswidriges Verhalten des Auftraggebers dazu veranlasst zu sein, oder veranlasst er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Mandanten, steht ihm ein Anspruch auf das Honorar insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben. Haben Vorarbeiten des Anwalts noch zu keinem Arbeitsergebnis geführt, das an den Mandanten oder einen Dritten herausgegeben werden sollte, kann dies eine Pflichtwidrigkeit nicht begründen, selbst wenn die Vorarbeiten Fehler aufweisen.