Rz. 105
Hat eine Vertragspartei die Kündigung des Anwaltsvertrages nach § 626 oder § 627 Abs. 1 BGB durch vertragswidriges Verhalten veranlasst, ist sie gem. § 628 Abs. 2 BGB dem Vertragspartner zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dadurch entsteht, dass der Anwaltsvertrag aufgehoben wird. Der Schadensersatzanspruch kann sowohl dem Rechtsanwalt als auch dem Mandanten zustehen. Der Schaden des Rechtsanwalts kann etwa darin bestehen, dass er nicht das Honorar erhält, das er bei der vertragsgemäßen Durchführung des Vertrages hätte beanspruchen können. Auch kann er im Vertrauen auf die Durchführung des Anwaltsvertrages Aufwendungen getätigt haben, die sich nach der Kündigung als nutzlos erweisen. Umgekehrt können Kosten und Aufwendungen des Mandanten durch die Kündigung nutzlos geworden sein.
Rz. 106
Ein vertragswidriges Verhalten, das den Anlass für die außerordentliche Kündigung bildet, setzt nach allgemeiner Ansicht eine schuldhafte Verletzung einer Vertragspflicht voraus. Der Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB entfällt, wenn zur Zeit der Kündigung auch der Kündigungsempfänger aus wichtigem, vom anderen Teil zu vertretenden Grund hätte kündigen können; es kommt nicht darauf an, ob er von seiner Kündigungsmöglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht hätte. Wenn der Auftraggeber sich auf ein vertragswidriges Verhalten des Rechtsanwalts gem. § 628 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB beruft, trägt der Auftraggeber die Beweislast dafür, dass er die Kündigung des Rechtsanwalts nicht durch eigenes vertragswidriges Verhalten veranlasst und dass der Rechtsanwalt sich seinerseits vertragswidrig verhalten hat.
aa) Vertragswidriges Verhalten des Rechtsanwalts
Rz. 107
Eine Kündigung des Auftraggebers ist berechtigt, wenn der Rechtsanwalt durch vertragswidriges Verhalten das Vertrauensverhältnis ernstlich erschüttert oder zerstört hat und dem Auftraggeber ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist, weil er befürchten muss, dass der Rechtsanwalt seine Interessen nicht mehr sachgerecht wahrnehmen werde. Diese Definition verdeutlicht, dass das Merkmal vertragswidrigen Verhaltens in starkem Umfang von einer Bewertung der Verhältnisse des Einzelfalls abhängt. Daher können die zu § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB ergangenen höchstrichterlichen und obergerichtlichen Entscheidungen allenfalls eine grobe Leitlinie für andere Fälle darstellen.
Rz. 108
Der Rechtsanwalt kann sich etwa vertragswidrig verhalten, wenn er den ihm erteilten Auftrag in erheblicher Weise unsachgemäß bearbeitet. Der BGH hat ein vertragswidriges Verhalten eines Rechtsanwalts angenommen, weil dieser in einem Rechtsstreit ohne sachlichen Grund und ohne Zustimmung des Auftraggebers zu dessen Nachteil eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung abgegeben und einen Schriftsatz verfasst hatte, der mit dem bisherigen Vorbringen nicht abgestimmt war. Keine zur Kündigung berechtigende Vertragswidrigkeit liegt vor, wenn Vorarbeiten eines Anwalts noch nicht zu einem Arbeitsergebnis geführt haben, das an den Mandanten oder einen Dritten herausgegeben werden sollte; in diesem Fall ist eine Kündigung wegen Pflichtwidrigkeit nicht begründet, auch wenn die Vorarbeiten des Anwalts Fehler aufweisen. Hierauf kommt es nicht an, weil das Arbeitsergebnis des Anwalts noch nicht zur Herausgabe an den Mandanten bestimmt war.
Rz. 109
Auch eine Interessenkollision des beauftragten Rechtsanwalts oder andere Umstände, die Zweifel an dessen Zuverlässigkeit oder Unabhängigkeit begründen, können vertragswidriges Verhalten i.S.d. § 628 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB darstellen. So hat der BGH ausgeführt, dass der beauftragte Rechtsanwalt sich vertragswidrig verhält, wenn er in einer anderen Sache die berufliche Qualifikation seines Mandanten angreift, nachdem der Rechtsanwalt den Auftraggeber über die Tragweite eines Interessenkonflikts nicht ausreichend aufgeklärt hatte. Dies gilt auch, wenn der Auftraggeber zuvor darin eingewilligt hat, dass der Rechtsanwalt in einer anderen Sache gleichzeitig die Interessen eines Dritten gegen ihn wahrnimmt. Eine Einwilligung des Auftraggebers, dass sein Rechtsanwalt Interessen eines Dritten gegen ihn – den Mandanten – wahrnimmt, ist nur dann rechtlich beachtlich, wenn der Auftraggeber seine Zustimmung in voller Kenntnis der dafür maßgebenden Umstände erteilt hat. Der Rechtsanwalt muss den Mandanten dann u.a. auch darauf hinweisen, mit welchen Angriffen gegen seine berufliche Tätigkeit oder seine Person er rechnen muss. Wenn der Rechtsanwalt dieser Aufklärungspflicht nicht genügt, verstößt er gegen seine Pflicht, alles zu unterlassen, was das Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten beeinträchtigen kann. Hat der Rechtsanwalt es abgelehnt den Mandanten vor Gericht zu vertreten, weil eine ande...