Rz. 349

Diese Rechtsregeln gelten insbesondere bei Betriebsstilllegungsentscheidungen.[366] Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist der Entschluss des Arbeitgebers, ab sofort keine neuen Aufträge mehr anzunehmen, allen Arbeitnehmern zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu kündigen, zur Abarbeitung der vorhandenen Aufträge eigene Arbeitnehmer nur noch während der jeweiligen Kündigungsfristen einzusetzen und so den Betrieb schnellstmöglich stillzulegen, als unternehmerische Entscheidung grundsätzlich geeignet, die entsprechenden Kündigungen sozial zu rechtfertigen.[367]

 

Rz. 350

 

Hinweis

Dabei ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Arbeitnehmer bei einer sukzessiv erfolgenden Betriebsstilllegung unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Kündigungsfristen ausscheiden und nicht zu einem einheitlichen Kündigungsendtermin.[368] Die unternehmerische Entscheidung zur schnellstmöglichen dauerhaften Aufhebung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann als dringendes betriebliches Erfordernis eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen. Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in ihrer jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen, statt die fraglichen Arbeiten sofort einzustellen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im bereits gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht.

 

Rz. 351

Enthält die Stilllegungsentscheidung keine Einschränkungen oder Vorbehalte dahingehend, eventuell doch neu eingestellte Arbeitnehmer zur Fertigstellung gewisser Arbeiten einzusetzen oder dafür gekündigte Arbeitnehmer über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu beschäftigen, so entfällt durch einen solchen Stilllegungsbeschluss, wenn er im Zeitpunkt der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat, das Beschäftigungsbedürfnis für die Arbeitnehmer des Betriebs jeweils mit dem Ablauf der für sie einschlägigen Kündigungsfrist. Bei einem derartigen unternehmerischen Stilllegungskonzept mit der sofortigen und gleichzeitigen Kündigung aller Arbeitsverhältnisse entfällt auch das Erfordernis einer sozialen Auswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG. Würde man die noch zu erledigenden Restaufgaben nicht nach der Dauer der jeweiligen Kündigungsfrist, sondern nach sozialen Gesichtspunkten verteilen, so würde die Verlängerung der Kündigungsfrist bei sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmern gemessen an den die Arbeitsgerichte bindenden unternehmerischen Vorgaben zu einem Arbeitskräfteüberhang führen.[369]

 

Rz. 352

 

Hinweis

Nichts anderes gilt, wenn die unternehmerische Entscheidung nicht eine völlige Betriebsstilllegung betrifft, sondern der Arbeitgeber eines Produktionsbetriebs sich entschließt, die Produktion zwar schnellstmöglich stillzulegen, eine kleinere Betriebsabteilung jedoch zunächst fortzuführen.[370]

 

Rz. 353

 

Beispiel

Das gilt auch bei der Herauslösung des stillzulegenden Betriebes aus einem Gemeinschaftsbetrieb erst nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses.[371]

 

Rz. 354

Der Arbeitgeber ist erst recht nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen.[372] Es kommt daher auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Grundsätzlich brauchen betriebliche Gründe noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein; es genügt vielmehr, wenn sie sich konkret und greifbar abzeichnen. Sie liegen dann vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben.[373]

 

Rz. 355

Die bloße Einstellung der Produktion bedeutet allerdings noch keine Betriebsstilllegung.[374] Unter Betriebsstilllegung ist vielmehr die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen.[375]

 

Rz. 356

 

Beispiel

Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert oder zurückgibt und die Betriebstätigkeit vollstän­dig einstellt.[376]

 

Rz. 357

Abgeschlossen ist die Stilllegung regelmäßig dann, wenn die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer beendet sind.[377]

 

Rz. 358

 

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