Rz. 235
Unter besonderen Voraussetzungen kommt auch eine Pflicht zur Belehrung des früheren Auftraggebers über materiell-rechtlich Fragen in Betracht. Zwar entbindet das Vertragsende den Rechtsanwalt von seiner Pflicht, die zuvor vertraglich übernommene Angelegenheit auch nur zu einem provisorischen Ende zu führen. Der Auftraggeber darf ferner nicht etwa beanspruchen, über die Sach- und Rechtslage bei Mandatsende umfassend unterrichtet zu werden. Ist dem Rechtsanwalt aber erkennbar, dass dem Mandanten gerade aus der Beendigung der anwaltlichen Tätigkeit ein Schaden droht, weil er sich mangels Kenntnis der Rechtslage der Gefahren nicht bewusst ist, ist der Rechtsanwalt nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, den ehemaligen Auftraggeber bei Mandatsende auf diese Gefahr jedenfalls dann hinweisen, wenn er sie erkennbar mit verursacht hat.
Rz. 236
Ein solcher Fall liegt vor, wenn der beauftragte Rechtsanwalt während des Mandats pflichtwidrig nicht die erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verjährung eines Anspruchs eingeleitet hat; er ist dann bei Mandatsende verpflichtet, den früheren Mandanten darauf hinzuweisen, dass der Ablauf der Verjährungsfrist droht.
Rz. 237
Aber auch ohne pflichtwidriges Verhalten kann eine anwaltliche Pflicht zum Hinweis auf eine drohende Verjährung bei Mandatsende gegeben sein: Der Rechtsanwalt hatte nur gegen einen Teil der möglichen Schuldner verjährungshemmende Maßnahmen eingeleitet, weil vom Ausgang dieser Rechtsstreitigkeiten das weitere Vorgehen gegen die noch nicht verklagten Schuldner abhängig gemacht werden sollte. Die nachwirkende Verpflichtung folgt dann aus der allgemeinen Vertragspflicht, Ansprüche, die Gegenstand des Mandats sind, rechtzeitig vor Verjährung zu sichern (vgl. § 2 Rdn 160 ff.).
Rz. 238
Hat ein Rechtsanwalt von seinem Auftraggeber Unterlagen zur Durchsetzung einer Kaufpreisforderung erhalten, verletzt der Rechtsanwalt seine nachvertraglichen Pflichten aus dem Anwaltsvertrag, wenn er nach Beendigung des Mandats weder die Unterlagen zurückgibt noch den Mandanten auf die drohende Verjährung hinweist.
Die Berufspflicht des Rechtsanwalts zur Herausgabe von Handakten folgt aus der Generalklausel des § 43 BRAO i.V.m. §§ 675, 667 BGB und inzidenter auch der Vorschrift des § 50 BRAO. Verweigert der Rechtsanwalt die Herausgabe von zur Prozessführung benötigten Mandantenunterlagen ohne rechtfertigenden Grund, verstößt er gegen seine zivilrechtliche Herausgabepflicht und begeht zugleich eine grobe Berufspflichtverletzung.
Zu den Herausgabepflichten eines Rechtsanwalts gehört es grds. auch, seinem Mandanten auf Verlangen die gesamte Handakte herauszugeben. Soweit der Anwalt die Herausgabe mit Rücksicht auf Geheimhaltungsinteressen sonstiger Mandanten verweigert, hat er dies unter Angabe näherer Tatsachen nachvollziehbar darzulegen. Insoweit steht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners der Herausgabeanspruch aus § 667 BGB dem Kläger zu. Der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Schuldnerin und der Beklagten ist mit Insolvenzeröffnung erloschen (§§ 115, 116 InsO).