Rz. 103
Die Voraussetzungen, nach denen ein Rechtsanwalt gem. § 627 Abs. 2 BGB aus einem wichtigen Grund zu einer unzeitigen Kündigung berechtigt ist, richten sich ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalls. Gerichtliche Entscheidungen sind hierzu im Zusammenhang mit Anwaltsverträgen bislang nicht veröffentlicht worden.
Der Wortlaut des § 627 Abs. 2 BGB, der das Vorliegen eines wichtigen Grundes erfordert, unterscheidet sich von § 628 Abs. 2 BGB, der ein vertragswidriges Verhalten voraussetzt, und von § 626 Abs. 1 BGB, der daran anknüpft, ob dem Kündigenden ein Festhalten am Vertrag unzumutbar ist. Eine Gleichsetzung dieser Begriffe verbietet sich daher. So ist ein wichtiger Grund i.S.d. § 627 Abs. 2 BGB nicht erst dann gegeben, wenn dem Rechtsanwalt die Fortsetzung des Auftrags nicht mehr zugemutet werden kann. Sonst würde der Zweck des § 627 Abs. 1 BGB, ggü. der allgemeinen Vorschrift des § 626 BGB die außerordentliche Kündigung eines Dienstvertrages mit besonderem Vertrauensverhältnis zu erleichtern, verfehlt (zum Zweck des Sonderkündigungsrechts nach § 627 Abs. 1 BGB vgl. Rdn 72).
Ein wichtiger Grund i.S.d. § 627 Abs. 2 BGB ist daher immer dann gegeben, wenn eine Kündigung ohne Rücksicht darauf, ob der Auftraggeber sich die Dienste anderweitig beschaffen kann, gerechtfertigt ist. Wie bei § 723 Abs. 2 BGB bedarf es hierzu einer Abwägung der Interessen des Kündigenden an einer schnellen Beendigung des Vertrages und derjenigen des Vertragspartners an der Wahl eines schonenderen Zeitpunktes, regelmäßig also an einem zeitlichen Hinausschieben der Kündigung. Dabei kommt es auf die Gesamtumstände des Falles an. Ein erheblicher Anhaltspunkt für einen wichtigen Grund i.S.d. § 627 Abs. 2 BGB besteht dann, wenn das Verhalten des Auftraggebers, welches die Kündigung durch den Rechtsanwalt veranlasst hat, zugleich als vertragswidrig i.S.d. § 628 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB zu bewerten ist (vgl. Rdn 115 ff.).
Kündigt etwa der Revisionsanwalt nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde das Mandat, weil er dem Rechtsmittel aufgrund einer inhaltlich zutreffenden Begutachtung keine Erfolgsaussichten beimisst und darum die von dem Mandanten gewünschte Begründung und Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde ablehnt, verliert er seinen Vergütungsanspruch gegen den Mandanten nicht. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Anwalt das Mandat unter der Prämisse übernommen hat, das in Rede stehende Rechtsmittel in jedem Fall durchzuführen.